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Dokument-Nr. 35070

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Urteil15.05.2025BundesgerichtshofIII ZR 417/23
Vorinstanzen:
  • Landgericht Lübeck, Urteil06.10.2022, 5 O 27/21
  • Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil09.11.2023, 11 U 18/23
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil15.05.2025

Bundes­ge­richtshof hebt Urteil im Fall einer tödlichen Notruf-Panne aufBundes­ge­richtshof zur Amtshaftung bei Fehlern von Rettungs­lei­t­stellen in der Notfallrettung

Der Bundes­ge­richtshof hat ein Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlan­des­ge­richts um einen tragischen Fall rund um einen Rettungs­dien­steinsatz im Jahr 2017 aufgehoben. Er verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück. Der BGH kritisierte, dass bei der schwierigen Thematik kein Sachver­stän­di­gen­gut­achten eingeholt worden war.

Der Bundes­ge­richtshof hat sich mit einer Amtshaf­tungsklage wegen des Vorwurfs der fehlerhaften Handhabung eines Notrufs durch Rettungs­lei­t­stellen befasst. Der unter anderem für das Amtshaf­tungsrecht zuständige III. Zivilsenat hat entschieden, dass das Berufungs­gericht ein Sachver­stän­di­gen­gut­achten zu der Frage hätte einholen müssen, ob im konkreten Fall eine Indikation zur sofortigen Entsendung eines Notarztes bestand. Daher hat der Bundes­ge­richtshof das die Klage abweisende Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungs­gericht zurückverwiesen.

Sachverhalt

Die Kläger sind die Eltern und Erben eines am 14. Januar 2017 geborenen und am 12. Februar 2018 verstorbenen Kindes. Sie nehmen die beklagten Landkreise und kreisfreien Städte wegen Amtspflicht­ver­let­zungen im Zusammenhang mit einem Rettungs­dien­steinsatz auf Schmerzensgeld und Schadenersatz in Anspruch.

Die Kläger haben ihren Wohnsitz in einer Gemeinde im Kreis Nordwest­meck­lenburg. Die Beklagten zu 1 bis 3 und 5 sind umliegende Landkreise beziehungsweise kreisfreie Städte, wobei die Beklagten zu 1 bis 3 in Schleswig-Holstein gelegen sind, die Beklagten zu 4 und 5 in Mecklenburg-Vorpommern. Die zu 1 beklagte Hansestadt Lübeck unterhält eine eigene Rettungs­lei­t­stelle. Die zu 2 und 3 beklagten Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg betreiben eine gemeinsame Rettungs­lei­t­stelle in Bad Oldesloe, die Beklagten zu 4 und 5, der Kreis Nordwest­meck­lenburg und die Landes­hauptstadt Schwerin, in Schwerin. Zwischen der Beklagten zu 1 und dem Beklagten zu 4 bestand eine Vereinbarung über die Leistung von Hilfe durch die Beklagte zu 1 für bestimmte, im Zustän­dig­keits­bereich des Beklagten zu 4 liegende Ortschaften, zu denen auch die Gemeinde gehört, in der die Kläger wohnten. Nach dieser Vereinbarung hatte der Beklagte zu 4 die bei ihm eingehenden Notfa­ll­mel­dungen unmittelbar an die Leitstelle der Beklagten zu 1 weiterzuleiten, wenn geeignete Rettungsmittel des Beklagten zu 4 nicht zur Verfügung standen. Die Beklagte zu 1 hatte in diesem Fall Rettungs­fahrzeuge zu entsenden, sofern bei ihr entsprechende Kräfte verfügbar waren.

Einen Monat vor dem errechneten Geburtstermin des Kindes traten im Januar 2017 bei der Klägerin gegen 22.20 Uhr Schmerzen auf. Der Kläger rief daher um 22.36 Uhr bei der betreuenden Hebamme an, die ihm sagte, die Klägerin müsse sofort in ein Krankenhaus gebracht werden. Der Kläger verständigte daraufhin den Rettungsdienst. Das Gespräch ging um 22.41 Uhr in der Leitstelle Bad Oldesloe ein. Der Kläger teilte dem dortigen Disponenten mit, dass die Klägerin starke Schmerzen habe und laut Hebamme sofort in ein Krankenhaus gebracht werden müsse. Der Disponent leitete den Notruf um 22.47 Uhr an die Leitstelle Schwerin weiter. Deren Disponent wiederum leitete den Notruf mit der Erklärung an die Leitstelle Lübeck weiter, es gehe um Schmerzen in der Schwangerschaft. Auf die Einschätzung der Hebamme, die Klägerin müsse sofort in ein Krankenhaus gebracht werden, wies er die Leitstelle Lübeck nicht hin.

Der Disponent der Leitstelle Lübeck rief den Kläger an, der ihm mitteilte, dass es um Schmerzen in der Schwangerschaft gehe, ohne auf die Angaben der Hebamme hinzuweisen. Um 22.51 Uhr alarmierte der Disponent der Leitstelle Lübeck einen Rettungswagen, der um 22.53 Uhr ausrückte. Das Fahrzeug traf um 23.17 Uhr bei den Klägern ein. Die Anfahrt war aufgrund von Glatteis erschwert. Wegen eines Zusammenbruchs der Klägerin forderte die Besatzung des Rettungswagens um 23.18 Uhr einen Notarzt an, der um 23.30 Uhr bei den Klägern eintraf und um 23.33 Uhr den Transport der Klägerin in das Univer­si­täts­klinikum in Lübeck veranlasste. Die Klägerin traf dort um 23.49 Uhr ein. Kurz nach Mitternacht wurde das Kind durch Notsectio geboren. Bei der Entbindung wurde festgestellt, dass es zu einer vorzeitigen Plazen­ta­a­b­lösung gekommen war. Die Notsectio konnte einen erheblichen Gesund­heits­schaden aufgrund einer unzureichenden Sauer­stoff­zufuhr (hypoxisch-ischämische Encephalopathie) nicht mehr verhindern, an dessen Folgen das Kind am 12. Februar 2018 verstarb.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg gehabt. Das Berufungs­gericht hat gemeint, nach dem Indika­ti­o­ns­katalog der Bunde­s­ärz­te­kammer für den Notarzteinsatz habe das Meldebild nicht die sofortige Entsendung eines Notarztes zum Wohnort der Kläger indiziert. Die Weiterleitungen der Notfa­ll­mel­dungen zwischen den Rettungs­lei­t­stellen seien nicht zu beanstanden und nicht schadens­ver­ur­sachend. Mit der vom III. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.

Der III. Zivilsenat des Bundes­ge­richthofs hat auf die Revision der Kläger das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen.

Die Erwägungen, mit denen das Berufungs­gericht in Bezug auf das Verhalten der am Rettungs­dien­steinsatz beteiligten Leitstel­len­dis­po­nenten einen auf die Kläger übergangenen Amtshaf­tungs­an­spruch ihres Kindes gegen die Beklagten verneint hat, halten einer Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand. Das Berufungs­gericht hat zwar im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass dem vom Vorstand der Bunde­s­ärz­te­kammer als Handreichung für Disponenten in Notdienst­zen­tralen und Rettungs­lei­t­stellen beschlossenen Indika­ti­o­ns­katalog für den Notarzteinsatz maßgebliche Bedeutung für die Beurteilung der Frage zukommt, ob die Rettungs­lei­t­stelle die sofortige Entsendung eines Notarztes zu veranlassen hat. Verfah­rens­feh­lerhaft hat es jedoch zu der Frage, ob im konkreten Fall wegen des vom Kläger geschilderten Zustands der Klägerin eine Indikation zur sofortigen Entsendung eines Notarztes bestand, kein Sachver­stän­di­gen­gut­achten eingeholt. Gleiches gilt hinsichtlich der Behauptung der Kläger, der Disponent der Leitstelle Schwerin hätte aufgrund der ihm von der Leitstelle Bad Oldesloe mitgeteilten Informationen zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass die Beiziehung eines Notarztes notwendig sei.

Danach konnte das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurück­zu­ver­weisen, damit das Berufungs­gericht die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann. Für das weitere Verfahren hat der Senat darauf hingewiesen, dass sich das Berufungs­gericht, sofern es im wiederöffneten Berufungs­ver­fahren eine oder mehrere schuldhafte Amtspflicht­ver­let­zungen bejaht, mit deren Schaden­s­ur­säch­lichkeit für den Gesund­heits­schaden des Kindes zu befassen haben wird. Unter Fortführung seiner Rechtsprechung zur Verletzung besonderer Berufs- und Organi­sa­ti­o­ns­pflichten zum Schutz von Leben und Gesundheit hat er in diesem Zusammenhang entschieden, dass zu Gunsten des Geschädigten bei einer groben Vernach­läs­sigung von Amtspflichten in Bezug auf einen Rettungs­dien­steinsatz durch Disponenten einer Rettungs­lei­t­stelle eine Umkehr der regulären Beweislast in Betracht kommt. Die für den Disponenten haftende Körperschaft muss in einem solchen Fall regelmäßig die Nichtur­säch­lichkeit festgestellter Fehler beweisen, die allgemein als geeignet anzusehen sind, einen Schaden nach Art des eingetretenen herbeizuführen.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 839 Absatz 1 Satz 1 BGB

Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einen Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen.

Rettungs­dienst­gesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 9. Februar 2015

§ 4 Absatz 1 Satz 1

In der Notfallrettung muss im Bedarfsfall eine Ärztin oder ein Arzt eingesetzt werden.

Gesetz über die Notfallrettung und den Kranken­transport des Landes Schleswig-Holstein vom 29. November 1991

§ 3 Absatz 1 Satz 1

In der Notfallrettung muss im Bedarfsfall eine Notärztin oder ein Notarzt eingesetzt werden.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/pt)

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