18.10.2024
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Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.

Dokument-Nr. 13160

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Urteil09.03.2012BundesgerichtshofV ZR 115/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • JZ 2012, 686Zeitschrift: JuristenZeitung (JZ), Jahrgang: 2012, Seite: 686
  • MDR 2012, 570Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2012, Seite: 570
  • NJW 2012, 1725Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2012, Seite: 1725
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Bundesgerichtshof Urteil09.03.2012

Hotel-Hausverbot für Rechtsextremen grundsätzlich zulässig – Hausverbot für damaligen NPD-Chef Udo Voigt im konkreten Fall jedoch unzulässigBundes­ge­richtshof stärkt Hausrecht von Hotelbetreibern

Nicht nur Privatleute, sondern auch Unternehmen können ihr Hausrecht grundsätzlich frei ausüben. Darüber hinaus muss die Erteilung eines Hausverbots als Ausdruck der Privatautonomie in der Regel auch nicht gerechtfertigt werden. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der von dem Hausrecht Betroffene gegen den Hausrechts­inhaber aufgrund einer vertraglichen Abrede einen Erfül­lungs­an­spruch erworben hat, der den Aufenthalt in den Räumen einschließt. Dann bedarf das Hausverbot der Rechtfertigung durch sachliche Gründe. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

In dem zugrunde liegenden Fall buchte die Ehefrau des Klägers für die Zeit vom 6. bis zum 10. Dezember 2009 bei einem Touris­ti­k­un­ter­nehmen für beide Eheleute einen Aufenthalt in einem von der Beklagten betriebenen Wellnesshotel. Nachdem das Touris­ti­k­un­ter­nehmen die Buchung zunächst bestätigt hatte, teilte es am 19. November 2009 mit, dass ein Aufenthalt in dem Hotel der Beklagten nicht möglich sei. Auf Nachfrage bei der Beklagten erteilte diese dem Kläger mit Schreiben vom 23. November 2009 ein Hausverbot. Dieses begründete sie damit, dass die politische Überzeugung des Klägers – dieser war damals Bundes­vor­sit­zender der NPD – nicht mit dem Ziel des Hotels zu vereinbaren sei, jedem Gast nach Möglichkeit ein exzellentes Wohlfüh­ler­lebnis zu bieten. Der Kläger sieht sich dadurch diskriminiert. Mit dem beantragten Widerruf des Hausverbots möchte er die Beseitigung dieser Diskriminierung erreichen. Hierzu verweist er u.a. darauf, dass er sich bei seinen früheren Aufenthalten in dem Hotel nicht politisch geäußert habe. Da er dies auch bei künftigen und daher auch bei dem gebuchten Aufenthalt ebenso habe halten wollen, hätte das Hausverbot nicht ausgesprochen werden dürfen.

Klage in den Vorinstanzen erfolglos

Die Klage war in den Vorinstanzen erfolglos. Der Bundes­ge­richtshof hat der Klage insoweit stattgegeben, als die Erteilung des Hausverbots den Zeitraum des gebuchten Aufenthalts betraf. Im Übrigen hat er die Entscheidung der Vorinstanzen bestätigt.

Hausrechts­inhaber kann über Zutritt­ge­währung und -verweigerung frei entscheiden

Das Hausrecht beruht auf dem Grundeigentum oder -besitz und ist zugleich Ausdruck der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Privatautonomie. Folge dessen ist, dass der Hausrechts­inhaber, hier die Beklagte, in der Regel frei darüber entscheiden kann, wem er den Zutritt gestattet und wem er ihn verwehrt. Der Umstand, dass die Beklagte das Hausverbot auf die politische Überzeugung des Klägers gestützt hat, führt im konkreten Fall nicht zu einer für die Entscheidung wesentlichen Einschränkung.

Wirtschaft­liches Risiko für Geschäfts­konzept eines Wellnesshotels rechtfertigt Zutritts­ver­wei­gerung für einzelne Gäste

Aus den Vorschriften des Allgemeinen Gleich­be­hand­lungs­ge­setzes (AGG), die im Zivilrecht den Schutz vor Diskri­mi­nie­rungen regeln, ergeben sich unter diesem Gesichtspunkt keine Beschränkungen bei der Ausübung des Hausrechts. Der Gesetzgeber hat nämlich bewusst davon abgesehen, das Diskri­mi­nie­rungs­verbot auf Benach­tei­li­gungen wegen politischer Überzeugungen zu erstrecken. Auch auf Art. 3 Abs. 3 GG kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. Nach dieser Vorschrift darf zwar niemand wegen seiner politischen Anschauungen benachteiligt werden. Sie gilt aber im Verhältnis zwischen Privaten nicht unmittelbar. Im Rahmen der ihr zukommenden so genannten mittelbaren Drittwirkung hat eine Abwägung mit den ebenfalls grundgesetzlich geschützten Interessen der Beklagten stattzufinden, denen der Vorrang einzuräumen ist. Das Verbot, das Hotel der Beklagten nicht zu nutzen, betrifft den Kläger nur in seiner Freizeit­ge­staltung. Demgegenüber geht es für die Beklagte um das von ihr zu tragende wirtschaftliche Risiko für das Geschäfts­konzept eines Wellnesshotels. Das lässt es gerechtfertigt erscheinen, der Beklagten die Freiheit einzuräumen, solchen Gästen den Zutritt zu verweigern, von denen sie annimmt, der Aufenthalt könne mit Blick auf die von ihnen vertretene politische Auffassung diesem Konzept abträglich sein.

Kläger hat durch Buchungs­be­stä­tigung nach Regeln des Vertrages zugunsten Dritter Anspruch gegen Beklagte erworben

Anders beurteilt der Senat den Zeitraum vom 6. bis 10. Dezember 2009. Insoweit besteht die Besonderheit, dass nicht nur die Ehefrau des Klägers, sondern auch dieser selbst mit der Bestätigung der Buchung jedenfalls nach den Regeln des Vertrages zugunsten Dritter einen Anspruch gegen die Beklagte erworben hatte, ihm den gebuchten Aufenthalt in dem Hotel zu gestatten. Eine solche zivilrechtliche Bindung führt dazu, dass die Erteilung eines den Vertrag vereitelnden Hausverbots der Rechtfertigung durch besonders gewichtige Sachgründe bedarf. Durch die freiwillige – privatautonome – Gestaltung der eigenen Interessen verliert die Berufung der Beklagten auf die Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG), die unter­neh­me­rische Freiheit (Art. 12 GG) und die Ausübung der Eigentumsrechte (Art. 14 GG) nämlich deutlich an Gewicht.

Ausreichende Sachgründe für Erteilung des Hausverbots hier nicht anzunehmen

Auf der Grundlage des von dem Berufungs­gericht festgestellten Sachverhalts, an den das Revisi­ons­gericht nach § 559 ZPO gebunden ist, sind ausreichende Sachgründe für die Erteilung des Hausverbots nicht anzunehmen. Insbesondere hat das Berufungs­gericht keine Tatsachen festgestellt, aufgrund deren die Befürchtung bestanden hätte, dass der Kläger bei einem weiteren Aufenthalt in dem von der Beklagten betriebenen Hotel – anders als bei seinen vorherigen Besuchen – nunmehr durch Äußerung rechtsextremer Thesen Unruhe gestiftet hätte oder stiften würde.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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