21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen vier farbige Figuren vor grünem Grund, welche von mehreren hellgrünen Figuren umringt werden.
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss18.05.2021

BGH bestätigt Unzulässigkeit der "engen Bestpreis­klauseln" von Booking.comBestpreis­klausel bewirkt spürbare Wett­bewerbs­beein­träch­tigung

Der Kartellsenat des Bundes­ge­richtshofs hat entschieden, dass die bis Februar 2016 von Booking.com verwendeten sog. "engen Bestpreis­klauseln" nicht mit dem Kartellrecht vereinbar sind.

Das Hotel­bu­chungs­portal "booking.com" ermöglicht Hotelkunden Direktbuchungen. Für die Vermitt­lungs­leistung erhalten die Betreiber des Portals von den Hotel­un­ter­nehmen eine erfolgs­ab­hängige Provision. Ab Juli 2015 sahen die allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen von "booking.com" eine "enge Bestpreis­klausel" vor. Danach durften die Hotels ihre Zimmer auf der eigenen Internetseite nicht zu niedrigeren Preisen oder besseren Konditionen anbieten als auf "booking.com". Jedoch konnten die Hotelzimmer auf anderen Online-Buchungs­portalen oder, unter der Voraussetzung, dass dafür online keine Werbung oder Veröf­fent­lichung erfolgt, auch "offline" günstiger angeboten werden. Das Bundes­kar­tellamt hat im Dezember 2015 festgestellt, dass eine solche Klausel kartell­rechts­widrig sei, und ihre weitere Verwendung ab 1. Februar 2016 untersagt. Seitdem wird sie von Booking.com nicht mehr angewandt.

OLG Düsseldorf hebt Verfügung des Bundes­kar­tellamts auf

Auf die Beschwerde von Booking.com hat das OLG Düsseldorf die Verfügung des Bundes­kar­tellamts aufgehoben. Es hat angenommen, die engen Bestpreis­klauseln beein­träch­tigten zwar den Wettbewerb, seien aber als notwendige Nebenabreden der Vermitt­lungs­verträge mit den Hotel­un­ter­nehmen vom Kartellverbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht erfasst. Mit der vom Senat zugelassenen Rechts­be­schwerde erstrebt das Bundes­kar­tellamt die Wieder­her­stellung seiner Verfügung.

Enge Bestpreis­klausel beschränkt den Wettbewerb

Der Kartellsenat hat die Entscheidung des OLG Düsseldorf aufgehoben und die Beschwerde von Booking.com zurückgewiesen. Die enge Bestpreisklausel beschränkt den Wettbewerb beim Anbieten von Hotelzimmern. Die gebundenen Hotels dürfen im eigenen Onlinevertrieb keine günstigeren Zimmerpreise und Vertrags­be­din­gungen anbieten als auf booking.com. Ihnen wird dadurch insbesondere die naheliegende Möglichkeit genommen, die eingesparte Vermitt­lungs­pro­vision vollständig oder teilweise in Form von Preissenkungen weiterzugeben und dadurch Kunden zu werben.

Nebenabrede nicht notwendig

Die Anwendung des Art. 101 Abs. 1 AEUV ist entgegen der Ansicht des Beschwer­de­ge­richts nicht deshalb ausgeschlossen, weil die enge Bestpreis­klausel als Nebenabrede zu einem kartell­rechts­neu­tralen Austausch­vertrag notwendig ist, um einen fairen und ausgewogenen Leistungs­aus­tausch zwischen Booking.com als Portalbetreiber und den Hotels als Abnehmer der Vermitt­lungs­dienst­leistung zu gewährleisten. Ein solches Verständnis ist unvereinbar mit der Systematik des Art. 101 AEUV. Die für die engen Bestpreis­klauseln geltend gemachten wettbe­wer­bs­för­dernden Aspekte, wie die Sicherung einer angemessenen Vergütung für die Platt­form­leistung durch Lösung des "Tritt­brett­fah­rer­problems" (Gäste buchen direkt beim Hotel, nachdem sie sich auf Booking.com informiert haben) oder eine erhöhte Markt­trans­parenz für die Verbraucher, müssen vielmehr sorgfältig gegen ihre wettbe­wer­bs­be­schrän­kenden Aspekte abgewogen werden. Diese Abwägung kann nach der Systematik des Art. 101 AEUV allein bei der Prüfung der Voraussetzungen für eine Freistellung vom Kartellverbot nach Absatz 3 dieser Vorschrift stattfinden. Die enge Bestpreis­klausel könnte damit als Nebenabrede zum Platt­form­vertrag nur dann vom Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgenommen sein, wenn sie für dessen Durchführung objektiv notwendig wäre. Das ist nicht der Fall. Zweck des Vertrags zwischen Booking.com und den Hotel­un­ter­nehmen ist die Online-Vermittlung von Hotelzimmern. Für diesen Vertragszweck ist die enge Bestpreis­klausel keine unerlässliche Nebenabrede. Ermittlungen des Bundes­kar­tellamts, die auf Veranlassung des Beschwer­de­ge­richts nach Aufgabe der Verwendung der engen Bestpreis­klausel durchgeführt wurden, haben ergeben, dass Booking.com nach allen maßgeblichen Parametern wie Umsatz, Marktanteil, Buchungsmengen, Zahl der Hotelpartner und Anzahl der Hotelstandorte seine Marktstellung in Deutschland weiter stärken konnte.

Enge Bestpreis­klausel weder Gruppen noch Einzel freigestellt

Die enge Bestpreis­klausel von Booking.com ist nicht nach Art. 2 Abs. 1 Vertikal-GVO vom Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV gruppen­frei­ge­stellt, weil der Marktanteil von Booking auf dem relevanten Markt der Hotel­bu­chungs­platt­formen in Deutschland mehr als 30 % beträgt (Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO). Die Anwendbarkeit des Art. 101 Absatz 1 AEUV auf die enge Bestpreis­klausel ist auch nicht aufgrund einer Einzel­frei­stellung gemäß Abs. 3 dieser Vorschrift ausgeschlossen. Es fehlt bereits an der ersten Freistel­lungs­vor­aus­setzung, einer Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder der Förderung des technischen oder wirtschaft­lichen Fortschritts. Darunter sind durch die wettbe­wer­bs­be­schränkende Vereinbarung bewirkte Effizi­enz­vorteile zu verstehen. Zwar führt der Betrieb einer Hotel­bu­chungs­plattform zu erheblichen Effizi­enz­vor­teilen sowohl für die Verbraucher als auch für die ihr angeschlossenen Hotels. Mit den Funktionen Suchen, Vergleichen und Buchen bietet das Hotel­bu­chungs­portal dem Verbraucher ein komfortables, in dieser Form sonst nicht verfügbares, attraktives Dienst­leis­tungspaket. Die Hotels erhalten durch die Hotel­bu­chungs­platt­formen den Vorteil einer deutlich erweiterten Kunden­reichweite. Diese Effizi­enz­vorteile setzen jedoch die enge Bestpreis­klausel nicht voraus. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Tritt­brett­fah­rer­problem besteht. Es bestehen aber - nach den Nacher­mitt­lungen des Bundes­kar­tellamts und dem Vorbringen von Booking.com - keine Anhaltspunkte dafür, dass dieses Problem die Effizienz des Platt­for­m­an­gebots gravierend gefährdet. Andererseits behindert die enge Bestpreis­klausel aber erheblich den platt­for­m­u­n­ab­hängigen Onlinevertrieb der Hotels.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss30290

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI