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18.01.2025  
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Dokument-Nr. 27975

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Urteil17.10.2019BundesgerichtshofIII ZR 42/19
Vorinstanzen:
  • Landgericht Bonn, Urteil08.11.2017, 16 O 41/16
  • Oberlandesgericht Köln, Urteil26.02.2019, 3 U 159/17
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil17.10.2019

Bei Verletzung einer Gerichts­stands­vereinbarung durch Klage vor einem US-amerikanischen Gericht besteht Anspruch auf SchadensersatzGerichts­stands­vereinbarung soll für die im internationalen Rechtsverkehr tätigen Vertrags­parteien Rechts­si­cherheit schaffen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass einem Vertragspartner ein Anspruch auf Ersatz der Kosten zustehen kann, die ihm entstanden sind, weil er entgegen der Vereinbarung eines ausschließ­lichen Gerichtsstands in Deutschland vor einem US-amerikanischen Gericht verklagt worden ist.

Die Parteien des zugrunde liegenden Verfahrens sind Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­un­ter­nehmen. Die Beklagte hat ihren Sitz in Bonn, die Klägerin ist in Washington D.C. ansässig. Sie sind durch ein "Internet Peering Agreement" verbunden, nach dem sie wechselseitig verpflichtet sind, den Datenverkehr der jeweils anderen Partei an sogenannten Peering-Punkten aufzunehmen, in ihrem Netzwerk an die darüber angeschlossenen Kunden weiter zu transportieren und dabei für die erforderliche Übertra­gungs­ka­pazität an den Peering-Punkten innerhalb ihrer Netzwerke zu sorgen. Der Vertrag enthält die Vereinbarung, dass deutsches Recht anwendbar und Gerichtsstand Bonn ist.

Klägerin erhebt Klage vor US-Gericht

Nachdem Bestrebungen der Klägerin, die (kostenlose) Aufstockung von Übertra­gungs­ka­pa­zitäten zu erreichen, erfolglos geblieben waren, erhob sie im Jahr 2016 Klage vor einem Bundesgericht (District Court) in den USA, mit der sie die Schaffung zusätzlicher Kapazitäten begehrte. Dieses Gericht wies die Klage aufgrund der Gerichts­s­tand­ver­ein­barung wegen fehlender Zuständigkeit ab. Eine Koste­n­er­stattung findet in den USA nach der "American Rule of Costs" grundsätzlich nicht statt. Der District Court ordnete eine solche auch nicht an.

Beklagte verlangt Erstattung der für Verteidigung entstandenen Kosten

Die Klägerin erhob nunmehr eine inhaltlich entsprechende Klage vor dem Landgericht Bonn. Mit der Widerklage verlangt die Beklagte Ersatz der ihr durch die Verteidigung gegen die Klage vor dem District Court entstandenen Kosten, die sie auf 196.118,03 USD beziffert.

Verfahrensgang

Das Landgericht wies die Klage ab und gab der Widerklage statt. Die Klägerin legte beschränkt auf die Widerklage Berufung ein. Auf diese wies das Oberlan­des­gericht die Widerklage ab.

BGH bejaht Anspruch auf Koste­n­er­stattung für zweck­ent­spre­chende Rechts­ver­tei­digung

Der Bundes­ge­richtshof hob auf die Revision der Beklagten das Urteil des Oberlan­des­ge­richts auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück. Die Vereinbarung des Gerichtsstands in Bonn und der Geltung deutschen Rechts ist dahin auszulegen, dass die Parteien verpflichtet sind, Klagen aus dem Vertrag nur in diesem Gerichtsstand zu erheben und widrigenfalls - jedenfalls soweit das angerufene Gericht, wie der District Court, seine Unzuständigkeit erkannt hat der anderen Partei die dadurch entstandenen Kosten der zweck­ent­spre­chenden Rechts­ver­tei­digung zu erstatten.

Zweck der Gerichts­s­tands­ver­ein­barung führt zu zwingendem Anspruch auf Koste­n­er­stattung

Mit einer solchen Vereinbarung haben die Parteien ihr Interesse zum Ausdruck gebracht, Rechtss­trei­tig­keiten sowohl in materiell-rechtlicher als auch in prozessualer Hinsicht planbar zu machen. Mit ihr wollen gerade die im internationalen Rechtsverkehr tätigen Vertrags­parteien Rechtssicherheit schaffen und (auch wirtschaftliche) Prozessrisiken berechenbar machen. Sie bezwecken mit der Festlegung auf einen konkreten Gerichtsort die Auswahl eines bestimmten Gerichtsstands und wollen insbesondere ein nachträgliches "forum shopping" durch eine Vertragspartei verhindern. Dieser Zweck, Streitigkeiten über die Zuständigkeit und damit auch unnötige Kosten für die Anrufung eines unzuständigen Gerichts zu vermeiden, kann, wenn er durch die Anrufung eines Gerichts unter Verstoß gegen die Vereinbarung konterkariert wird, nur dadurch verwirklicht werden, dass der dadurch belasteten Partei ein Anspruch auf Koste­n­er­stattung zugestanden wird. Mit der Vereinbarung deutschen Rechts insgesamt haben die Parteien zudem sowohl den aus § 280 Abs. 1 BGB folgenden allgemeinen Grundsatz anerkannt, dass eine Nichtbeachtung vertraglicher Pflichten, namentlich auch die pflichtwidrige Anrufung eines Gerichts, einen Ersatzanspruch begründen kann, als auch das Prinzip, dass eine in einem Zivil­rechtsstreit unterliegende Partei der anderen zur Erstattung der zur Rechts­ver­tei­digung erforderlichen Kosten verpflichtet ist. Dass nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs allein in der Inanspruchnahme eines staatlichen, gesetzlich geregelten Rechts­pfle­ge­ver­fahrens zur Durchsetzung vermeintlicher Rechte grundsätzlich keine zum Schadensersatz verpflichtende Vertrags­ver­letzung gesehen werden kann, steht dem nicht entgegen. Dieser Grundsatz schützt den verfas­sungs­rechtlich gewährleisteten freien Zugang zu staatlichen Gerichten. Dieser Zugang wird durch das Risiko der Pflicht zur Koste­n­er­stattung, das jeder Klageerhebung innewohnt, nicht in verfas­sungs­rechtlich bedenklicher Weise eingeschränkt.

Rückweisung der Sache an das Berufungs­gericht

Mit ihrer Klage vor dem Bundesgericht in den USA hat die Klägerin diese Verpflichtungen schuldhaft verletzt und sich daher schaden­s­er­satz­pflichtig gemacht. Da zur Erfor­der­lichkeit der Kosten, die der Beklagten durch die vorsorgliche Einlassung vor dem District Court auch zur Sache entstanden sind, noch Feststellungen erforderlich sind, konnte der Bundes­ge­richtshof in der Sache nicht abschließend entscheiden und hat die Sache daher an das Berufungs­gericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 280 Schadensersatz wegen Pflicht­ver­letzung

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuld­ver­hältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflicht­ver­letzung nicht zu vertreten hat.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online (pm/kg)

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