23.11.2024
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Sie sehen eine rote Rose, welche in einer Pfütze liegt.

Dokument-Nr. 9573

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Urteil28.04.2010BundesgerichtshofIV ZR 73/08 und IV ZR 230/08
Vorinstanzen:
  • Landgericht Mönchengladbach, Urteil29.06.2007, 11 O 433/06
  • Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil22.02.2008, I-7 U 140707
  • Landgericht Berlin, Urteil27.07.2007, 8 O 90/07
  • Kammergericht Berlin, Urteil13.03.2008, 16 U 35/07
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil28.04.2010

Erben profitieren mehr von Lebens­ver­si­cherung: BGH ändert Rechtsprechung zur Berech­nungs­grundlage bei widerruflicher Bezugs­recht­sein­räumung im Rahmen von Lebens­ver­si­che­rungs­ver­trägenEntscheidend ist Wert der Lebens­ver­si­cherung zum Zeitpunkt kurz vor dem Tod des Erblassers

Grundlage für die Berechnung eines Ergän­zungs­an­spruchs, den ein Pflicht­teils­be­rech­tigter nach § 2325 Abs. 1 BGB* verlangen kann, wenn der Erblasser die Todes­fa­ll­leistung einer von ihm auf sein eigenes Leben abgeschlossenen Lebens­ver­si­cherung mittels einer widerruflichen Bezugs­rechts­be­stimmung einem Dritten schenkweise zugewendet hat, ist der Wert aus den Rechten der Lebens­ver­si­cherung des Erblassers zum Zeitpunkt kurz vor seinem Tod. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

Der Bundes­ge­richtshof hat die bisherige, auf ein Urteil des Reichsgerichts aus den 1930er Jahren (RGZ 128,187) zurückgehende und an der Summe der vom Erblasser gezahlten Prämien anknüpfende Rechtsprechung aufgegeben, und entschieden, dass es allein auf den Wert ankommt, den der Erblasser aus den Rechten seiner Lebensversicherung in der letzten - juristischen - Sekunde seines Lebens nach objektiven Kriterien für sein Vermögen hätte umsetzen können. In aller Regel ist dabei auf den Rückkaufswert abzustellen. Je nach Lage des Einzelfalls kann gegebenenfalls auch ein - objektiv belegter - höherer Veräu­ße­rungswert heranzuziehen sein, insbesondere wenn der Erblasser die Ansprüche aus der Lebens­ver­si­cherung zu einem höheren Preis an einen gewerblichen Ankäufer hätte verkaufen können. Dabei ist der objektive Marktwert aufgrund abstrakter und genereller Maßstäbe unter Zugrundelegung der konkreten Vertragsdaten des betreffenden Versi­che­rungs­vertrags festzustellen. Die schwindende persönliche Lebenserwartung des Erblasseres aufgrund subjektiver, individueller Faktoren - wie insbesondere ein forts­chrei­tender Kräfteverfall oder Krank­heits­verlauf - darf bei der Wertermittlung allerdings ebenso wenig in die Bewertung einfließen, wie das erst nachträglich erworbene Wissen, dass der Erblasser zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich verstorben ist.

Berech­nungs­grundlage für Pflicht­teil­s­er­gän­zungs­an­spruch ist nicht gesamte Versi­che­rungssumme

Damit ist der Bundes­ge­richtshof einer Tendenz in Literatur und Rechtsprechung heute entge­gen­ge­treten, die - unter Berufung auf ein Urteil des IX. Zivilsenats des Bundes­ge­richtshofs zu einer ähnliche Fragestellung im Insolvenzrecht (BGHZ 156, 350) - bei der Berechnung des Pflicht­teil­s­er­gän­zungs­an­spruchs auf die gesamte Versi­che­rungssumme abstellen wollte.

Gerichte in Nordrhein-Westfalen und Berlin haben unter­schiedliche Auffassungen

In den entschiedenen Fällen haben die Kläger jeweils als enterbte Söhne des Erblassers gegen die Erben Pflicht­teils­teil­s­er­gän­zungs­ansprüche geltend gemacht, die sie auf Grundlage der ausbezahlten Versi­che­rungs­leis­tungen berechnen wollten. Die jeweiligen Berufungs­ge­richte haben die entscheidende Rechtsfrage unterschiedlich beantwortet. Während das Oberlan­des­gericht Düsseldorf den Pflicht­teil­s­er­gän­zungs­an­spruch auf Grundlage der vollen Versi­che­rungssumme berechnet hat, ist das Kammergericht von der - geringeren - Summe der vom Erblasser gezahlten Prämien als Berech­nungs­grundlage ausgegangen.

BGH weist Verfahren zurück an Berufungs­ge­richte

Der Bundes­ge­richtshof hat beide Berufungs­urteile aufgehoben und die Verfahren an die Berufungs­ge­richte zurückverwiesen, um den Parteien weiteren Vortrag unter Berück­sich­tigung der geänderten Rechtsprechung zu ermöglichen.

BGH-Urteil wird erhebliche wirtschaftliche und praktische Bedeutung zukommen

Da die in der Bundesrepublik Deutschland in Lebens­ver­si­che­rungs­verträge investierten Beträge im Milli­a­r­den­bereich liegen und die widerrufliche Einräumung von Bezugsrechten ein weit verbreitetes Mittel bei der Nachlass­ge­staltung darstellt, wird der Entscheidung - neben der rechtlichen Bedeutung - auch erhebliche wirtschaftliche und praktische Wirkung zukommen.

*§ 2325 I BGB lautet:

Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, so kann der Pflicht­teils­be­rech­tigten als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem nachlass hinzugerechnet wird.

Quelle: ra-online, BGH

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