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Bundesgerichtshof Urteil15.11.2007

Allgemeine Geschäfts­be­din­gungen in Pay-TV-Verträgen: Klauseln sind teilweise unwirksamBGH stärkt Rechte von Premiere-Kunden

Der Bundes­ge­richtshof hat einige Klauseln der Geschäfts­be­din­gungen des Bezahl­fern­seh­sender "Premiere" aus verschiedenen Gründen für unwirksam erklärt. Unwirksam sind Klauseln, nach denen sich Premiere vorbehält das Programmangebot zu ändern oder die monatlichen Entgeltpreise zu erhöhen. Der BGH bemängelte u.a., dass den Klauseln das erforderliche Mindestmaß an Kalku­lier­barkeit und Transparenz fehle.

Die Beklagte, Premiere Fernsehen GmbH & Co. KG, bietet über einen so genannten Pay-TV-Sender bundesweit Bezahlfernsehen an. Ihre Kunden empfangen private Fernseh­pro­gramme im Abonnement gegen Entgelt; die Abonne­ment­pakete variieren nach Inhalt, Umfang und Laufzeit.

Der Kläger, der Bundesverband der Verbrau­cher­zen­tralen und Verbrau­cher­verbände, beanstandet unter anderem folgende von der Beklagten verwendete Klauseln:

"1.3… 2 Unabhängig davon behält sich Premiere vor, das Programmangebot, die einzelnen Kanäle, die Nutzung der einzelnen Kanäle sowie die Zusammensetzung der Programmpakete zum Vorteil der Abonnenten zu ergänzen, zu erweitern oder in sonstiger Weise zu verändern. …

3.61 Premiere kann die vom Abonnenten monatlich zu zahlenden Beträge erhöhen, wenn sich die Kosten für die Bereitstellung des Programms erhöhen. … 3 Der Abonnent ist berechtigt, den Vertrag auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Erhöhung zu kündigen, wenn die Erhöhung 5 % oder mehr des ursprünglichen Abonne­ment­preises ausmacht. …

6.51 Premiere behält sich vor, bei einer Änderung/Umstruk­tu­rierung des Programm­an­gebots die Abonne­ment­beiträge abweichend von Ziffer 3.6 zu ändern. 2 In diesem Fall ist (der Abonnent/)Premiere berechtigt, das Abonnement zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der geplanten Änderung schriftlich zu kündigen. 3 Stimmt der Abonnent der Leistung­s­än­derung zu, kann Premiere die Preisstruktur anpassen, ohne dass dies ein Kündigungsrecht des Abonnenten auslöst."

Der Bundes­ge­richtshof hat diese Klauseln als unwirksam angesehen.

Der weit gehende Vorbehalt zur Änderung des Programm­an­gebots (Nummer 1.3) sei bereits deshalb unzulässig, weil er sich nicht auf bestimmte und triftige Gründe beziehe. Die Beschränkung auf Program­m­än­de­rungen "zum Vorteil der Abonnenten" gewährleiste für den Kunden nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalku­lier­barkeit und Transparenz. Der Abonnent, der aus dem breiten Angebot der Beklagten ein seinen individuellen Wünschen und Bedürfnissen entsprechendes Programmpaket auswähle, könne bei Vertragsschluss nicht absehen, welche Program­m­än­de­rungen er nach Vertragsbeginn ohne seine Zustimmung hinzunehmen hätte. Für die Zumutbarkeit des Leistung­s­än­de­rungs­vor­behalts genüge es nicht, dass sich eine Program­m­än­derung für die Mehrheit der Abonnenten vorteilhaft auswirke.

Die Befugnis zur Preiserhöhung für den Fall der Erhöhung der Bereit­stel­lungs­kosten (Nummer 3.6) benachteiligt nach Auffassung des Bundes­ge­richtshofs die Abonnenten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Diese Preis­an­pas­sungs­klausel sei schon zu unbestimmt, weil sie ganz allgemein an eine Erhöhung der nicht näher umschriebenen Bereit­stel­lungs­kosten anknüpfe und weder die Voraussetzungen noch den Umfang einer Preiserhöhung näher regele. Für den Abonnenten sei deshalb weder vorhersehbar, in welchen Bereichen Kosten­än­de­rungen auftreten können, noch habe er eine realistische Möglichkeit, etwaige Preiserhöhungen anhand der Klausel auf ihre Berechtigung hin zu überprüfen. Die Unange­mes­senheit der Preis­an­pas­sungs­klausel werde nicht dadurch kompensiert, dass dem Abonnenten ein Kündigungsrecht für den Fall eingeräumt werde, dass die Preiserhöhung 5 % oder mehr des ursprünglichen Abonne­ment­preises ausmache. Wenn eine Konkretisierung der Anpas­sungs­maßstäbe wegen der Besonderheit der Vertrags­be­ziehung auf unüberwindbare Schwierigkeiten stoße, könne im Einzelfall ein angemessener Inter­es­se­n­aus­gleich dadurch erreicht werden, dass dem Vertragspartner ab einem bestimmten Umfang der Preissteigerung ein Kündigungsrecht eingeräumt werde. Einen solchen Ausnahmefall hielt der Bundes­ge­richtshof nicht für gegeben.

Der Vorbehalt zur Preisanpassung bei einer Änderung/Umstruk­tu­rierung des Programm­an­gebots (Nummer 6.5 Satz 1) bedeute für die Abonnenten ebenfalls eine unangemessene Benachteiligung. Diese Klausel erlaube eine einseitige Preisänderung durch die Beklagte, ohne dass der Abonnent aus der Formulierung der Klausel ersehen könne, in welchem Umfang Preiserhöhungen auf ihn zukommen könnten und nach welchen Maßstäben die Preise erhöht würden. Zudem mache die Bestimmung eine einseitige Preiserhöhung allein von einer Änderung oder Umstruk­tu­rierung des Programm­an­gebots abhängig und stelle damit Anlass und Ausmaß einer Preiserhöhung in das Belieben der Beklagten. Das den Abonnenten eingeräumte Kündigungsrecht (Nummer 6.5 Satz 2) schaffe schon deshalb keinen angemessenen Ausgleich, weil willkürliche Preisanhebungen nicht ausgeschlossen werden könnten. Das für diesen Fall im Gegenzuge auch der Beklagten eingeräumte Kündigungsrecht weiche von dem gesetzlichen Grundgedanken ab, wonach eine außer­or­dentliche Kündigung nur zulässig sei, wenn ein wichtiger Grund vorliege. Auch der Preis­än­de­rungs­vor­behalt unter Nummer 6.5 Satz 3 genügt nach Auffassung des Bundes­ge­richtshofs nicht den Anforderungen an eine zulässige Preis­an­pas­sungs­klausel, weil er nur an eine Zustimmung des Abonnenten zur Leistung­s­än­derung anknüpfe und kein Einverständnis mit der anschließenden Preisänderung erfordere.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 174/07 des BGH vom 15.11.2007

der Leitsatz

Folgende Klauseln in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen eines Unternehmens, das im Rahmen von Abonne­ment­ver­trägen Bezahlfernsehen anbietet, sind unwirksam:

a) Unabhängig davon behält sich die X GmbH & Co. KG vor, das Programmangebot, die einzelnen Kanäle, die Nutzung der einzelnen Kanäle sowie die Zusammensetzung der Programmpakete zum Vorteil der Abonnenten zu ergänzen, zu erweitern oder in sonstiger Weise zu verändern.

b) Die X GmbH Co. KG kann die vom Abonnenten monatlich zu zahlenden Beträge erhöhen, wenn sich die Kosten für die Bereitstellung des Programms erhöhen. Der Abonnent ist berechtigt, den Vertrag auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Erhöhung zu kündigen, wenn die Erhöhung 5 % oder mehr des ursprünglichen Abonne­ment­preises ausmacht.

c) Ab der Verlängerung gelten die Tarife für die jeweils verlängerte Laufzeit.

d) Die X GmbH & Co. KG behält sich vor, bei einer Änderung/Umstruk­tu­rierung des Programm­an­gebots die Abonne­ment­beiträge zu ändern. In diesem Fall ist … die X GmbH & Co. KG berechtigt, das Abonnement zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der geplanten Änderung schriftlich zu kündigen. Stimmt der Abonnent der Leistung­s­än­derung zu, kann die X GmbH & Co. KG die Preisstruktur anpassen, ohne dass dies ein Kündigungsrecht des Abonnenten auslöst."

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