Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein an Prostatakrebs erkrankter Mann wollte sich einer alternativen Behandlungsmethode unterziehen. Seine private Krankenversicherung lehnte jedoch eine Kostenübernahme mit Hinweis auf ihre Versicherungsbedingungen ab. Nach diesen lag ein Versicherungsfall nämlich nur dann vor, wenn eine medizinisch notwendige Heilbehandlung vorgenommen wird. Eine solche sei aber in der beabsichtigten Immuntherapie mit autologen Tumor-Antigen-geprimten dendritischen Zellen (sogenannter Kieler Impfstoff) nicht zu sehen gewesen. Da sich die Krankenversicherung weigerte zu zahlen, erhob der Versicherungsnehmer Klage.
Sowohl das Landgericht Bremen als auch das Oberlandesgericht Bremen wiesen die Klage ab. Das Oberlandesgericht führte zur Begründung aus, dass die gewünschte Behandlungsmethode medizinisch nicht notwendig gewesen sei, da sie medizinisch bisher nicht belegt gewesen sei. Nunmehr musste sich der Bundesgerichtshof mit dem Fall beschäftigen.
Der Bundesgerichtshof führte zu dem Fall aus, dass es für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung nicht auf die Auffassung des Versicherungsnehmers oder des behandelnden Arztes ankomme. Vielmehr sei allein auf die objektiv medizinischen Befunde und Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung abzustellen. Demnach liege eine medizinische Notwendigkeit einer Behandlung vor, wenn sie dazu geeignet ist, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihre Verschlimmerung zu verhindern.
Gebe es hingegen keine in der Praxis angewandte Behandlungsmethode, die sich nach medizinischen Erkenntnissen zur Herbeiführung eines Behandlungsziels eignet, befinde sich die Behandlungsmethode also noch im Versuchsstadium, so könne dennoch nach Ansicht des Bundesgerichtshofs von einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung ausgegangen werden. Voraussetzung dafür sei, dass die Behandlung auf eine schwere, lebensbedrohliche oder lebenszerstörende Krankheit zielt. In einem solchen Fall genüge es, wenn die alternative Behandlung Aussicht auf Heilung oder Linderung verspricht, das Erreichen eines solchen Behandlungsziels also wahrscheinlich ist. Sie müsse sich demgegenüber nicht tatsächlich dazu eignen.
Die alternative Behandlungsmethode müsse aber auf einem nach medizinischen Erkenntnissen nachvollziehbaren Ansatz beruhen, so der Bundesgerichtshof weiter, der die in Aussicht gestellte Wirkung auf das angestrebte Behandlungsziel zu erklären vermag. In diesem Zusammenhang sei es unerheblich, dass die Behandlungsmethode in der medizinischen Literatur noch nicht nach wissenschaftlichem Standard dokumentiert und bewertet worden ist. Es könne vielmehr genügen, dass die Behandlung bereits in einer solchen Anzahl angewandt wurde, die Aussagen über das angestrebte für wahrscheinlich erachtete Behandlungsziel hergibt.
Da das Oberlandesgericht keine Feststellungen zu den oben genannten Punkten gemacht hat, hob der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur Neuverhandlung zurück.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 29.01.2014
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)