Bundesgerichtshof Urteil03.11.2016
BGH: Patientin kann sich bei Kenntnis über Unterschriftserfordernis nicht auf fehlende Unterschrift auf Heil- und Kostenplan für zahnärztliche Leistung berufenPflicht zur Zahlung des Eigenanteils an zahnärztlicher Leistung
Nimmt eine gesetzlich krankenversicherte Patientin eine zahnärztliche Leistung in Anspruch, obwohl der zugrundeliegende Heil- und Kostenplan nicht von ihr unterschrieben ist, kann sie sich nicht auf die Formnichtigkeit des Plans berufen, wenn sie Kenntnis von dem Unterschriftserfordernis hatte. In diesem Fall muss sie den Eigenanteil an der Leistung zahlen. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nachdem sich eine gesetzlich krankenversicherte Patientin im September 2012 von einer Zahnarztpraxis über die verschiedenen Möglichkeiten einer zahnprothetischen Leistung beraten ließ, entschied sie sich für die teure Alternative, die einen von ihr zu leistenden Eigenanteil enthielt. Die Krankenversicherung genehmigte den Heil- und Kostenplan, so dass im November 2012 die Zahnbehandlung vorgenommen wurde. Die Patientin weigerte sich aber nachträglich den Eigenanteil zu leisten. Sie verwies darauf, dass der Heil- und Kostenplan von ihr nicht unterschrieben und damit der Plan unwirksam sei. Tatsächlich war der Plan von der Patientin nicht unterschrieben worden, was aufgrund eines Büroversehens von einem Praxismitarbeiter übersehen wurde. Die Praxisinhaberin klagte schließlich auf Zahlung des Eigenanteils.
Amtsgericht gibt Klage statt, Landgericht weist sie ab
Während das Amtsgericht Wuppertal der Klage stattgab, wies die das Landgericht Wuppertal ab. Es verwies darauf, dass gemäß § 2 Abs. 3 der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) über das zahnmedizinische Maß hinausgehende Leistungen und ihre Vergütung in einem Heil- und Kostenplan schriftlich vereinbart werden müssten. Daran fehle es hier, da der Plan nicht von der Beklagten unterschrieben wurde. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Revision ein.
Bundesgerichtshof bejaht Anspruch auf Eigenanteil
Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten der Klägerin und hob daher die Entscheidung des Landgerichts auf. Der Klägerin stehe der Anspruch auf den Eigenanteil zu. Zwar haben die Parteien keine wirksame Honorarvereinbarung getroffen, da der der Behandlung zugrunde liegende Heil- und Kostenplan nicht der Form des § 2 Abs. 3 GOZ genüge und deshalb unwirksam sei. Auf diese Formunwirksamkeit könne sich die Beklagte aber nicht berufen.
Vorliegen einer besonders schweren Treuepflichtverletzung
Der Beklagten sei nach Ansicht des Bundesgerichtshofs eine besonders schwere Treuepflichtverletzung anzulasten. Sie sei über die geplanten Leistungen und die voraussichtlich entstehenden Kosten umfassend aufgeklärt gewesen und habe sich bewusst für die teure Behandlungsalternative entschieden. Die Beklagte habe sich erstmals nach Abschluss der Behandlung und somit nach Erhalt sämtlicher Vorteile aus der zahnärztlichen Versorgung auf die Nichteinhaltung der Schriftform berufen. Dabei sie das Unterschriftserfordernis klar ersichtlich gewesen. Auf den Schutzzweck der Formvorschrift könne sie sich somit nicht berufen.
Keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von fehlender Unterschrift
Die Klägerin habe zudem auf die Formgültigkeit des Heil- und Kostenplans vertrauen dürfen, so der Bundesgerichtshof. Denn weder sei ihr oder einer ihrer Mitarbeiter die fehlende Unterschrift bekannt gewesen noch blieb dies infolge grober Fahrlässigkeit unerkannt.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 07.02.2019
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)