Bundesgerichtshof Beschluss27.04.2023
BGH: Dingliches Vorkaufsrecht zugunsten eines Familienangehörigen hat Vorrang gegenüber Vorkaufsrecht des MietersWertung des § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB begründet Privilegierung der Familienangehörigen
Hat der Eigentümer einer Wohnung einem Familienangehörigen ein dingliches Vorkaufsrecht eingeräumt, so ist dieses gegenüber dem Vorkaufsrecht des Mieters vorrangig. Dies ergibt sich aus der Wertung des § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Eigentümer einer vermieteten Wohnung in Sachsen hatte im Jahr 2016 seiner inzwischen geschiedenen Ehefrau ein Vorkaufsrecht an der Wohnung eingeräumt. Im Jahr 2019 verkaufte der Wohnungseigentümer die Wohnung an Dritte. Da der in der Wohnung lebende Mieter sein Vorkaufsrecht ausübte, löschte das Grundbuchamt das dingliche Vorkaufsrecht der Ex-Frau. Dagegen ging diese gerichtlich vor. Sie hielt ihr Vorkaufsrecht für Vorrangig gegenüber dem Mietervorkaufsrecht
Amtsgericht und Oberlandesgericht bejahten Vorrang des Mietervorkaufsrechts
Sowohl das Amtsgericht Meißen als auch das Oberlandesgericht Dresden hielten das Vorkaufsrecht des Mieters für vorrangig gegenüber dem dinglichen Vorkaufsrecht der geschiedenen Ehefrau. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Rechtsbeschwerde der Ex-Frau des Wohnungseigentümers.
Bundesgerichtshof hält dingliches Vorkaufsrecht für vorrangig
Der Bundesgerichtshof entschied, dass das dingliche Vorkaufsrecht jedenfalls dann Vorrang vor dem Vorkaufsrecht des Mieters genieße, wenn es von dem Eigentümer zugunsten eines Familienangehörigen im Sinne von § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB bestellt wurde. Geschiedene Ehegatten seien als Familienangehörige anzusehen. Zwar finde die Vorschrift des § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB keine unmittelbare Anwendung. Aus der Regelung komme aber die gesetzgeberische Wertung hervor, dass dem von dem Vermieter zugunsten eines Familienangehörigen bestellte dingliche Vorkaufsrecht Vorrang gegenüber dem gesetzlichen Vorkaufsrecht des Mieter zukomme.
Ausnahme in Fällen von Rechtsmissbräuchen
Das Mietervorkaufsrecht könne aber Vorrang haben in Fällen von Rechtsmissbräuchen, so der Bundesgerichtshof. Dies sei etwa anzunehmen, wenn einem Familienangehörigen nur deshalb ein dingliches Vorkaufrecht eingeräumt wird, um das Vorkaufsrecht des Mieters auszuschalten.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 09.10.2023
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)