Der BGH führte weiter aus, dass ein Vermittler, der eine Anlage anhand eines Prospekts vertreibe, im Rahmen der geschuldeten Plausibilitätsprüfung den Prospekt darauf kontrollieren müsse, ob dieser ein in sich schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gebe und ob die darin enthaltenen Informationen, soweit das mit zumutbarem Aufwand überprüfbar sei, sachlich vollständig und richtig seien. Dies beziehe sich auch auf Modell-Berechnungen des Fonds-Initiators, die der Vermittler bei seinem Vermittlungsgespräch verwende.
In dem zu entscheidenden Fall hatten sich die Kunden eines Anlagevermittlers für eine für sie ungünstige Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds entschieden. Später stellte sich heraus, dass sie mit ihrer Beteiligung ein Verlustgeschäft gemacht hatten. Der Vermittler verteidigte sich jedoch mit dem Argument, dass in den verwendeten Modell-Berechnungen der Hinweis enthalten sei, dass es sich um geschätzte Werte handele, die von der wirtschaftlichen Entwicklung abhingen, also nicht garantiert werden könnten. Der Fonds-Initiator habe deshalb "eine Haftung für diese unverbindliche Beratung ausgeschlossen".
Die Richter des Bundesgerichtshofs hingegen befanden, dass dies einer Verantwortlichkeit des Vermittlers nicht entgegenstehe. Denn der Prognosecharakter der Berechnungen führe nicht dazu, dass er, der die betreffenden Zahlen gerade zur Verkaufsförderung zum Gegenstand seines Vermittlungsgesprächs gemacht habe, keine Plausibilitätsprüfung hätte durchführen und auf erkennbare Fehler der Berechnung nicht hätte hinweisen müssen.
Ein Kunde müsse sich nämlich zumindest darauf verlassen können, dass die in einem Prospekt oder in einer für ihn erstellten Modell-Berechnung enthaltenen Prognosen bzw. angenommenen Wertsteigerungen nicht aus der Luft gegriffen, sondern "vertretbar" seien. Nicht vertretbar sei aber eine Berechnung, bei der die prognostizierte Entwicklung des Anteilswerts deshalb deutlich zu hoch angesetzt sei, weil - unausgesprochen - die Berechnung mit einem falschen Ausgangswert durchgeführt werde.
Die falsch beratenen Kunden des Anlagenvermittlers haben nach dem BGH-Urteil Anspruch auf Ersatz der ihnen entstandenen Schäden. So hatten die Kunden im zu entscheidenden Fall einen Darlehensvertrag mit entsprechenden Zinslasten abgeschlossen. Sie hatten sich mit 75.000 DM an dem Fond beteiligt. Später stellte sich jedoch entgegen der vom Vermittler vorgestellten Berechnung heraus, dass der tatsächliche Anteilswert deutlich unter diesem Betrag lag. Denn rund 20 % der eingezahlten Summe wurden nicht für den Ankauf der Immobilien, sondern für sonstige Dienstleistungen verwendet. Allein für Provisionen wurden rund 12 % des Geldes genutzt. All dies war in der Berechnung nicht offen gelegt worden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 27.06.2011
Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof (vt/we)