21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil10.10.2012

Zahlungs­re­gelung zur Gegen­wert­for­derung der Versor­gungs­anstalt (VBL) unwirksamGegen­wert­zahlung: § 23 Abs. 2 VBLS aufgrund unangemessener Benachteiligung der ausgeschiedenen Beteiligten unwirksam

§ 23 Abs. 2 der Satzung der Versor­gungs­anstalt des Bundes und der Länder (VBLS), der die Zahlung eines Gegenwerts für die bei der VBL verbleibenden Versor­gungs­lasten bei Beendigung einer Beteiligung regelt, ist wegen unangemessener Benachteiligung des ausgeschiedenen Beteiligten unwirksam. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

In dem zugrunde liegenden Streitfall ist der Kläger des Verfahrens IV ZR 10/11 ein Trägerverein einer Klinik und gehörte dem Abrech­nungs­verband Ost der VBL seit 1996 an. Er kündigte das Beteiligungsverhältnis zum 31. Dezember 2003. Auf Grundlage des § 23 Abs. 2 VBLS forderte die VBL einen Gegenwert in Höhe von 957.125,77 Euro für neun Rentner und 135 Leistungs­an­wärter, der vom Kläger bezahlt wurde. Nunmehr verlangt er die Rückzahlung eines Teilbetrages von 400.000 Euro.

Rückzah­lun­gan­spruch vom LG und OLG gewährt

Landgericht und Oberlan­des­gericht haben einen Rückzah­lungs­an­spruch wegen Unwirksamkeit der Satzungs­be­stimmung über den Gegenwert bejaht. Mit ihrer Revision hat die VBL ihr Klage­ab­wei­sungs­be­gehren weiterverfolgt.

VBL verfolgt ihren Zahlungs­an­spruch weiterhin

Der Beklagte des Verfahrens IV ZR 12/11 war schon an der Vorgän­ge­r­anstalt der VBL seit 1940 beteiligt. Er kündigte seine Beteiligung zum 31. Dezember 2002. Die VBL berechnete einen Gegenwert von 18.357.553,15 Euro und verlangt mit der Klage den nach Anrechnung von zwei Abschlagszahlungen verbleibenden Restbetrag von 8.126.996,65 Euro.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision hat die VBL ihren Zahlungs­an­spruch weiterverfolgt.

§ 23 Abs. VBLS unterliegt der vollen AGB-rechtlichen Inhalts­kon­trolle

Der Bundes­ge­richtshof hat beide Revisionen der VBL zurückgewiesen.

§ 23 Abs. 2 VBLS unterliegt der vollen AGB-rechtlichen Inhalts­kon­trolle. Eine Grund­ent­scheidung der Tarif­ver­trags­parteien, die eine weitgehende Gestal­tungs­freiheit des Satzungsgebers bei deren Umsetzung und inhaltlicher Ausgestaltung zur Folge hat, setzt eine wirksame tarif­ver­tragliche Regelung voraus. Diese liegt hier nicht vor. Der Änderung­s­ta­rif­vertrag Nr. 6 zum Tarifvertrag über die betriebliche Alters­ver­sorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Alters­ver­sorgung - ATV) vom 24. November 2011 stellt hinsichtlich seiner rückwirkend zum 1. Januar 2001 in Kraft gesetzten Regelungen zum Gegenwert für Beteiligungen, die vor Abschluss dieses Tarifvertrages beendet wurden, eine unzulässige echte Rückwirkung dar.

Nicht alle Berech­nungs­grundlagen des Gegenwerts können offengelegt werden

Die in § 23 Abs. 2 VBLS vorgesehene volle Berück­sich­tigung von Versicherten ohne erfüllte Wartezeit bei der Berechnung des Gegenwerts benachteiligt den ausgeschiedenen Beteiligten unangemessen. Weiterhin liegt eine unangemessene Benachteiligung des ausgeschiedenen Beteiligten in der Ausgestaltung des Gegenwerts als Einmalzahlung eines Barwerts. Ferner ist § 23 Abs. 2 VBLS intransparent, weil nicht alle Berech­nungs­grundlagen des Gegenwerts offen gelegt werden.

Anwendung der Grundsätze der ergänzenden Vertrags­aus­legung möglich

Allerdings kann die durch die Unwirksamkeit der Gegen­wert­re­gelung in § 23 Abs. 2 VBLS eingetretene Satzungslücke nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertrags­aus­legung auch durch eine neue Satzungs­re­gelung, die den ausgeschiedenen Beteiligten nicht unangemessen benachteiligt, mit Wirkung für eine bereits beendete Beteiligung geschlossen werden.

§ 23 der Satzung der VBL in der zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung (Auszug) :

(2) Zur Deckung der aus dem Anstalts­vermögen nach dem Ausscheiden zu erfüllenden Verpflichtungen auf Grund von

a) Leistungs­ansprüchen von Betrie­bs­ren­ten­be­rech­tigten aus einer Pflicht­ver­si­cherung bzw. einer beitragsfreien Versicherung sowie

b) Versor­gungs­punkten von Anwart­schafts­be­rech­tigten und

c) künftigen Leistungs­ansprüchen von Personen, die im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Beteiligung als Hinterbliebene in Frage kommen, hat der ausscheidende Beteiligte einen von der Anstalt auf seine Kosten zu berechnenden Gegenwert zu zahlen.

Der Gegenwert ist nach versi­che­rungs­ma­the­ma­tischen Grundsätzen zu berechnen, wobei als Rechnungszins 3,25 v.H. während der Anwart­schaftsphase und 5,25 v.H. während des Rentenbezuges zu Grunde zu legen ist. Zur Deckung von Fehlbeträgen ist der Gegenwert um 10 v.H. zu erhöhen; dieser Anteil wird der Verlustrücklage nach § 67 zugeführt. Als künftige jährliche Erhöhung der Betriebsrenten ist der Anpassungssatz nach § 39 zu berücksichtigen.

Bei der Berechnung des Gegenwertes werden die Teile der Leistungs­ansprüche und Anwartschaften nicht berücksichtigt, die aus dem Vermögen im Sinne des § 61 Abs. 2 oder § 66 zu erfüllen sind.

Ansprüche die im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Beteiligung ruhen, werden nur dann nicht berücksichtigt, wenn das Ruhen auf § 65 Abs. 6 der am Tag vor In-Kraft-Treten dieser Satzung geltenden Satzung beruht.

Der Gegenwert ist zur Abgeltung der Verwal­tungs­kosten um 2 v.H. zu erhöhen. Der zunächst auf den Ausschei­de­stichtag abgezinste Gegenwert ist für den Zeitraum vom Tag des Ausscheidens aus der Beteiligung bis zum Ende des Folgemonats nach Erstellung des versi­che­rungs­ma­the­ma­tischen Gutachtens mit Jahreszinsen in Höhe des durch­schnitt­lichen Vomhun­dert­satzes der in den letzten fünf Kalenderjahren vor dem Ausscheiden erzielten Vermö­gen­s­erträge, mindestens jedoch mit 5,25 v.H. aufzuzinsen. …

Tarifvertrag Änderung­s­ta­rif­vertrag Nr. 6 vom 24. November 2011 zum Tarifvertrag über die betriebliche Alters­ver­sorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Alters­ver­sorgung - ATV) vom 1. März 2002 (Auszug):

§ 1 Änderung des ATV

1. Dem § 16 werden folgende Absätze 4 und 5 angefügt:

"(4) Zur Sicherung der Finanzierung der Umlage- und Solida­r­ge­mein­schaft müssen Arbeitgeber, die aus einer ganz oder teilweise umlage­fi­nan­zierten Zusatz­ver­sorgung ausscheiden, einen Gegenwert für die bei der Zusatz­ver­sor­gungs­ein­richtung verbleibenden Rente­n­an­wart­schaften und -ansprüche zahlen.

Die Höhe des Gegenwerts ist nach versi­che­rungs­ma­the­ma­tischen Grundsätzen so zu bemessen, dass verbleibende Rente­n­an­wart­schaften und -ansprüche, die dem ausgeschiedenen Arbeitgeber zuzurechnen sind, ausfinanziert und zukünftige Ausgaben der Zusatz­ver­sor­gungs­ein­richtung zur Deckung der Verwal­tungs­kosten und möglicher Fehlbeträge abgegolten sind. Die dabei verwendeten Rechnungs­grundlagen, insbesondere der Rechnungszins und die Sterbetafeln, müssen so kalkuliert sein, dass die Finanzierung gesichert ist. Die Einzelheiten der Gegen­wert­be­rechnung nach den Sätzen 2 und 3 regeln die Zusatz­ver­sorgungs einrichtungen eigenständig. …

§ 2 Inkrafttreten

Dieser Tarifvertrag tritt mit Wirkung vom 1. Januar 2001 in Kraft. …"

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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