02.12.2024
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Dokument-Nr. 34389

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Urteil18.09.2024BundesgerichtshofIV ZR 436/22
Vorinstanzen:
  • Landgericht Stuttgart, Urteil26.03.2020, 11 O 214/18
  • Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil03.02.2022, 2 U 117/20
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Bundesgerichtshof Urteil18.09.2024

Über­schuss­beteiligung: Klage von Verbrau­cher­zentrale gegen Allianz scheitert vor BGHVersi­che­rungsrecht steht vergünstigten Über­schuss­beteiligungen nicht entgegen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die von einem Versicherer in dem von ihm angebotenen Tarif einer Renten­ver­si­cherung praktizierte Beteiligung der Versi­che­rungs­nehmer an den Überschüssen zulässig ist und vom Versicherer in seinen Versicherungs­bedingungen verwendete Klauseln zur Verrechnung von Abschluss- und Vertriebskosten (sog. Zillmerung) sowie zum Stornoabzug wirksam sind.

Der Kläger, ein in die Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG eingetragener Verein, und der beklagte Versicherer streiten über die Ausgestaltung und Abwicklung von Renten­ver­si­che­rungs­ver­trägen in einem von der Beklagten angebotenen Tarif. Der Kläger wendet sich insbesondere gegen die von der Beklagten in diesem Tarif praktizierte Überschussbeteiligung. In dieser sieht er einen Verstoß gegen die Vorgaben von § 6 Abs. 1 Satz 1 Mindest­zu­füh­rungs­ver­ordnung (MindZV) sowie eine Verletzung des aufsichts­recht­lichen Gleich­be­hand­lungs­grund­satzes (§ 138 Abs. 2 VAG) und der in § 153 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VVG vorgesehenen Beteiligung der Versicherten am Überschuss nach einem verur­sa­chungs­ori­en­tierten Verfahren. Hintergrund ist die Praxis der Beklagten, bei der jährlichen Zuweisung der Überschüsse auf die überschuss­be­rech­tigten Verträge den Versi­che­rungs­ver­trägen mit einem höheren Rechnungszins eine in Prozent ihres Deckungs­ka­pitals geringere Überschuss­be­tei­ligung zuzuteilen als den Verträgen mit einem niedrigeren Rechnungszins. Die Parteien streiten daneben über die Wirksamkeit diverser Klauseln in den Allgemeinen Versi­che­rungs­be­din­gungen, Produk­t­in­for­ma­ti­o­ns­blättern und Versi­che­rungs­in­for­ma­tionen, unter anderem über eine Regelung, nach der die Abschluss- und Verwal­tungs­kosten über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren, jedoch nicht länger als bis zum Ende der vereinbarten Beitrags­zah­lungsdauer verteilt werden, sowie über die Bestimmungen zum sog. Stornoabzug bei Beitrags­frei­stellung und Kündigung.

Das LG hat der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte unter anderem zur Unterlassung der Verwendung von Teilen der Klauseln in den Versi­che­rungs­be­din­gungen zum Stornoabzug verurteilt. Die von der Beklagten praktizierte Beteiligung der Versi­che­rungs­verträge unter­schied­licher Tarif­ge­ne­ra­tionen an den Überschüssen hat es hingegen als wirksam angesehen und die Klage insoweit abgewiesen. Das Berufungs­gericht hat das landge­richtliche Urteil zum Teil geändert und die Beklagte zur Unterlassung der Verwendung weiterer Teilklauseln in den von ihr verwendeten Versi­che­rungs­be­din­gungen, Produk­t­in­for­ma­ti­o­ns­blättern und Versi­che­rungs­in­for­ma­tionen verurteilt; die weitergehenden Rechtsmittel der Parteien sind erfolglos geblieben. Dagegen wenden sich beide Parteien mit ihren Rechtsmitteln, mit denen sie - soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist - ihre jeweiligen Begehren weiterverfolgen.

BGH: Keine Ungleich­be­handlung

Der BHG hat die Revision des Klägers im Wesentlichen zurückgewiesen, derjenigen der Beklagten dagegen teilweise stattgegeben. Der Senat hat entschieden, dass die vom Kläger angegriffene Praxis der Überschuss­ver­teilung nicht gegen die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Satz 1 MindZV verstößt. Dieser ist nicht die Vorgabe zu entnehmen, bei der Verteilung der Überschüsse die für die Bedienung der einzelnen Versi­che­rungs­verträge mit den jeweils vereinbarten rechnungs­mäßigen Zinsen benötigten Kapitalerträge vorab von den insgesamt erzielten Kapitalerträgen abzuziehen und nur den verbleibenden Teil als Überschuss zu verwenden. Die von der Beklagten geübte Praxis, Tarif­ge­ne­ra­tionen mit unter­schied­lichem Garantiezins eine einheitliche Gesamt­ver­zinsung zuzuteilen, soweit diese nicht hinter dem Garantiezins zurückbleibt, ist dabei sowohl mit § 138 Abs. 2 VAG als auch mit § 153 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VVG vereinbar. Weder der aufsichts­rechtliche Gleich­be­hand­lungs­grundsatz noch die Beteiligung der Versicherten am Überschuss nach einem verur­sa­chungs­ori­en­tierten Verfahren verbieten zudem im Grundsatz eine sog. "risiko­ad­jus­tierte Gesamt­ver­zinsung", bei der den Verträgen mit einer höheren Garan­tie­ver­zinsung eine in Prozent ihres Deckungs­ka­pitals geringere Überschuss­be­tei­ligung zugeteilt wird als den Verträgen mit einem niedrigeren Rechnungszins.

Storno- und Kostenklauseln sind wirksam

Der Senat hat zudem entschieden, dass die von der Beklagten in ihren Versi­che­rungs­be­din­gungen verwendete Klausel, nach der die Abschluss- und Vertriebskosten in gleichmäßigen Jahresbeträgen über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren, jedoch nicht länger als bis zum Ende der vereinbarten Beitrags­zah­lungsdauer verteilt werden, der Inhalts­kon­trolle nach § 307 BGB standhält und insbesondere nicht im Sinne von § 171 Satz 1 VVG zum Nachteil des Versi­che­rungs­nehmers von § 169 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 VVG abweicht. Die letztgenannte Bestimmung enthält, wie ihre Auslegung ergibt, keine Regelung für Verträge, bei denen die Prämie in einem Einmalbeitrag entrichtet wird oder bei denen die vereinbarte Prämi­en­zah­lungsdauer weniger als fünf Jahre beträgt.

Auch die von der Beklagten in ihren Versi­che­rungs­be­din­gungen verwendeten Klauseln zum Stornoabzug für erhöhte Verwal­tungs­auf­wen­dungen bei Beitrags­frei­stellung und Kündigung sind wirksam und halten einer Inhalts­kon­trolle - auch am Maßstab des Trans­pa­renz­gebots gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB - stand. Trans­pa­renz­be­denken ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass die Klauseln mit ihrer jeweiligen Regelung zur Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Angemessenheit der Höhe des Stornoabzugs die Folgen der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für einen durch­schnitt­lichen Versi­che­rungs­nehmer nicht hinreichend verständlich machten.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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