Bundesgerichtshof Urteil17.05.2018
BGH: Rechtsanwalt kann bei Geheimhaltungsinteressen sonstiger Mandanten Herausgabe der Handakte verweigernAnwalt muss dies durch Angabe näherer Tatsachen nachvollziehbar darlegen
Ein Rechtsanwalt kann die Herausgabe der Handakte verweigern, wenn dem Geheimhaltungsinteressen sonstiger Mandanten entgegensteht. Dieses Interesse muss der Anwalt aber durch Angabe näherer Tatsachen nachvollziehbar darlegen. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall hatte eine Rechtsanwaltsgesellschaft eine GmbH in einem Rechtsstreit vertreten. Nachdem über die GmbH im Jahr 2015 ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, verlangte der Insolvenzverwalter die Herausgabe der Handakte zu dem Rechtsstreit. Die Rechtsanwaltsgesellschaft verweigerte dies mit dem Hinweis auf schutzwürdige Interessen anderer Mandanten. Die Handakte sollte Unterlagen enthalten, die das Mandatsverhältnis zu Dritten betraf. Der Insolvenzverwalter ließ dies nicht gelten und erhob Klage auf Herausgabe der Handakte.
Amtsgericht und Landgericht gaben Klage teilweise statt
Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Heidelberg entschieden, dass die Rechtsanwaltsgesellschaft die Handakte herausgeben müsse. Jedoch seien die Unterlagen zu entfernen, die von Dritten, zu denen ein gesondertes Mandatsverhältnis bestand oder besteht, im Rahmen dieses Mandatsverhältnisses verfasst oder übergeben wurden. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Revision des Insolvenzverwalters.
Bundesgerichtshof verlangt Angabe nähere Tatsachen zum Geheimhaltungsinteresse Dritter
Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten des Insolvenzverwalters und hob daher die Entscheidung der Vorinstanz auf. Zwar könne ein Rechtsanwalt die Herausgabe der Handakte wegen eines Geheimhaltungsinteresses eines Dritten verweigern. Der Anwalt müsse dieses Interesse aber durch Angabe näherer Tatsachen nachvollziehbar darlegen. Das Gericht müsse sich auf Grundlage der Sachverhaltsangaben, ohne dass das Geheimnis aufzudecken ist, ein Bild davon machen können, um was es geht. Deshalb müssen die Angaben soweit ins Einzelne gehen, dass dem Richter ein Urteil über den Weigerungsgrund möglich ist. Diesen Anforderungen an die Spezifizierung habe die Rechtsanwaltsgesellschaft nicht genügt. Es habe an geglichen Angaben gefehlt, inwiefern das Mandatsverhältnis zur insolventen GmbH Berührungspunkte zu sonstigen Mandaten der Rechtsanwaltsgesellschaft haben könne.
Erhöhte Darlegungspflicht aufgrund möglicher Verletzung der Berufspflicht
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs treffe der Rechtsanwaltsgesellschaft zudem eine erhöhte Darlegungspflicht, weil es die anwaltlichen Berufspflichten verletzen könne, unterschiedliche Mandate betreffende Unterlagen in einer Handakte zu vereinigen. Der Anwalt müsse grundsätzlich zu jedem Mandat eine eigenständige Akte anlegen. Vor diesem Hintergrund bedürfe es einer eingehenden Darlegung, warum die Rechtsanwaltsgesellschaft für die unterschiedlichen Mandate nicht gesonderte Handakten geführt hat.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 07.06.2019
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)