21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil14.01.2004

Verlust des Haftpflicht­ver­si­che­rungs­schutzes für mitversicherte Kraft­fahr­zeug­führer nach Kündigung des Versi­che­rungs­ver­hält­nisses

Als Fahrer eines in einen Verkehrsunfall verwickelten Lastkraftwagens verlangt der Kläger vom beklagten Haftpflicht­ver­si­cherer Freistellung von Regreß­ansprüchen zweier Sozia­l­ver­si­che­rungs­träger.

Bei dem vom Kläger am 28. August 1998 verursachten Unfall war er mit dem Lkw auf die Gegenfahrbahn gekommen und mit einem entge­gen­kom­menden Klein­trans­porter kollidiert. Dessen Fahrer wurde getötet. Er hinterließ Ehefrau und zwei minderjährige Kinder. Die Versi­che­rungs­nehmerin hatte den Haftpflicht­ver­si­che­rungs­vertrag für den Lkw bereits zum 31. Dezember 1996 gekündigt, die Beklagte die Beendigung des Versi­che­rungs­ver­hält­nisses der Straßen­ver­kehrs­behörde bis zum Unfalltag aber noch nicht angezeigt, so daß sie von seiten der Geschädigten in die Nachhaftung nach den §§ 3 Nr. 5 und 6 PflVG, 29c StVZO genommen wurde.

Zwei Sozia­l­ver­si­che­rungs­träger erbrachten in der Folgezeit Leistungen an die Hinterbliebenen des Unfallopfers und nahmen deshalb unter anderem den Kläger in Höhe von insgesamt rund 23.500 € in Regreß. Der Kläger meint, die Beklagte müsse ihn insoweit von der Haftung freistellen, denn er habe nicht gewußt, daß der Lkw seinerzeit nicht mehr haftpflicht­ver­sichert gewesen sei.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungs­gericht hat sie abgewiesen. Mit seiner Revision hat der Kläger die Wieder­her­stellung des landge­richt­lichen Urteils erstrebt.

Weil das Haftpflicht­ver­si­che­rungs­ver­hältnis über den Lkw durch die Kündigung der Versi­che­rungs­nehmerin zum 31. Dezember 1996 unstreitig beendet worden ist, hat der Kläger seinen Freistel­lungs­an­spruch auf § 158 i VVG gestützt. Danach kann der Versicherer eine gegenüber dem Versi­che­rungs­nehmer bestehende Leistungs­freiheit einem Versicherten, der zur selbständigen Geltendmachung seiner Rechte aus dem Versi­che­rungs­vertrag befugt ist, nur dann entgegenhalten, wenn die der Leistungs­freiheit zugrunde liegenden Umstände in der Person dieses Versicherten vorliegen oder ihm diese Umstände bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt waren. Das Berufungs­gericht hat angenommen, die Vorschrift setze schon nach ihrem Wortlaut ein bestehendes Versi­che­rungs­ver­hältnis voraus, denn der Versicherte müsse zur Geltendmachung von Rechten aus dem Versi­che­rungs­vertrag "befugt" sein. Hieran fehle es infolge der Kündigung. Die Schutz­be­dürf­tigkeit des mitversicherten Fahrers könne auch nicht zur analogen Erstreckung der Regelung auf den vorliegenden Fall führen, weil insoweit der erklärte Wille des Gesetzgebers entgegenstehe.

Der Bundes­ge­richtshof hat das bestätigt. Er sah im Hinblick auf den im Gesetz­ge­bungs­ver­fahren zur Neuregelung des § 158 i VVG (BT-Drucks. 11/6341) geäußerten gesetz­ge­be­rischen Willen keine Möglichkeit, die Vorschrift in Fällen anzuwenden, in denen der Versi­che­rungs­vertrag bereits vor Eintritt des Versi­che­rungs­falles durch Kündigung beendet worden ist. Der Gesetzgeber hat für den hier zu entscheidenden Fall einer Beendigung des Versi­che­rungs­ver­hält­nisses durch Kündigung in der Begründung zur Neufassung des § 158 i VVG klar zum Ausdruck gebracht, daß die Vorschrift keine Anwendung finden soll. Es heißt dort wörtlich: "Das Recht zur selbständigen Geltendmachung von Rechten aus dem Versi­che­rungs­vertrag erlischt allerdings mit der wirksamen Kündigung gegenüber dem Versi­che­rungs­nehmer, etwa nach Fristsetzung wegen Prämienverzugs. Die in § 3 Nr. 5 PflVersG zugunsten des Verkehrsopfers angeordnete Nachhaftung kann auf das Verhältnis zwischen Versichertem und Versicherer nicht übertragen werden, weil ein versi­che­rungs­recht­licher Deckungs­an­spruch begriffs­not­wendig an einen bestehenden Versi­che­rungs­vertrag anknüpfen muß. Schließlich darf auch nicht verkannt werden, daß das Schutzbedürfnis des Opfers regelmäßig höher zu bewerten ist als die Notwendigkeit der sozialen Absicherung des Schädigers."

Der Senat verkennt nicht, daß damit bei beendeten Haftpflicht­ver­si­che­rungs­ver­trägen für gutgläubige Fahrzeugführer fremder Kraftfahrzeuge (z.B. Fahrzeuge des Arbeitgebers, Mietfahrzeuge, geliehene Fahrzeuge) erhebliche Haftungsrisiken bleiben. Denn die fehlende Möglichkeit, § 158 i VVG hier zugunsten des Kraft­fahr­zeug­führers anzuwenden, führt dazu, daß der gegenüber dem Fahrer nunmehr leistungsfreie Haftpflicht­ver­si­cherer dem Geschädigten zwar gemäß § 3 Nr. 5, 6 PflVG haftet, den Fahrer aber in Regreß nehmen kann. Zudem kann der mitversicherte Fahrer Regreß­ansprüchen anderer Schadens­ver­si­cherer oder von Sozia­l­ver­si­che­rungs­trägern ausgesetzt sein (§§ 3 Nr. 6 PflVG, 158c Abs. 4 VVG), denen nur in Härtefällen nach den §§ 31 Abs. 2 HGrG und 76 Abs. 2 SGB IV durch Stundung oder Erlaß von Regreß­for­de­rungen begegnet werden kann. Der Bundes­ge­richtshof hat im Hinblick auf den eindeutig geäußerten Willen des Gesetzgebers aber keine Möglichkeit gesehen, den Versi­che­rungs­schutz für gutgläubige Fahrzeugführer zu verbessern.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 04/04 des BGH v. 21.01.2004

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