18.10.2024
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Bundesgerichtshof Urteil17.02.2011

Anlage­ver­mittler haften für ihre Arbeit: Pflicht zur Plausi­bi­li­täts­prüfung von BerechnungenAnlage­ver­mittler müssen angebotene Immobilienfonds auf Wirtschaft­lichkeit überprüfen und Kunden auf Fehler hinweisen

Anlage­ver­mittler schulden ihren Kunden eine richtige und vollständige Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für deren Anlage­ent­schluss von besonderer Bedeutung sind. Hierbei muss ein Vermittler ein Anlagekonzept, bezüglich dessen er Auskunft erteilt, wenigstens auf Plausibilität hin überprüfen. Ansonsten kann er keine sachgerechten Auskünfte erteilen. Unterlässt er diese Prüfung, hat er den Interessenten darauf hinzuweisen. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

Der BGH führte weiter aus, dass ein Vermittler, der eine Anlage anhand eines Prospekts vertreibe, im Rahmen der geschuldeten Plausi­bi­li­täts­prüfung den Prospekt darauf kontrollieren müsse, ob dieser ein in sich schlüssiges Gesamtbild über das Betei­li­gungs­objekt gebe und ob die darin enthaltenen Informationen, soweit das mit zumutbarem Aufwand überprüfbar sei, sachlich vollständig und richtig seien. Dies beziehe sich auch auf Modell-Berechnungen des Fonds-Initiators, die der Vermittler bei seinem Vermitt­lungs­ge­spräch verwende.

Keine unverbindliche Beratung: Anlage­ver­mittler kann nicht pauschal jede Haftung ausschließen

In dem zu entscheidenden Fall hatten sich die Kunden eines Anlage­ver­mittlers für eine für sie ungünstige Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds entschieden. Später stellte sich heraus, dass sie mit ihrer Beteiligung ein Verlustgeschäft gemacht hatten. Der Vermittler verteidigte sich jedoch mit dem Argument, dass in den verwendeten Modell-Berechnungen der Hinweis enthalten sei, dass es sich um geschätzte Werte handele, die von der wirtschaft­lichen Entwicklung abhingen, also nicht garantiert werden könnten. Der Fonds-Initiator habe deshalb "eine Haftung für diese unverbindliche Beratung ausgeschlossen".

Vermittler muss Zahlen, die er zur Verkaufs­för­derung verwendet, auf Plausibilität hin überprüfen

Die Richter des Bundes­ge­richtshofs hingegen befanden, dass dies einer Verant­wort­lichkeit des Vermittlers nicht entgegenstehe. Denn der Progno­se­cha­rakter der Berechnungen führe nicht dazu, dass er, der die betreffenden Zahlen gerade zur Verkaufs­för­derung zum Gegenstand seines Vermitt­lungs­ge­sprächs gemacht habe, keine Plausi­bi­li­täts­prüfung hätte durchführen und auf erkennbare Fehler der Berechnung nicht hätte hinweisen müssen.

Modell­rech­nungen müssen zumindest vertretbar sein

Ein Kunde müsse sich nämlich zumindest darauf verlassen können, dass die in einem Prospekt oder in einer für ihn erstellten Modell-Berechnung enthaltenen Prognosen bzw. angenommenen Wertstei­ge­rungen nicht aus der Luft gegriffen, sondern "vertretbar" seien. Nicht vertretbar sei aber eine Berechnung, bei der die prognostizierte Entwicklung des Anteilswerts deshalb deutlich zu hoch angesetzt sei, weil - unausgesprochen - die Berechnung mit einem falschen Ausgangswert durchgeführt werde.

Modellrechnung legte weder wahren Immobilienwert noch versteckte Kosten für Provisionen offen

Die falsch beratenen Kunden des Anlagen­ver­mittlers haben nach dem BGH-Urteil Anspruch auf Ersatz der ihnen entstandenen Schäden. So hatten die Kunden im zu entscheidenden Fall einen Darle­hens­vertrag mit entsprechenden Zinslasten abgeschlossen. Sie hatten sich mit 75.000 DM an dem Fond beteiligt. Später stellte sich jedoch entgegen der vom Vermittler vorgestellten Berechnung heraus, dass der tatsächliche Anteilswert deutlich unter diesem Betrag lag. Denn rund 20 % der eingezahlten Summe wurden nicht für den Ankauf der Immobilien, sondern für sonstige Dienst­leis­tungen verwendet. Allein für Provisionen wurden rund 12 % des Geldes genutzt. All dies war in der Berechnung nicht offen gelegt worden.

Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof (vt/we)

der Leitsatz

§ 675 BGB

Ein Anlage­ver­mittler, der gegenüber seinem Kunden die Wirtschaft­lichkeit eines Immobilienfonds anhand einer ihm von der Fonds­i­n­i­ti­atorin zur Verfügung gestellten persönlichen Modell-Berechnung erläutert, ist verpflichtet, diese Berechnung einer Plausi­bi­li­täts­prüfung zu unterziehen und den Kunden auf erkennbare Fehler hinzuweisen.

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