Dokument-Nr. 9573
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- Landgericht Mönchengladbach, Urteil29.06.2007, 11 O 433/06
- Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil22.02.2008, I-7 U 140707
- Landgericht Berlin, Urteil27.07.2007, 8 O 90/07
- Kammergericht Berlin, Urteil13.03.2008, 16 U 35/07
Bundesgerichtshof Urteil28.04.2010
Erben profitieren mehr von Lebensversicherung: BGH ändert Rechtsprechung zur Berechnungsgrundlage bei widerruflicher Bezugsrechtseinräumung im Rahmen von LebensversicherungsverträgenEntscheidend ist Wert der Lebensversicherung zum Zeitpunkt kurz vor dem Tod des Erblassers
Grundlage für die Berechnung eines Ergänzungsanspruchs, den ein Pflichtteilsberechtigter nach § 2325 Abs. 1 BGB* verlangen kann, wenn der Erblasser die Todesfallleistung einer von ihm auf sein eigenes Leben abgeschlossenen Lebensversicherung mittels einer widerruflichen Bezugsrechtsbestimmung einem Dritten schenkweise zugewendet hat, ist der Wert aus den Rechten der Lebensversicherung des Erblassers zum Zeitpunkt kurz vor seinem Tod. Dies entschied der Bundesgerichtshof.
Der Bundesgerichtshof hat die bisherige, auf ein Urteil des Reichsgerichts aus den 1930er Jahren (RGZ 128,187) zurückgehende und an der Summe der vom Erblasser gezahlten Prämien anknüpfende Rechtsprechung aufgegeben, und entschieden, dass es allein auf den Wert ankommt, den der Erblasser aus den Rechten seiner Lebensversicherung in der letzten - juristischen - Sekunde seines Lebens nach objektiven Kriterien für sein Vermögen hätte umsetzen können. In aller Regel ist dabei auf den Rückkaufswert abzustellen. Je nach Lage des Einzelfalls kann gegebenenfalls auch ein - objektiv belegter - höherer Veräußerungswert heranzuziehen sein, insbesondere wenn der Erblasser die Ansprüche aus der Lebensversicherung zu einem höheren Preis an einen gewerblichen Ankäufer hätte verkaufen können. Dabei ist der objektive Marktwert aufgrund abstrakter und genereller Maßstäbe unter Zugrundelegung der konkreten Vertragsdaten des betreffenden Versicherungsvertrags festzustellen. Die schwindende persönliche Lebenserwartung des Erblasseres aufgrund subjektiver, individueller Faktoren - wie insbesondere ein fortschreitender Kräfteverfall oder Krankheitsverlauf - darf bei der Wertermittlung allerdings ebenso wenig in die Bewertung einfließen, wie das erst nachträglich erworbene Wissen, dass der Erblasser zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich verstorben ist.
Berechnungsgrundlage für Pflichtteilsergänzungsanspruch ist nicht gesamte Versicherungssumme
Damit ist der Bundesgerichtshof einer Tendenz in Literatur und Rechtsprechung heute entgegengetreten, die - unter Berufung auf ein Urteil des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zu einer ähnliche Fragestellung im Insolvenzrecht (BGHZ 156, 350) - bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs auf die gesamte Versicherungssumme abstellen wollte.
Gerichte in Nordrhein-Westfalen und Berlin haben unterschiedliche Auffassungen
In den entschiedenen Fällen haben die Kläger jeweils als enterbte Söhne des Erblassers gegen die Erben Pflichtteilsteilsergänzungsansprüche geltend gemacht, die sie auf Grundlage der ausbezahlten Versicherungsleistungen berechnen wollten. Die jeweiligen Berufungsgerichte haben die entscheidende Rechtsfrage unterschiedlich beantwortet. Während das Oberlandesgericht Düsseldorf den Pflichtteilsergänzungsanspruch auf Grundlage der vollen Versicherungssumme berechnet hat, ist das Kammergericht von der - geringeren - Summe der vom Erblasser gezahlten Prämien als Berechnungsgrundlage ausgegangen.
BGH weist Verfahren zurück an Berufungsgerichte
Der Bundesgerichtshof hat beide Berufungsurteile aufgehoben und die Verfahren an die Berufungsgerichte zurückverwiesen, um den Parteien weiteren Vortrag unter Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung zu ermöglichen.
BGH-Urteil wird erhebliche wirtschaftliche und praktische Bedeutung zukommen
Da die in der Bundesrepublik Deutschland in Lebensversicherungsverträge investierten Beträge im Milliardenbereich liegen und die widerrufliche Einräumung von Bezugsrechten ein weit verbreitetes Mittel bei der Nachlassgestaltung darstellt, wird der Entscheidung - neben der rechtlichen Bedeutung - auch erhebliche wirtschaftliche und praktische Wirkung zukommen.
*§ 2325 I BGB lautet:
Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, so kann der Pflichtteilsberechtigten als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem nachlass hinzugerechnet wird.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 28.04.2010
Quelle: ra-online, BGH
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