15.11.2024
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Dokument-Nr. 6741

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Urteil24.09.2008BundesgerichtshofIV ZR 134/07
Vorinstanzen:
  • Landgericht Karlsruhe, Urteil02.07.2004, 6 O 1000/03
  • Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil03.05.2007, 12 U 286/04
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil24.09.2008

BGH: Start­gut­schrif­ten­re­gelung der neuen Satzung der Versor­gungs­anstalt des Bundes und der Länder ist wirksam

Die beklagte Versor­gungs­anstalt des Bundes und der Länder (VBL) hat die Aufgabe, den Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privat­recht­licher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwer­bs­min­derungs- und Hinter­blie­be­nen­ver­sorgung zu gewähren. Durch Neufassung ihrer Satzung vom 22.11.2002 (BAnz. Nr. 1 vom 03.01.2003) hat die Beklagte ihr Zusatz­ver­sor­gungs­system rückwirkend zum 31.12.2001 umgestellt. Der Systemwechsel ist Folge einer Einigung der Tarif­ver­trags­parteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag Alters­ver­sorgung - ATV - vom 01.03.2002. Darin wurde rückwirkend zum 31.12.2001 das bisherige, auf dem Versor­gung­s­ta­rif­vertrag (Versorgungs-TV) vom 04.11.1966 beruhende, endge­halts­be­zogene Gesamt­ver­sor­gungs­system aufgegeben und durch ein auf einem Punktemodell beruhendes Betrie­bs­ren­ten­system ersetzt. Die neue Satzung der Beklagten (VBLS) enthält Überg­angs­re­ge­lungen für die bis zur Syste­mum­stellung erworbenen Rente­n­an­wart­schaften. Diese werden wertmäßig festgestellt und als so genannte Start­gut­schriften auf die neuen Versor­gungs­konten der Versicherten übertragen. Dabei wird zwischen rentennahen und rentenfernen Versicherten differenziert.

Der Kläger, ein rentennaher Versicherter, wendet sich - wie weitere Versicherte in einer Vielzahl beim Bundes­ge­richtshof anhängiger Revisionen - gegen die Wirksamkeit der ihm erteilten Startgutschrift. Seiner Ansicht nach führten die Bestimmungen zur Berechnung der Höhe der Start­gut­schriften für die rentennahen Versicherten (§§ 78, 79 Abs. 2 ff. VBLS) - obwohl diese Berechnung weitgehend in Anlehnung an das frühere Satzungsrecht der Beklagten erfolgt - ohne ausreichende Rechtfertigung zu einem Eingriff in seine bisherige, verfas­sungs­rechtlich geschützte Rente­n­an­wart­schaft. Gegenüber dem früheren Rechtszustand bewirke die Neuregelung bei ihm (wie auch bei einer Vielzahl anderer Versicherter) eine unver­hält­nis­mäßige und mithin verfas­sungs­widrige Schlech­ter­stellung.

Nach Ansicht der Beklagten hält sich die Satzungs­re­gelung, der der Tarifvertrag vom 01.03.2002 zugrunde liegt, im Rahmen des den Tarif­ver­trags­parteien des öffentlichen Dienstes durch deren Tarifautonomie eröffneten Gestal­tungs­spielraums.

Das Landgericht hat festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger bei Eintritt des Versor­gungs­falles mindestens eine Betriebsrente zu gewähren, die dem geringeren Betrag der Berechnung der Zusatzrente nach ihrer (alten) Satzung in der Fassung der 41. Änderung zum Umstel­lungs­stichtag (31.12.2001) oder zum Eintritt des Versi­che­rungs­falles entspricht. Dieses Urteil hat das Oberlan­des­gericht auf die Berufung der Beklagten geändert und die Klage insgesamt abgewiesen mit der Begründung, die für die rentennahen Versicherten getroffene Überg­angs­re­gelung sei im Ergebnis verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden. Mit der Revision strebt der Kläger, dessen Berufung zurückgewiesen worden ist, eine für ihn günstigere Überg­angs­re­gelung an, die zu einer höheren Startgutschrift führen würde.

Der Bundes­ge­richtshof hat in einer Grund­sat­z­ent­scheidung die Revision zurückgewiesen und damit im Ergebnis die Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts bestätigt.

Er hat die Berechnung der bis zum Zeitpunkt der Syste­mum­stellung von den pflicht­ver­si­cherten Angehörigen rentennaher Jahrgänge erworbenen Rente­n­an­wart­schaften und deren Übertragung in das neu geschaffene Betrie­bs­ren­ten­system in Form so genannter Start­gut­schriften nach den §§ 32 Abs. 1 und 4 Satz 1, 33 Abs. 2, 4 ff. ATV, 78 Abs. 1 und 2 Satz 1, 79 Abs. 2, 4 ff. VBLS gebilligt.

Mit der Überg­angs­re­gelung, die - anders als bei den rentenfernen Versicherten - darauf abzielt, mit der Startgutschrift eine auf die Vollendung des 63. Lebensjahres fingierte Versor­gungsrente nach dem früheren Gesamt­ver­sor­gungs­system zu erhalten, haben die Tarif­ver­trags­parteien dem erhöhten Schutzbedürfnis der rentennahen Versicherten Rechnung getragen.

Dabei begegnet es insbesondere keinen Bedenken, dass die Versor­gungsrente, die der Start­gut­schriften-Berechnung als Ausgangswert zugrunde liegt, auf den Zeitpunkt der Vollendung des 63. Lebensjahres hochzurechnen ist. Die Regelung stellt einen pauschalen, aber sachgerechten Inter­es­se­n­aus­gleich dar, mit dem die Tarif­ver­trags­parteien den ihnen eingeräumten weiten Handlungs­spielraum nicht überschritten haben. Die getroffene Regelung ist jedenfalls vertretbar und schon aus diesem Grunde verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden. Ob die Tarif­ver­trags­parteien damit auch die gerechteste und zweckmäßigste Lösung getroffen haben, ist von den Gerichten nicht zu prüfen.

Entsprechendes gilt, soweit zur Bestimmung der Start­gut­schriften auf die am Umstel­lungs­stichtag geltenden Rechengrößen, insbesondere die Lohnsteu­er­klasse, abzustellen ist. Ebenso begegnet es keinen durchgreifenden verfas­sungs­recht­lichen Bedenken, wenn bei den rentennahen Versicherten - anders als bei den rentenfernen - im Rahmen der Berechnung der gesamt­ver­sor­gungs­fähigen Zeit sogenannte Vordienstzeiten noch zur Hälfte berücksichtigt werden. Denn damit wird nicht das bisherige System als solches aufrecht­er­halten, den rentennahen Versicherten werden lediglich die Vorteile der hälftigen Anrechnung von Vordienstzeiten zur Wahrung eines vor der Syste­mum­stellung erworbenen Besitzstandes belassen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 180/08 des BGH vom 24.09.2008

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