18.10.2024
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Sie sehen eine abgedunkelte Fassade von mehreren Hochhäusern, auf der ein Schutzschild leuchtet.

Dokument-Nr. 33312

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Urteil27.09.2023BundesgerichtshofIV ZR 177/22
Vorinstanzen:
  • Landgericht Gießen, Urteil28.08.2021, 2 O 545/20
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil07.04.2022, 3 U 266/21
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil27.09.2023

BGH zum Auskunfts­an­spruch über frühere Prämie­n­an­pas­sungen in der privaten Kranken­ver­si­cherungPrivat Kranken­ver­si­cherte können Auskunfts­an­spruch zu früheren Prämie­n­an­pas­sungen haben

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass dem Versi­che­rungs­nehmer aus Treu und Glauben ein Auskunfts­an­spruch über zurückliegende Prämie­n­an­pas­sungen in der privaten Kranken­ver­si­cherung zustehen kann, wenn er in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist. Dagegen folgt aus Art. 15 Abs. 1 und 3 der Verordnung (EU) 2016/679 (Daten­schutz­grund­verordnung - DSGVO) grundsätzlich kein Anspruch auf Abschriften der Begründungs­schreiben zu den Prämie­n­an­pas­sungen samt Anlagen.

Der Kläger wendet sich gegen die Wirksamkeit von Prämie­n­an­pas­sungen in seiner privaten Kranken­ver­si­cherung. Mit der Klage hat er vom beklagten Versicherer unter anderem Auskunft über alle Beitrags­er­hö­hungen aus den Jahren 2013 bis 2016 durch Vorlage von Unterlagen verlangt, die Angaben zur Höhe der Beitrags­er­hö­hungen unter Benennung der jeweiligen Tarife, die ihm übermittelten Anschreiben mit Begründungen, die Nachträge zum Versi­che­rungs­schein sowie die Beiblätter enthalten. Diesen Antrag hat er im Rahmen einer Stufenklage gestellt, mit der er unter anderem die Feststellung, dass die noch genauer zu bezeichnenden Erhöhungen unwirksam seien, und die Zahlung eines nach Erteilung der Auskunft noch zu beziffernden Betrages verlangt hat. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungs­gericht hat das landge­richtliche Urteil zum Teil abgeändert und die Beklagte unter anderem antragsgemäß zur Auskunft­s­er­teilung verurteilt. Soweit die Klage Erfolg hatte, richtet sich dagegen die Revision der Beklagten.

BGH: Auskunftsklage zulässig

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die Auskunftsklage zulässig ist. Zwar ist das Rechts­schutz­be­gehren als Stufenklage im Sinne des § 254 Zivil­pro­zess­ordnung unzulässig, da es dem Kläger nicht um die Bezifferung eines Anspruchs, sondern um die Prüfung geht, ob überhaupt ein Anspruch besteht. Der Auskunftsantrag kann jedoch in eine von der Stufung unabhängige Klage umgedeutet werden. Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Auskunft, da er sie benötigt, um zu prüfen, ob vergangene Beitrags­er­hö­hungen unwirksam waren und ihm daraus Rückzah­lungs­ansprüche zustehen.

Treu und Glauben begründen Auskunfts­an­spruch

Einem Versi­che­rungs­nehmer kann aus Treu und Glauben ein Auskunftsanspruch über zurückliegende Prämie­n­an­pas­sungen zustehen. Dieser Anspruch setzt zunächst voraus, dass ihm noch Rückzah­lungs­ansprüche aufgrund früherer Prämi­e­n­er­hö­hungen, falls diese unwirksam gewesen sein sollten, als Grund für das Auskunfts­be­gehren zustehen könnten. Darüber hinaus ist erforderlich, dass er nicht mehr über die betreffenden Unterlagen verfügt und sich die notwendigen Informationen nicht selbst auf zumutbare Weise verschaffen kann. Wenn dies der Fall ist, ist unter Berück­sich­tigung der Gründe für diesen Verlust zu entscheiden, ob er in entschuldbarer Weise über sein Recht im Ungewissen ist. Die hierfür maßgebenden Umstände hat der Versi­che­rungs­nehmer darzulegen und zu beweisen.

Kein Auskunfts­an­spruch aus Art. 15 DSGVO

Dagegen folgt ein solcher Auskunfts­an­spruch grundsätzlich nicht aus Art. 15 Abs. 1, 3 DSGVO. Ein Anspruch auf eine Abschrift der gesamten Begrün­dungs­schreiben samt Anlagen lässt sich aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht herleiten, da es sich weder bei den Anschreiben selbst noch bei den beigefügten Anlagen jeweils in ihrer Gesamtheit um perso­nen­be­zogene Daten des Versi­che­rungs­nehmers handelt. Aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO ergibt sich nur ein Anspruch auf eine Kopie der Daten, zu denen nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO Auskunft zu erteilen wäre, aber grundsätzlich kein Anspruch auf Herausgabe von Kopien bestimmter Dokumente. Soweit das Berufungs­gericht noch nicht alle Voraussetzungen für einen Auskunfts­an­spruch aus Treu und Glauben geprüft hat, hat der BGH die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (om/ab)

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