18.10.2024
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Dokument-Nr. 6123

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Urteil29.05.2008BundesgerichtshofIII ZR 59/07
Vorinstanzen:
  • Landgericht München I, Urteil25.07.2006, 6 O 16661/05
  • Oberlandesgericht München, Urteil22.01.2007, 17 U 4537/06
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil29.05.2008

Anleger eines Filmfonds muss im Prospekt erkennen können, welche Provisionen mit seinen Anteilen bezahlt werdenBundes­ge­richtshof entscheidet über Schaden­s­er­satz­ansprüche eines Anlegers in einen Filmfonds

Der Bundes­ge­richtshof hat über Schaden­s­er­satz­ansprüche eines Anlegers in einem Filmfonds entschieden. Er hat ausgeführt, dass der Prospekt eines Filmfonds darüber aufklären müsse, wenn ein bestimmtes Unternehmen, an dem ein Gesellschafter der Komplementärin maßgeblich beteiligt ist, in beachtlichem Umfang mit dem Eigen­ka­pi­ta­l­vertrieb zu besonderen Konditionen betraut wird. Eine im Treuhandvertrag enthaltene Verjäh­rungs­re­gelung für Schaden­s­er­satz­ansprüche von Anlegern ist unwirksam, wenn mit ihr eine unzulässige Freizeichnung von grobem Verschulden der Treuhand­kom­man­di­tistin verbunden ist.

Der Kläger beteiligte sich Ende 1999 über die Beklagte, eine Wirtschafts­prü­fungs­ge­sell­schaft, als Treuhand­kom­man­di­tistin an der CINERENTA Gesellschaft für internationale Filmproduktion mbH & Co. Dritte Medien­be­tei­ligungs KG in Höhe von 50.000 DM zuzüglich 5 % Agio. Zur Begrenzung des wirtschaft­lichen Risikos aus der Filmvermarktung war im Emissi­ons­prospekt vorgesehen, dass für einen Anteil von 80 % der Produk­ti­o­ns­kosten Ausfa­ll­ver­si­che­rungen abgeschlossen werden sollten. Nachdem Produktionen nicht den erwünschten wirtschaft­lichen Erfolg hatten, erwies sich der Versicherer, die New England International Surety Inc., nach Eintreten der Versi­che­rungsfälle als zahlungsunfähig. Der Kläger, der sich unter Berück­sich­tigung von Ausschüttungen von seiner Beteiligung lösen möchte, stützt seine Klage in der Revisi­ons­instanz nur noch auf die Behauptung, die Beklagte habe ihn unter Verletzung ihrer Pflichten als Treuhänderin nicht darüber unterrichtet, dass die Risiken im Zusammenhang mit dem Abschluss von Erlös­aus­fa­ll­ver­si­che­rungen nicht richtig dargstellt worden seien, und dass aufgrund einer besonderen Vereinbarung an ein Vertrie­bs­un­ter­nehmen eine Provision von 20 % gezahlt worden sei, obwohl für die Vermittlung des Eigenkapitals im Prospekt lediglich 7 % und das Agio von 5 % vorgesehen gewesen sei. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der III. Zivilsenat, bei dem Verfahren weiterer Anleger zu demselben Filmfonds anhängig sind, hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen.

In Übereinstimmung mit der Vorinstanz hat der III. Zivilsenat angenommen, dass die Beklagte nicht verpflichtet war, den Kläger über das Ausmaß der durch seine Beteiligung einzugehenden Risiken – über den Prospekt hinaus – gesondert aufzuklären. Er hat auch befunden, dass sich auf die krimi­na­l­po­li­zeiliche Niederschrift der Aussage eines inzwischen verstorbenen Zeugen allein nicht stützen lässt, dass es im Zeitpunkt der Zeichnung der Anlage nicht realistisch gewesen wäre, eine Erlös­aus­fa­ll­ver­si­cherung mit einem seriösen Versi­che­rungs­un­ter­nehmen abzuschließen.

Anders als das Berufungs­gericht hat es der III. Zivilsenat indes auf der Grundlage des im Revisi­ons­ver­fahren zu berück­sich­ti­genden Sachverhalts für möglich gehalten, dass die Beklagte den Kläger über besondere Vereinbarungen der Komplementärin mit einem bestimmten Vertrie­bs­un­ter­nehmen zu unterrichten hatte. Nach dem Vorbringen des Klägers erhielt dieses Unternehmen, an dem ein Gesellschafter beteiligt war, der auch Gesellschafter der Komplementärin der Fonds­ge­sell­schaft gewesen ist, für den Vertrieb eine Provision von 20 %, ohne dass sich dies aus dem Prospekt ergab. Das Berufungs­gericht hat diesen Vortrag für unerheblich gehalten, weil die Mittel, die nach dem Inves­ti­ti­o­nsplan für Produktionen vorgesehen gewesen seien, nicht geschmälert worden seien und weil die Komplementärin, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben Dritte habe heranziehen dürfen, befugt gewesen sei, die fraglichen Provisionen aus den ihr zustehenden Vergütungen zu bezahlen. Demgegenüber hat der Senat befunden, dass die Komplementärin auch im Bereich so genannter Weichkosten nicht ohne weiteres nach ihrem Belieben die für die Vergütung des Eigen­ka­pi­ta­l­ver­triebs vorgesehenen Mittel aufstocken und aus Budgets finanzieren darf, die für andere Aufgaben vorgesehen sind. Darüber hinaus müsse ein Prospekt darüber aufklären, wenn ein bestimmtes Unternehmen, an dem ein Gesellschafter der Komplementärin maßgeblich beteiligt sei, in beachtlichem Umfang mit dem Eigen­ka­pi­ta­l­vertrieb zu besonderen Konditionen betraut werde. Habe hiervon auch die Treuhand­kom­man­di­tistin Kenntnis, müsse sie den Anleger im Zusammenhang mit seinem Beitritt hierüber unterrichten. Der III. Zivilsenat hat auch entschieden, dass mögliche Ansprüche des Klägers nicht verjährt seien; die im Treuhandvertrag enthaltene Verjäh­rungs­re­gelung für Schaden­s­er­satz­ansprüche von Anlegern sei unwirksam, weil mit ihr eine unzulässige Freizeichnung von grobem Verschulden der Treuhand­kom­man­di­tistin verbunden sei.

Das Berufungs­gericht hat im weiteren Verfahren die notwendigen tatsächlichen Feststellungen zu treffen. Ob der Beklagten im Rahmen der Mittel­ver­wen­dungs­kon­trolle Fehler unterlaufen sind, ist nicht Gegenstand des Revisi­ons­ver­fahrens gewesen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 99/08 des BGH vom 29.05.2008

der Leitsatz

BGB §§ 276, 311 Abs. 2

a) Die Treuhand­kom­man­di­tistin eines Filmfonds, über die sich die Anleger als künftige Treugeber beteiligen wollen, hat diese bei Annahme ihres Vertrags­an­gebots über ihr bekannte regelwidrige Auffälligkeiten zu informieren, die sich so nicht aus der Lektüre des Emissi­ons­pro­spekts erschließen.

b) Sieht der Inves­ti­ti­o­nsplan im Gesell­schafts­vertrag der Fonds­ge­sell­schaft vor, dass - bezogen auf das Betei­li­gungs­kapital - bestimmte Prozentsätze für die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben vorgesehen sind, kann die mit der Geschäfts­führung betraute Komplementärin auch im Bereich so genannter Weichkosten nicht ohne weiteres nach ihrem Belieben die für die Vergütung des Eigen­ka­pi­ta­l­ver­triebs vorgesehenen Mittel aufstocken und aus Budgets finanzieren, die für andere Aufgaben vorgesehen sind.

c) Bestehen zwischen den Gesellschaftern der Komplementärin besondere Vereinbarungen über die Gewährung von Vertrie­b­spro­vi­sionen an ein Unternehmen, an dem einer der Gesellschafter der Komplementärin maßgeblich beteiligt ist und das von der Komplementärin in beachtlichem Umfang mit dem Eigen­ka­pi­ta­l­vertrieb betraut wird, ist eine solche Verflechtung mit den damit verbundenen Sondervorteilen im Prospekt darzustellen. Ist der Treuhand­kom­man­di­tistin ein solcher Vorgang bekannt, hat sie Anleger hiervon gleichfalls im Zusammenhang mit ihrem Beitritt zu unterrichten.

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