21.11.2024
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Dokument-Nr. 4407

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Beschluss19.06.2007BundesgerichtshofKVR 16/06, KVR 17/06, KVR 18/06
Vorinstanzen:
  • Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss28.06.2006, VI-3 Kart 157/06 (V)
  • Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss28.06.2007, VI-3 Kart 152/06 (V)
  • Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss28.06.2007, VI-3 Kart 151/06 (V)
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss19.06.2007

Gasversorger müssen Bundes­netz­agentur Daten über Preisgestaltung offen legenBundes­ge­richtshof bestätigt erstin­sta­nz­liches Urteil

Der Bundes­ge­richtshof hat erstmals über die Rechtsmäßigkeit einer Entscheidung der Bundes­netz­agentur für Elektrizität, Gas, Telekom­mu­ni­kation, Post und Eisenbahnen entschieden. Das Energie­wirt­schafts­gesetz 2005 sieht in Parallele zum Kartellrecht für die Anfechtung von Entscheidungen, die die Bundes­netz­agentur nach diesem Gesetz erlässt, den Rechtszug zum Oberlan­des­gericht (Beschwerde) und Bundes­ge­richtshof (Rechts­be­schwerde) vor.

Die Bundes­netz­agentur war gemäß § 112 a Abs. 1 Satz 1 EnWG verpflichtet, der Bundesregierung bis zum 1. Juli 2006 einen Bericht zur Einführung der Anrei­z­re­gu­lierung nach § 21 a EnWG vorzulegen. Das Energie­wirt­schafts­gesetz räumt der Bundes­netz­agentur zur Vorbereitung und Erstellung des Berichts die "Ermitt­lungs­be­fugnisse nach diesem Gesetz" ein. Die Bundes­netz­agentur veröffentlichte am 21. Dezember 2005 in ihrem Amtsblatt ein Auskunfts­ver­langen, mit dem allen Betreibern von Gasver­sor­gungs­netzen aufgegeben wurde, ins Einzelne gehende Angaben über Netzstrukturen und Kosten zu machen.

Gegen dieses Verlangen haben mehrere Betreiber von Gasver­sor­gungs­netzen Beschwerde beim Oberlan­des­gericht Düsseldorf eingelegt. Nachdem ihre Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde zurückgewiesen worden waren, haben sie noch während der Beschwer­de­ver­fahren die verlangten Daten übermittelt. Das Oberlan­des­gericht Düsseldorf hat am 28. Juni 2006 die Beschwerden zurückgewiesen. Wenige Tage später veröffentlichte die Bundes­netz­agentur ihren (End)Bericht nach § 112 a EnWG (s. http://www.bundes­netz­agentur.de).

In drei Fällen haben die Betreiber von Gasfern­lei­tungs­netzen Rechts­be­schwerde gegen die Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts eingelegt. Der Kartellsenat des Bundes­ge­richtshofs hat diese Rechts­be­schwerden heute zurückgewiesen.

Allerdings hat es der Bundes­ge­richtshof als formell rechtswidrig beanstandet, dass die Bundes­netz­agentur die angefochtene Auskunfts­ver­fügung nicht nach den Vorschriften des Verwal­tungs­zu­stel­lungs­ge­setzes (VwZG) zugestellt hat. Der Bundes­ge­richtshof ist der Auffassung des Oberlan­des­ge­richts nicht gefolgt, wonach § 73 Abs. 1 Satz 1 EnWG, der die Zustellung der von der Bundes­netz­agentur erlassenen Entscheidungen vorschreibt, nach seiner systematischen Stellung nur auf einzel­fa­ll­be­zogene Regulie­rungs­ver­fahren Anwendung finde. Die Bestimmung gilt – so der Bundes­ge­richtshof – auch in Nebenverfahren, also insbesondere auch für das Auskunfts­ver­langen nach § 69 EnWG, und zwar unabhängig davon, ob ein Verfahren gegen ein bestimmtes Unternehmen eingeleitet sei oder nicht.

Danach gilt das Erfordernis einer förmlichen Zustellung nach §§ 1 ff. des Verwal­tungs­zu­stel­lungs­ge­setzes (VwZG) auch in dem in § 41 Abs. 3 Satz 2 VwVfG genannten Fall, in dem die Bekanntgabe einer Allge­mein­ver­fügung an die Beteiligten untunlich ist. Bei Zustel­lungs­schwie­rig­keiten stelle § 15 VwZG a.F. (nunmehr § 10 VwZG), der die öffentliche Zustellung erlaubt, eine abschließende Regelung dar. Da die Bundes­netz­agentur nicht geltend gemacht habe, dass sie nicht imstande gewesen sei, die Adresse der Betroffenen zu ermitteln, lägen die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung nicht vor.

Der Kartellsenat hat den Zustel­lungs­mangel jedoch als gemäß § 9 VwZG a.F. (vgl. heute § 8 VwZG) geheilt angesehen, weil die betroffenen Betreiber der Gasver­sor­gungsnetze das Amtsblatt der Bundes­netz­agentur, in dem die Auskunfts­ver­fügung veröffentlicht war, erhalten und die Auskunfts­ver­fügung zur Kenntnis genommen haben und dabei keinen Zweifel daran hatten, dass die Bundes­netz­agentur durch die Veröf­fent­lichung der Verfügung die mit der förmlichen Zustellung der Verfügung verbundenen Rechtsfolgen auslösen wollte. Zwar komme die Heilung eines Zustel­lungs­mangels grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Behörde mit Zustel­lungs­willen gehandelt habe. Dafür genüge aber, dass die Behörde mit der Bekanntgabe der Entscheidung für die Betroffenen erkennbar die mit der Zustellung verbundenen Rechtsfolgen habe auslösen wollen.

In Übereinstimmung mit dem Oberlan­des­gericht hat der Bundes­ge­richtshof angenommen, dass die Bundes­netz­agentur befugt war, von den Betroffenen die geforderten Auskünfte zu verlangen. Es sei grundsätzlich Sache der Bundes­netz­agentur zu beurteilen, ob eine Auskunft erforderlich sei, um den Bericht nach § 112 a EnWG zu erstellen. Allerdings unterliege diese Beurteilung im Hinblick auf die Bestimmung des § 83 Abs. 5 EnWG auch hinsichtlich der Zweckmäßigkeit der unein­ge­schränkten richterlichen Kontrolle. Die verlangten Auskünfte gingen aber nicht über das hinaus, was angesichts des Zwecks der Untersuchung als erforderlich angesehen werden durfte.

Der Bundes­ge­richtshof hat es insbesondere nicht beanstandet, dass die Bundes­netz­agentur die Auskünfte auch von überregionalen Gasfern­lei­tungs­netz­be­treibern verlangt hat, die für sich in Anspruch nehmen, selbst wirksamem Wettbewerb ausgesetzt zu sein und daher nicht Adressaten der Regulierung zu sein. Auch unter Berück­sich­tigung des Verhält­nis­mä­ßig­keits­grund­satzes bestehe keine Verpflichtung der Bundes­netz­agentur, von Dritten, also von Unternehmen, die derzeit nicht der Anrei­z­re­gu­lierung unterliegen, nur solche Auskünfte zu verlangen, die bei den der Anrei­z­re­gu­lierung unterliegenden Unternehmen nicht oder nicht ohne weiteres zu bekommen seien. Es sei vielmehr in das pflichtgemäße Ermessen der Behörde gestellt, ob sie sich im Interesse einer validen Datenbasis an alle Unternehmen wende, die ihr die erforderlichen Auskünfte geben könnten. Im Übrigen sei zum Zeitpunkt der Auskunfts­a­n­ordnung noch nicht geklärt gewesen, welche der Fernlei­tungs­netz­be­treiber zu einem überwiegenden Teil wirksamen Wettbewerb ausgesetzt gewesen seien.

Schließlich sei die Auskunfts­a­n­ordnung auch insoweit nicht zu beanstanden, als die geforderten Informationen Geschäfts­ge­heimnisse umfassten. Der Schutzbereich der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG sei erst berührt, wenn ein Betriebs- oder Geschäfts­ge­heimnis durch die Behörde offengelegt werde. Der Geheim­hal­tungs­be­dürf­tigkeit der Angaben gegenüber Konkurrenten habe der Gesetzgeber durch eine Reihe gesetzlicher Bestimmungen hinreichend Rechnung getragen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 76/07 des BGH vom 19.06.2007

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