24.11.2024
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Dokument-Nr. 21640

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Urteil25.09.2015BundesgerichtshofV ZR 244/14
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Pforzheim, Urteil23.12.2013, 12 C 82/13
  • Landgericht Karlsruhe, Urteil07.10.2014, 11 S 8/14
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Bundesgerichtshof Urteil25.09.2015

Aufnahme eines langfristigen, hohen Kredits durch Wohnungs­eigentümer­gemeinschaft kann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechenBesonderes Haftungsrisiko wegen möglicher Zahlungs­ausfälle von Wohnungs­ei­gen­tümern muss berücksichtigt werden

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass auch die Aufnahme eines langfristigen, hohen Kredits durch eine Wohnungs­eigentümer­gemeinschaft einer ordnungsmäßigen Verwaltung entsprechen kann. Ob dies der Fall ist, kann allerdings nicht generell, sondern nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der allseitigen Interessen bestimmt werden. I

Die Parteien des zugrunde liegenden Verfahrens sind Mitglieder einer aus 201 Einheiten bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigen­tü­mer­ver­sammlung vom 14. August 2013 beschlossen die Wohnungseigentümer die Durchführung einer Fassa­den­sa­nierung mit förderfähiger Wärmedämmung. Um die mit ca. 2.000.000 Euro veranschlagten Kosten zu finanzieren, beschlossen sie zudem die Aufnahme eines KfW-Förderkredits, dessen Zinssatz sich zum damaligen Zeitpunkt auf  % belief, in Höhe von ca. 1.320.000 Euro mit einer Laufzeit von 10 Jahren sowie die Finanzierung des restlichen Betrages von ca. 900.000 Euro durch Rückgriff auf die Instand­hal­tungs­rü­cklage.

Verfahrensgang

Das Amtsgericht Pforzheim hat die gegen den Beschluss über die Darle­hens­aufnahme gerichtete Anfech­tungsklage einer Wohnungs­ei­gen­tümerin abgewiesen. Das Landgericht Karlsruhe hat den Beschluss hingegen für ungültig erklärt. Die dagegen gerichtete Revision der Wohnungs­ei­gen­tümerin hatte keinen Erfolg.

BGH verneint im vorliegenden Fall Ordnungs­mä­ßigkeit des Beschlusses über Kreditaufnahme

Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass auch die Aufnahme eines langfristigen, hohen Kredits durch die Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann. Ob dies der Fall ist, kann allerdings nicht generell, sondern nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der allseitigen Interessen bestimmt werden. Im konkreten Fall hatte der Bundes­ge­richtshof die Ordnungs­mä­ßigkeit des Beschlusses über die Kreditaufnahme verneint.

Risiko des Ausfalls einzelner Wohnungs­ei­gentümer bei Darlehen nur begrenzt abschätzbar

Zur Begründung führte der Bundes­ge­richtshof dabei aus, dass das Wohnungs­ei­gen­tums­gesetz keine Anhaltspunkte enthält, dass den Wohnungs­ei­gen­tümern die Möglichkeit einer Kreditaufnahme durch die Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen zu Gebote stehen soll. Allerdings muss das besondere Haftungsrisiko berücksichtigt werden. Gibt es Zahlungs­ausfälle bei Wohnungs­ei­gen­tümern, müssen die daraus resultierenden Fehlbeträge durch entsprechend höhere Beiträge der übrigen Wohnungs­ei­gentümer oder durch eine Sonderumlage ausgeglichen werden. Eine solche Nachschuss­pflicht kann zwar auch entstehen, wenn ein Vorhaben durch eine Sonderumlage finanziert wird und sich diese bei einzelnen Wohnungs­ei­gen­tümern als uneinbringlich erweist. Da eine Sonderumlage von den aktuellen Wohnungs­ei­gen­tümern aufzubringen ist, wird aber meist hinreichend sicher bekannt sein, ob mit einem Zahlungsausfall zu rechnen ist; auch kann jedenfalls die Durchführung von Maßnahmen, die Aufschub dulden, davon abhängig gemacht werden, dass die beschlossene Sonderumlage von allen Wohnungs­ei­gen­tümern gezahlt wird. Bei einem Darlehen lässt sich das Risiko des Ausfalls einzelner Wohnungs­ei­gentümer dagegen nur sehr begrenzt abschätzen. Zuverlässige Prognosen über die Bonität der Wohnungs­ei­gentümer sind schon wegen der meist langen Laufzeit des Darlehens nicht möglich; darüber hinaus muss stets damit gerechnet werden, dass es zu Eigen­tü­mer­wechseln in dieser Zeit kommt, sich also die Zusammensetzung der Gemeinschaft verändert. Angesichts dieses Haftungsrisikos ist bei der Entscheidung über die Finanzierung einer Maßnahme durch ein hohes langfristiges Darlehen Zurückhaltung geboten. Ob sie ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, lässt sich nur nach sorgfältiger Abwägung aller relevanten Umstände des Einzelfalls und unter Berück­sich­tigung der allseitigen Interessen der betroffenen Wohnungs­ei­gentümer feststellen.

Belastungen durch Darle­hens­aufnahme sind Vor- und Nachteile der Finanzierung der Maßnahme mittels Sonderumlagen gegenüber zu stellen

Dabei sind insbesondere folgende Gesichtspunkte von Bedeutung: Es kommt wesentlich auf den Zweck des Darlehens an, wobei in erster Linie an Instandhaltungs- bzw. Moder­ni­sie­rungs­maß­nahmen zu denken ist; je dringlicher eine Maßnahme ist desto eher treten andere Nachteile einer Finanzierung durch Darlehen bei der Abwägung zurück. Von Bedeutung ist ferner die Möglichkeit, die notwendigen Mittel durch Rückgriff auf die Instand­hal­tungs­rü­cklage und Erhebung einer Sonderumlage aufzubringen. In diesem Zusammenhang sind den mit einer Darle­hens­aufnahme einhergehenden Belastungen und Risiken die Vor- und Nachteile einer Finanzierung der Maßnahme mittels Sonderumlage gegenüber zu stellen; eine Darle­hens­fi­nan­zierung wird insbesondere in Betracht kommen, wenn die Erhebung einer Sonderumlage die einzelnen Wohnungs­ei­gentümer finanziell stark belastete oder gar die Leistungs­fä­higkeit einkom­mens­schwä­cherer Wohnungs­ei­gentümer überforderte. Relevant sind zudem die Höhe des Darle­hens­be­trages im Verhältnis zu der Anzahl der Wohnungs­ei­gentümer, die Kredit­kon­di­tionen, die Laufzeit des Darlehens und die Rückzah­lungs­be­din­gungen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts muss eine mehrheitlich beschlossene Kreditaufnahme nicht zwingend eine Option für die Eigentümer enthalten, die Finanzierung selbst zu übernehmen und den auf sie entfallenden Kreditanteil als Sonderumlage zur Reduzierung des Darle­hens­be­trages einzuzahlen.

Nachschuss­pflicht der Wohnungs­ei­gentümer durch mögliche Zahlungs­un­fä­higkeit einzelner Eigentümer muss protokolliert werden

Auch die Beschluss­fassung über die Aufnahme eines Darlehens muss gewissen Anforderungen genügen. Der Beschluss muss Angaben über die zu finanzierende Maßnahme, die Höhe des Darlehens, dessen Laufzeit, die Höhe des Zinssatzes bzw. des nicht zu überschrei­tenden Zinssatzes enthalten und erkennen lassen, ob die Tilgungsraten so angelegt sind, dass der Kredit am Ende der Laufzeit getilgt ist. Ferner muss vor der Beschluss­fassung wegen des in die Zukunft verlagerten Risikos der Zahlungsunfähigkeit einzelner Wohnungs­ei­gentümer die im Innenverhältnis bestehende Nachschuss­pflicht der Wohnungs­ei­gentümer Gegenstand der Erörterung in der Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ver­sammlung gewesen sein. Dies ist in dem Protokoll der Eigen­tü­mer­ver­sammlung zu dokumentieren.

In diesem Punkt entspricht der angegriffene Beschluss nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Dem Protokoll der Eigen­tü­mer­ver­sammlung lässt sich nicht entnehmen, dass über das Risiko einer Nachschuss­pflicht unterrichtet worden ist.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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