18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 13870

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Urteil05.07.2012BundesgerichtshofIII ZR 240/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BerlinerAnwBl 2012, 262Zeitschrift: Berliner Anwaltsblatt (BerlinerAnwBl), Jahrgang: 2012, Seite: 262
  • DAR 2012, 572Zeitschrift: Deutsches Autorecht (DAR), Jahrgang: 2012, Seite: 572
  • DÖV 2012, 984Zeitschrift: Die Öffentliche Verwaltung (DÖV), Jahrgang: 2012, Seite: 984
  • MDR 2012, 1088Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2012, Seite: 1088
  • NVwZ-RR 2012, 831Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Rechtsprechungsreport (NVwZ-RR), Jahrgang: 2012, Seite: 831
  • NZV 2012, 533Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), Jahrgang: 2012, Seite: 533
  • VersR 2012, 1434Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 2012, Seite: 1434
  • VRS 2012, 271Verkehrsrechts-Sammlung (VRS), Band: 2012, Seite: 271
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Berlin, Urteil08.12.2010, 86 O 112/10
  • Kammergericht Berlin, Urteil30.09.2011, 9 U 11/11
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil05.07.2012

Verkehrs­sicherungs­pflicht: Stadt haftet für Sturz von Seniorin auf marodem, stark verwitterten, unebenen GehwegLand Berlin muss Bürgersteige auch bei beengten finanziellen Verhältnissen instand halten

Das Land Berlin muss für den Sturz einer Seniorin auf einem maroden Fußweg in Berlin-Pankow haften. Das Land habe seine Verkehrs­sicherungs­pflicht verletzt, stellte der Bundes­ge­richtshof fest und bestätigte damit die Urteile der Vorinstanzen, die der Frau Schmerzensgeld zugesprochen hatten. Das Argument der Stadt Berlin, angesichts der tiefen Löcher hätte jeder Fußgänger die Stolpergefahr erkennen müssen, ließ der BGH nicht gelten. Auch auf die leere Stadtkasse konnte sich Berlin nicht berufen.

Im zugrunde liegenden Fall klagte eine Seniorin, die am Vormittag des 24. September 2009 auf einem von ihr seit etlichen Jahren benutzten Überweg des Mittelstreifens der Neumannstraße an der Kreuzung zur Arnold-Zweig-Straße in Berlin-Pankow gestürzt war. Dieser vor dem 3. Oktober 1990 angelegte Weg bestand am Tage des Sturzes wie schon in den Jahren zuvor aus stark verwitterten und keine ebene Fläche mehr aufweisenden Betonplatten. Die letzte turnusmäßige Begehung durch einen Mitarbeiter des Bezirksamts des Beklagten hatte am 4. September 2009 stattgefunden. Am Unfalltag blieb die Klägerin, die festes Schuhwerk trug, mit einem Fuß in einem etwa 2 bis 2,5 cm tiefen Loch hängen und fiel zu Boden, wobei sie sich schwere Verletzungen im Gesicht, Prellungen im Arm- und Brustbereich sowie eine Verstauchung des rechten Handgelenks zuzog.

Das Landgericht Berlin hat der Klage im Wesentlichen - unter Berück­sich­tigung eines Mitver­schul­den­santeils der Klägerin von 10 % - stattgegeben. Die Berufung des Beklagten vor dem Kammergericht Berlin hat keinen Erfolg gehabt.

BGH bestätigt Urteile der Vorinstanzen - BGH sieht Amtspflicht­ver­letzung

Der Bundes­ge­richtshof bestätigte die Entscheidung des Kammergerichts. Der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz wegen schuldhafter Amtspflichtverletzung (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG) zu, entschied der Bundes­ge­richtshof.

Land Berlin muss Verkehrs­si­cherheit der öffentlichen Straßen überwachen

Nach § 7 Abs. 6 Satz 1 des Berliner Straßengesetzes (BerlStrG) vom 13. Juli 1999 (GVBl. S. 380) wird unter anderem die Überwachung der Verkehrs­si­cherheit der öffentlichen Straßen vom Land Berlin als eine Pflicht des öffentlichen Rechts wahrgenommen. § 7 Abs. 6 Satz 2 BerlStrG bestimmt, dass dazu die Sorge dafür gehört, dass die öffentlichen Straßen in der Baulast Berlins den in § 7 Abs. 2 bis 5 BerlStrG formulierten Anforderungen entsprechen. Danach sind die öffentlichen Straßen im Rahmen der Leistungs­fä­higkeit des Landes Berlin so zu unterhalten, dass sie dem regelmäßigen Verkehrs­be­dürfnis genügen (§ 7 Abs. 2 Satz 2 BerlStrG). Dabei sind auch die Belange der im Straßenverkehr besonders gefährdeten Personen sowie von Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen (§ 7 Abs. 2 Satz 3 BerlStrG). Im Falle eines nicht verkehrs­si­cheren Zustands ist zu veranlassen, dass bis zur Wieder­her­stellung eines verkehrs­si­cheren Zustands eine Gefährdung der Verkehrs­teil­nehmer durch Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehr­s­ein­rich­tungen ausgeschlossen ist (§ 7 Abs. 2 Satz 4 BerlStrG). Im Übrigen ist für eine alsbaldige Wieder­her­stellung des verkehrs­si­cheren Zustands der Straße zu sorgen (§ 7 Abs. 2 Satz 5 BerlStrG). Unter den Begriff der öffentlichen Straße fallen dabei nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b BerlStrG unter anderem auch die Gehwege.

Ohne Rechtsfehler habe das Kammergericht Berlin nach Maßgabe dieser gesetzlichen Regelung eine schuldhafte Amtspflicht­ver­letzung festgestellt, führte der Bundes­ge­richtshof aus. Zu Unrecht beruft sich der Beklagte darauf, dass eine Pflicht­ver­letzung angesichts der Erkennbarkeit der Gefahrenlage ausscheide.

Hierauf komme es nach der konkreten landes­recht­lichen Regelung nicht an, meinte der Bundes­ge­richtshof. Hierbei kann dahinstehen, ob es einer Warnung der Verkehrs­teil­nehmer durch entsprechende Verkehrs­schilder im Rahmen des § 7 Abs. 2 Satz 4 BerlStrG nicht bedurfte, weil sich der Überweg, wie im angefochtenen Urteil ausgeführt, in einem "quasi vor sich selbst warnenden Zustand befand". Der Beklagte hat jedenfalls gegen die ihm ausdrücklich auferlegte und über die Verweisung in § 7 Abs. 6 Satz 2 BerlStrG zum Inhalt seiner Straßen­ver­kehrs­si­che­rungs­pflicht gemachte Verpflichtung verstoßen, für eine alsbaldige Wieder­her­stellung der Verkehrs­si­cherheit des Gehwegs zu sorgen (§ 7 Abs. 2 Satz 5 BerlStrG).

Klägerin musste auch nicht auf Grünstreifen ausweichen

Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand des Beklagten, das Berufungs­gericht habe nicht berücksichtigt, dass die Klägerin, statt den schadhaften Überweg zu benutzen, auf die daneben befindliche Grünfläche hätte ausweichen können. Denn der Verkehrs­si­che­rungs­pflichtige kann Verkehrs­teil­nehmern grundsätzlich nicht entgegenhalten, sie hätten gefährliche Stellen meiden müssen. Damit würde er die ihn treffende Verantwortung unzulässig auf den Verkehrs­teil­nehmer abwälzen.

Fehlende finanzielle Leistungs­fä­higkeit ist kein Argument

Fehl geht auch der pauschale Hinweis der Revision auf die beengten finanziellen Verhältnisse des Beklagten. Das Berufungs­gericht hat festgestellt, dass der Beklagte nicht einmal ansatzweise dargelegt habe, dass ihm eine Instandsetzung des desolaten Überwegs aus Gründen fehlender finanzieller Leistungs­fä­higkeit über Jahre hinweg unmöglich gewesen sei.

Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof (vt/pt)

der Leitsatz

BGB § 839; BerlStrG § 7

Zur Amtshaftung des Landes Berlin wegen der Verletzung der Verkehrs­si­che­rungs­pflicht für einen seit Jahren in einem "desolaten" Zustand befindlichen Gehweg.

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