14.11.2024
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Dokument-Nr. 3662

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Beschluss16.01.2007BundesgerichtshofKVR 12/06
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Bundesgerichtshof Beschluss16.01.2007

BGH bestätigt Verbot des Erwerbs des vollständigen Anteils an National Geographic durch Gruner+Jahr

Der Kartellsenat des Bundes­ge­richtshofs hat die Pläne von Gruner+Jahr zunichte gemacht, die deutsch­sprachige Ausgabe von "National Geographic" vollständig zu erwerben, die bislang von einem von Gruner+Jahr und einem spanischen Medien­un­ter­nehmen paritätisch gehaltenen Tochter­un­ter­nehmen herausgegeben wird.

Die deutsch­sprachige Ausgabe von "National Geographic" wird seit 1999 von einem Gemein­schafts­un­ter­nehmen herausgegeben, an dem Gruner+Jahr und ein spanisches Medien­un­ter­nehmen zu gleichen Teilen beteiligt sind. Gruner+Jahr beabsichtigt, die von dem spanischen Medien­un­ter­nehmen gehaltenen Anteile zu erwerben. Das Bundes­kar­tellamt hat das von Gruner+Jahr angemeldete Zusam­men­schluss­vorhaben untersagt. Das Oberlan­des­gericht Düsseldorf hat die hiergegen von den Zusam­men­schluss­be­tei­ligten eingelegte Beschwerde zurückgewiesen.

Der Kartellsenat des Bundes­ge­richtshofs hat die gegen diese Entscheidung eingelegte Rechts­be­schwerde von Gruner+Jahr zurückgewiesen. Für die Entscheidung spielte die Frage eine zentrale Rolle, wie der sachliche Markt, auf dem Gruner+Jahr mit den Zeitschriften "GEO" und "National Geographic" tätig ist, abzugrenzen ist. Der Bundes­ge­richtshof ist dabei in Übereinstimmung mit dem Bundes­kar­tellamt und dem OLG Düsseldorf von dem Lesermarkt für populäre Wissensmagazine ausgegangen, zu dem die von Gruner+Jahr herausgegebenen Zeitschriften "GEO", "P.M" und "National Geographic" sowie die Zeitschriften "Spektrum der Wissenschaft", "Bild der Wissenschaft" und "Natur und Kosmos" zu rechnen sind.

Bei "National Geographic" handele es sich um eine so genannte "Special-Interest"-Zeitschrift, die sich durch ihre auf das Leserinteresse an (fremden) Landschaften und Kulturen gerichtete Reise- und Exkur­si­ons­be­richte und durch besonders aufwendige Fotostrecken auszeichne. Wesentlich für den Kauf einer solchen Zeitschrift sei in der Regel der jeweilige thematische Bild- und Textschwerpunkt; es sei deshalb anerkannt, dass innerhalb des Marktes der Publi­kums­zeit­schriften solche Titel eigene Teilmärkte bildeten.

Für die Abgrenzung des sachlichen Marktes seien die Grundsätze des Bedarfs­ma­rkt­kon­zeptes maßgeblich. Danach komme es darauf an, welche Produkte bei der Kaufent­scheidung als zur Befriedigung gleichartiger Bedürfnisse geeignet in Betracht gezogen würden. Dieses Konzept bedürfe aber eines Korrektivs. Es müsse berücksichtigt werden, dass Unternehmen, die bislang kein austauschbares Produkt anböten, in der Lage seien, ihr Angebot bei Vorliegen günstiger Markt­be­din­gungen kurzfristig zu ergänzen. Eine solche Angebo­t­s­um­stel­lungs­fle­xi­bilität setze allerdings voraus, dass die Umstellung kurzfristig und mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand möglich sei. Die großen Tages- und Wochenzeitungen, von denen immer wieder Pilotprojekte für neue Wissensmagazine gestartet würden, müssten insofern außer Betracht bleiben, weil die Umstellung der Zeitungsverlage auf neue Wissensmagazine einen erheblichen Inves­ti­ti­o­ns­aufwand erfordere. Die wettbe­werb­lichen Impulse, die von solchen Projekten ausgingen, seien deshalb nicht bei der Marktabgrenzung heranzuziehen, sondern erst bei Beantwortung der Frage, ob Gruner+Jahr eine überragende Marktstellung innehabe.

Auf dem danach allein relevanten Lesermarkt für populäre Wissensmagazine habe Gruner+Jahr eine markt­be­herr­schende Stellung. Nach den Feststellungen des Beschwer­de­ge­richts habe der Marktanteil der von ihr (mit-)herausgegebenen Titel im Jahre 2003 bei etwa 75 % gelegen. Diesem hohen Marktanteil sei nicht nur wegen seiner absoluten Größe, sondern auch deswegen besondere Bedeutung beizumessen, weil der Abstand zu den Wettbewerbern beträchtlich sei. Diese Marktstellung von Gruner+Jahr werde durch die latente Neigung großer Zeitungsverlage, ihre Ressourcen im Bereich des Wissen­schafts­jour­na­lismus zu nutzen, um neue Wissensmagazine auf den Markt zu bringen, nicht in entscheidender Weise relativiert. Diese Vorstöße beträfen vor allem die Wissensmagazine, die sich durch ein breites Spek-trum populär­wis­sen­schaft­licher Beiträge aus den Bereichen Natur­wis­sen­schaft und Technik auszeichneten. Die beiden Titel "GEO" und "National Geographic", mit denen Gruner+Jahr bereits einen Marktanteil von nahezu 50 % erreiche, nähmen demgegenüber mit ihren aufwendig bebilderten Reise- und Exkur­si­ons­be­richten eine Sonderstellung unter den Wissens­ma­gazinen ein, die durch den potentiellen Wettbewerb, der von weiteren Wissens­ma­gazinen ausgehen könnte, nicht gefährdet werde.

Der beabsichtigte Vollerwerb des Gemein­schafts­un­ter­nehmens führt nach Auffassung des Bundes­ge­richtshofs zu einer Verstärkung der Stellung von Gruner+Jahr in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht. Gruner+Jahr würden hierdurch Verhal­tens­spielräume eröffnet, die sie aufgrund der teilweise gegenläufigen Interessenlage bislang nicht habe nutzen können.

Vorinstanzen

Bundes­kar­tellamt, Beschluss vom 3. August 2004 – B 6 – 045/04, WuW/E DE-V 955

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juni 2005 – VI Kart 25/04 (V), WuW/E DE-R 1501

Bereits am 10. Oktober 2006 hatte der Kartellsenat entschieden, dass der Vertrag, mit dem das deutsch-spanische Gemein­schafts­un­ter­nehmen Ende der neunziger Jahre die Lizenz für eine deutsch­sprachige Ausgabe von "National Geographic" erworben hatte, nicht unter die Zusam­men­schluss­kon­trolle fiel (BGH, Beschl. v. 10.10.2006 – KVR 32/05)

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 07/07 des BGH vom 16.01.2007

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