21.11.2024
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Dokument-Nr. 33842

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Urteil22.03.2024BundesgerichtshofV ZR 81/23
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Hannover, Urteil20.09.2022, 482 C 5657/21
  • Landgericht Lüneburg, Urteil21.03.2023, 9 S 56/22
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Bundesgerichtshof Urteil22.03.2024

Wohnungs­ei­gentümer­gemeinschaft kann Verteilungs­schlüssel über Tragung von bestimmten Kosten auch ändern, wenn der Kreis der Kostenträger geändert wird und Wohnungs­ei­gentümer gänzlich von der Kostentragung befreit werden (Doppelparker-Fall)BGH zur Zulässigkeit von Beschlüssen der Wohnungs­ei­gentümer zur Änderung der Kostentragung für Erhal­tungs­maß­nahmen nach dem neuen WEG von 2020

Der unter anderem für das Wohnungs­eigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat auf der Grundlage des im Jahr 2020 reformierten Wohnungs­eigentumsrechts über die Voraussetzungen entschieden, unter denen die Wohnungs­ei­gentümer für Erhal­tungs­maß­nahmen am Gemeinschafts­eigentum eine von der bisherigen Kosten­ver­teilung abweichende Kostentragung zulasten einzelner Wohnungs­ei­gentümer beschließen können.

Der Kläger ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungs­ei­gentümer und Teileigentümer von vier sog. Doppelparkern. Aufgrund eines Defekts der (im gemein­schaft­lichen Eigentum stehenden) Hebeanlage kann in den Doppelparkern nur jeweils ein Fahrzeug abgestellt werden. Im Juni 2021 beschlossen die Wohnungs­ei­gentümer eine Änderung der Kosten­ver­teilung, nach der die Kosten für eine Sanierung und Reparatur der (im gemein­schaft­lichen Eigentum stehenden Teile der) Doppelparker nicht mehr wie bisher von allen Wohnungs­ei­gen­tümern, sondern ausschließlich von den Teileigentümern der insgesamt zwanzig Doppelparker gemein­schaftlich zu tragen sind.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit der Anfech­tungsklage, die in den Vorinstanzen erfolglos geblieben ist. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, will der Kläger weiterhin erreichen, dass der angefochtene Beschluss für ungültig erklärt wird.

Der Bundes­ge­richtshof hat die Revision zurückgewiesen. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:

Der Beschluss über die Verteilung der für die Doppelparker anfallenden Kosten ist weder nichtig noch anfechtbar. Die Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG begründet die Kompetenz der Wohnungs­ei­gentümer, für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten der Gemeinschaft der Wohnungs­ei­gentümer eine von dem gesetzlichen Vertei­lungs­sch­lüssel oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung zu beschließen. Das gilt - entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansicht - auch dann, wenn dadurch der Kreis der Kostenschuldner verändert wird, indem Wohnungs­ei­gentümer von der Kostentragung gänzlich befreit oder umgekehrt erstmals mit Kosten belastet werden. Dieses im Vergleich zur vorherigen Rechtslage weite Verständnis ergibt sich aus dem Geset­zes­wortlaut und steht mit dem gesetz­ge­be­rischen Ziel der Regelung in Einklang.

Der Beschluss entspricht auch ordnungsmäßiger Verwaltung. Den Wohnungs­ei­gen­tümern ist bei Änderungen des Umlage­schlüssels aufgrund des Selbst­or­ga­ni­sa­ti­o­ns­rechts der Gemeinschaft ein weiter Gestal­tungs­spielraum eingeräumt. Beschließen die Wohnungs­ei­gentümer für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten der Gemeinschaft der Wohnungs­ei­gentümer eine Änderung der bisherigen Verteilung, dürfen sie - wie schon nach der alten Rechtslage - jeden Maßstab wählen, der den Interessen der Gemeinschaft und der einzelnen Wohnungs­ei­gentümer angemessen ist und insbesondere nicht zu einer ungerecht­fer­tigten Benachteiligung Einzelner führt. Werden Kosten von Erhal­tungs­maß­nahmen, die nach dem zuvor geltenden Vertei­lungs­sch­lüssel von allen Wohnungs­ei­gen­tümern zu tragen sind, durch Beschluss einzelnen Wohnungs­ei­gen­tümern auferlegt, entspricht dies - wie schon nach § 16 Abs. 4 WEG aF - jedenfalls dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die beschlossene Kosten­ver­teilung den Gebrauch oder die Möglichkeit des Gebrauchs berücksichtigt. Daran gemessen ist der Beschluss nicht zu beanstanden. Durch die getroffene Regelung werden nur die Teileigentümer der Doppelparker mit Kosten belastet, die - im Gegensatz zu den übrigen Wohnungs­ei­gen­tümern - auch einen Nutzen aus der Erhaltung des Gemein­schafts­ei­gentums an den Doppelparkern ziehen und denen die Erhaltung des Gemein­schafts­ei­gentums wirtschaftlich zugutekommt. Auch das Rückwir­kungs­verbot gebietet hier keine andere Beurteilung. Denn bei typisierender Betrachtung konnten die Teileigentümer nicht darauf vertrauen, dass die gesetzlichen Öffnungs­klauseln dauerhaft unverändert bleiben und die Mehrheitsmacht nicht erweitert wird. Vielmehr muss mit Änderungen gesetzlicher Rahmen­be­din­gungen grundsätzlich gerechnet werden.

Siehe auch die Paral­le­l­ent­scheidung: Das Gebot der "Maßstab­s­kon­ti­nuität" nach der Neufassung des Wohnungs­eigentumsrechts von 2020 muss nicht schon beim ersten Beschluss über die Kosten einer einzelnen Erhal­tungs­maßnahme berücksichtigt werden (Dachfenster-Fall)

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/pt)

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