15.11.2024
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Sie sehen eine abgedunkelte Fassade von mehreren Hochhäusern, auf der ein Schutzschild leuchtet.

Dokument-Nr. 17590

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Beschluss30.10.2013BundesgerichtshofIV ZR 307/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • r+s 2014, 25Zeitschrift: recht und schaden (r+s), Jahrgang: 2014, Seite: 25
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Bremen, Urteil26.04.2012, 6 O 311/11
  • Oberlandesgericht Bremen, Urteil27.08.2012, 3 U 32/12
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss30.10.2013

Anspruch auf Versi­che­rungs­schutz bei Anwendung einer alternativen Behand­lungs­methode bei unheilbarer KrankheitWahrschein­licher Erfolg einer alternativen Behandlung genügt zur Annahme einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung

Eine medizinisch notwendige Heilbehandlung im Sinne der Versicherungs­bedingungen kann auch dann vorliegen, wenn eine alternative noch im Versuchsstadium befindliche Behand­lungs­methode einen wahrschein­lichen Erfolg verspricht. Ist dies der Fall, hat der Versi­che­rungs­nehmer Anspruch auf Leistung seiner Kranken­ver­si­cherung. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein an Prostatakrebs erkrankter Mann wollte sich einer alternativen Behand­lungs­methode unterziehen. Seine private Kranken­ver­si­cherung lehnte jedoch eine Kostenübernahme mit Hinweis auf ihre Versi­che­rungs­be­din­gungen ab. Nach diesen lag ein Versi­che­rungsfall nämlich nur dann vor, wenn eine medizinisch notwendige Heilbehandlung vorgenommen wird. Eine solche sei aber in der beabsichtigten Immuntherapie mit autologen Tumor-Antigen-geprimten dendritischen Zellen (sogenannter Kieler Impfstoff) nicht zu sehen gewesen. Da sich die Kranken­ver­si­cherung weigerte zu zahlen, erhob der Versi­che­rungs­nehmer Klage.

Landgericht und Oberlan­des­gericht wiesen Klage ab

Sowohl das Landgericht Bremen als auch das Oberlan­des­gericht Bremen wiesen die Klage ab. Das Oberlan­des­gericht führte zur Begründung aus, dass die gewünschte Behand­lungs­methode medizinisch nicht notwendig gewesen sei, da sie medizinisch bisher nicht belegt gewesen sei. Nunmehr musste sich der Bundes­ge­richtshof mit dem Fall beschäftigen.

Medizinische Notwendigkeit besteht bei Eignung der Behandlung zur Heilung oder Linderung

Der Bundes­ge­richtshof führte zu dem Fall aus, dass es für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung nicht auf die Auffassung des Versi­che­rungs­nehmers oder des behandelnden Arztes ankomme. Vielmehr sei allein auf die objektiv medizinischen Befunde und Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung abzustellen. Demnach liege eine medizinische Notwendigkeit einer Behandlung vor, wenn sie dazu geeignet ist, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihre Verschlimmerung zu verhindern.

Behand­lungs­me­thoden mit Versuch­s­cha­rakter können ebenfalls medizinisch notwendig sein

Gebe es hingegen keine in der Praxis angewandte Behand­lungs­methode, die sich nach medizinischen Erkenntnissen zur Herbeiführung eines Behand­lungsziels eignet, befinde sich die Behand­lungs­methode also noch im Versuchsstadium, so könne dennoch nach Ansicht des Bundes­ge­richtshofs von einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung ausgegangen werden. Voraussetzung dafür sei, dass die Behandlung auf eine schwere, lebens­be­drohliche oder lebens­zer­störende Krankheit zielt. In einem solchen Fall genüge es, wenn die alternative Behandlung Aussicht auf Heilung oder Linderung verspricht, das Erreichen eines solchen Behand­lungsziels also wahrscheinlich ist. Sie müsse sich demgegenüber nicht tatsächlich dazu eignen.

Alternative Behand­lungs­methode muss auf medizinischen Ansatz beruhen

Die alternative Behand­lungs­methode müsse aber auf einem nach medizinischen Erkenntnissen nachvoll­ziehbaren Ansatz beruhen, so der Bundes­ge­richtshof weiter, der die in Aussicht gestellte Wirkung auf das angestrebte Behandlungsziel zu erklären vermag. In diesem Zusammenhang sei es unerheblich, dass die Behand­lungs­methode in der medizinischen Literatur noch nicht nach wissen­schaft­lichem Standard dokumentiert und bewertet worden ist. Es könne vielmehr genügen, dass die Behandlung bereits in einer solchen Anzahl angewandt wurde, die Aussagen über das angestrebte für wahrscheinlich erachtete Behandlungsziel hergibt.

Aufhebung des Urteils des Oberlan­des­ge­richts

Da das Oberlan­des­gericht keine Feststellungen zu den oben genannten Punkten gemacht hat, hob der Bundes­ge­richtshof das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur Neuverhandlung zurück.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

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