23.11.2024
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Sie sehen Geld, auf dem das Wort „Insolvenz“ arrangiert wurde.

Dokument-Nr. 2333

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Urteil08.05.2006BundesgerichtshofII ZR 94/05
Vorinstanzen:
  • Landgericht München I, Urteil18.12.2003, 12 O 13994/02
  • Oberlandesgericht München, Urteil18.01.2005, 18 U 1887/04
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil08.05.2006

BGH weist Sportgate-Verfahren um Boris Becker an das OLG München zurückInsol­venz­ver­walter der Sportgate AG fordert 1,5 Mio. EUR von Becker

Der Bundes­ge­richtshof hatte darüber zu entscheiden, ob die Gläubiger der insolventen Sportgate AG doch noch auf mehr vertei­lungs­fähige Masse hoffen dürfen.

Der Kläger ist Insol­venz­ver­walter über das Vermögen der Sportgate AG. Zu ihren Gründern gehört u. a. der beklagte Unternehmer Boris Becker, der 5 % des Grundkapitals der Gesellschaft gezeichnet hatte. Über das Vermögen der am 23. März 2001 ins Handelsregister eingetragenen Schuldnerin wurde am 1. August 2001 das Insol­venz­ver­fahren eröffnet.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung von 1,5 Millionen Euro aus einer Erklärung in Anspruch, die dieser kurz nach Gründung der Schuldnerin abgegeben hat. Diese Erklärung, die der Beklagte nach einem Gespräch mit einem Aufsichts­rats­mitglied der Schuldnerin und der Vertreterin eines anderen Gründungs­ge­sell­schafters an einer Bar in einem Washingtoner Hotel unterschrieben hat und die nach den Angaben des Beklagten – obwohl deutsches Recht Anwendung finden soll - deshalb in englischer Sprache verfasst ist, weil die Hotel­an­ge­stellte, die den Text auf Anweisung geschrieben hat, nur der englischen Sprache mächtig gewesen ist, hat folgenden Wortlaut (deutsche von dem Kläger im Prozess vorgelegte Übersetzung):

„An diejenigen, die es angeht:

Ich verpflichte mich hiermit gegenüber der Sportgate AG i.G. sowohl unverzüglich jegliche Verluste, die während des Geschäftsganges eintreten, bis zu einer Summe von 1,5 Millionen Euro mittels geeigneter Maßnahmen auszugleichen, als auch die Versorgung der Gesellschaft in dieser Zeit mit flüssigen Mitteln sicher zu stellen, so dass die Gesellschaft jederzeit ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen kann…“

Das Landgericht hat zugunsten des Klägers unterstellt, dass der Beklagte diese Erklärung gegenüber der Schuldnerin abgegeben hat und der Schuldnerin aus dieser - nach Ansicht des Landgerichts eine einheitliche Verpflichtung enthaltenden - Erklärung ein Erfül­lungs­an­spruch zugestanden hätte. Es hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, mit der Eröffnung des Insol­venz­ver­fahrens sei der Erfül­lungs­an­spruch untergegangen.

Das Berufungs­gericht - das die Berufung zunächst durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO hat zurückweisen wollen - hat durch sein Urteil die Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis bestätigt und die Revision nicht zugelassen. Es hat angenommen, der Zahlungs­an­spruch des Klägers bestehe schon deswegen nicht, weil die Erklärung formunwirksam und nichtig sei. Bei dem Versprechen des Beklagten, Verluste der Schuldnerin auszugleichen, handele es sich um eine schenkweise, nach dem hier anwendbaren deutschen Recht notariell zu beurkundende Verpflichtung (§§ 125 S. 1, 518 Abs. 1 S. 2 BGB).

Der II. Zivilsenat hat auf die Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde des Klägers die Revision zugelassen und heute das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des Berufungs­ge­richts zurückverwiesen.

Die Ansicht des Berufungs­gericht, es handele sich bei der Erklärung des beklagten Gründungs­ge­sell­schafters und Aktionärs Boris Becker, deren Abgabe gegenüber der Schuldnerin das Berufungs­gericht zugunsten des Klägers unterstellt hat, um eine mangels Gegenleistung schenkweise eingegangene und deshalb formunwirksame Verpflichtung, beruht unter anderem auf einer grundlegenden Verkennung der Rechtsnatur von Finan­zie­rungs­ver­ein­ba­rungen zwischen Gesellschaftern und ihrer Gesellschaft. Diese werden in aller Regel im Hinblick auf die Mitgliedschaft in der Gesellschaft und allein schon wegen dieser kausalen Verknüpfung nicht „unentgeltlich“ abgegeben. Die Erklärung ist deshalb formlos gültig.

Der Senat hat das Berufungsurteil auch nicht mit der Begründung des Landgerichts aufrecht­er­halten. Ob dessen Ansicht bei einer einheitlichen, auf die Ausstattung der Schuldnerin mit Liquidität gerichteten Verpflich­tungs­er­klärung zutreffend wäre, konnte der Senat dahinstehen lassen. Denn die Erklärung des Beklagten besteht aus zwei Teilen und der Kläger stützt die Klage nicht auf die in der Erklärung – auch – enthaltene Ausstat­tungs­ver­pflichtung, sondern allein auf die Erklärung des Beklagten „unverzüglich jegliche Verluste, die während des Geschäftsgangs eintreten, bis zu einer Summe von 1,5 Millionen Euro mittels geeigneter Maßnahmen auszugleichen“. Die zuletzt genannte Verpflichtung wird durch die Eröffnung eines Insol­venz­ver­fahrens nicht unerfüllbar; dass sie auf die Zeit vor Eröffnung eines Insol­venz­ver­fahrens beschränkt sein sollte, ist nach dem bisherigen Vortrag nicht ersichtlich.

In dem nach Zurück­ver­weisung wieder eröffneten Berufungs­ver­fahren wird sich ein anderer Senat des Berufungs­ge­richts nunmehr - erstmals – mit dem umfänglichen, in vielen entschei­dungs­er­heb­lichen Fragen streitigen Sachvortrag der Parteien ausein­an­der­setzen müssen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 69/06 des BGH vom 08.05.2006

der Leitsatz

BGB § 518 Abs. 1 Satz 2

a) Erklärt ein Gesellschafter gegenüber seiner Gesellschaft, er werde alle ihr (hier: während der Gründung) entstehenden Verluste ausgleichen, handelt es sich nicht um eine unentgeltliche, notariell zu beurkundende, sondern causa societatis eingegangene Verpflichtung.

b) Fällt die Gesellschaft später in die Insolvenz, hat der Gesellschafter diese mit dem Insol­ven­zeintritt nicht hinfällig gewordene Verpflichtung zu erfüllen, sofern die Beteiligten nicht etwas Gegenteiliges vereinbart haben.

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