15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen eine abgedunkelte Fassade von mehreren Hochhäusern, auf der ein Schutzschild leuchtet.

Dokument-Nr. 22060

Drucken
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil14.10.2015

BGH: Für in den Jahren 1994-2007 abgeschlossene Lebens- und Renten­versicherungen gilt ewiges Wider­spruchsrechtVoraussetzung ist nicht ordnungsgemäße Belehrung über Wider­spruchsrecht

Für in den Jahren 1994 bis 2007 abgeschlossene Lebens- und Renten­versicherungen gilt ein ewiges Wider­spruchsrecht, wenn der Versicherer nicht ordnungsgemäß über das Wider­spruchsrecht des Versicherungs­nehmers belehrt hat. Die von 1994 bis 2007 geltende Vorschrift des § 5 a Abs. 2 Satz 4 des Vertrags­versicherungs­gesetzes (VVG), die eine Wider­spruchsfrist von einem Jahr regelt, ist europa­rechts­widrig und findet daher keine Anwendung. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

In dem zugrunde liegenden Fall schloss ein Versi­che­rungs­nehmer im März 2003 eine fondsgebundene Rentenversicherung ab. In diesem Zusammenhang erhielt der Versi­che­rungs­nehmer neben dem Versi­che­rungs­schein auch die Versi­che­rungs­be­din­gungen und eine Verbrau­che­r­in­for­mation. Der Versi­che­rungs­schein enthielt nur eine unvollständige Belehrung über das Wider­spruchsrecht nach § 5 a VVG alte Fassung. Eine vollständige, aber nicht gänzlich in Fettdruck hervorgehobene Belehrung erfolgte erst in der Verbrau­che­r­in­for­mation. Im Februar 2008 erklärte der Versi­che­rungs­nehmer den Widerspruch und verlangte die Rückzahlung der geleisteten Versi­che­rungs­beiträge. Der Versicherer hielt den Widerspruch für unzulässig, da dieser gemäß § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG alte Fassung spätestens ein Jahr nach der ersten Prämienzahlung habe erklärt werden müssen. Dies sei nicht geschehen. Der Versi­che­rungs­nehmer vertrat die Meinung, dass die Vorschrift europarechtswidrig sei und erhob daher Klage auf Rückzahlung.

Amtsgericht und Landgericht wiesen Klage auf Rückzahlung ab

Sowohl das Amtsgericht München als auch das Landgericht München I wiesen die Klage auf Rückzahlung der Versi­che­rungs­beiträge ab. Das Landgericht begründete dies damit, dass eine vollständige und somit ordnungsgemäße Belehrung über das Wider­spruchsrecht erfolgt sei. Folglich habe der Versi­che­rungs­nehmer innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt der Belehrung seinen Widerspruch erklären müssen. Dies sei aber nicht geschehen. Gegen diese Entscheidung legte der Versi­che­rungs­nehmer Revision ein.

Bundes­ge­richtshof bejaht Anspruch auf Prämi­en­rü­ck­zahlung

Der Bundes­ge­richtshof entschied zu Gunsten des Versi­che­rungs­nehmers und hob daher die Entscheidung des Landgerichts auf. Dem Versi­che­rungs­nehmer habe ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Prämien zugestanden. Denn der Widerspruch sei rechtzeitig erfolgt.

Nicht ordnungsgemäße Belehrung über Wider­spruchsrecht

Nach Ansicht des Bundes­ge­richtshofs habe der Versicherer nicht ordnungsgemäß über das Wider­spruchsrecht des Versi­che­rungs­nehmers belehrt. So sei die Belehrung auf Seite 1 des Versi­che­rungs­scheins unvollständig und inhaltlich falsch gewesen. Die in der Verbrau­che­r­in­for­mation erfolgte Belehrung sei ebenfalls unzureichend gewesen. So sei nur der erste Satz in Fettdruck gehalten gewesen. Der übrige Text sei nicht drucktechnisch hervorgehoben worden, so dass insbesondere der Hinweis darauf, dass die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs zur Fristwahrung genüge, habe übersehen werden können.

Wider­spruchsfrist von einem Jahr europa­rechts­widrig

Sei die Wider­spruchs­be­lehrung nicht ordnungsgemäß erfolgt, so der Bundes­ge­richtshof weiter, habe zwar nach § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG alte Fassung eine Wider­spruchsfrist von einem Jahre ab der ersten Prämienzahlung gegolten. Diese Vorschrift sei jedoch europa­rechts­widrig und daher nicht anzuwenden gewesen. Somit bleibe bei in den Jahren von 1994-2007 abgeschlossenen Lebens- und Renten­ver­si­che­rungen das Wider­spruchsrecht ewig bestehen (vgl. BGH, Urt. v. 07.05.2014 - IV ZR 76/11 -).

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil22060

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI