15.11.2024
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Sie sehen Geld, auf dem das Wort „Insolvenz“ arrangiert wurde.

Dokument-Nr. 6008

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Urteil05.05.2008BundesgerichtshofII ZR 38/07
Vorinstanzen:
  • Landgericht Bautzen, Urteil03.03.2006, 3 O 379/05
  • Oberlandesgericht Dresden, Urteil28.06.2006, 12 U 81/06
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil05.05.2008

BGH zur Einschränkung der Geschäfts­füh­rer­haftung bei Zahlungen nach Insolvenzreife

Der Kläger ist Insol­venz­ver­walter einer GmbH. Er nimmt den Beklagten als ehemaligen Geschäftsführer auf Erstattung von Zahlungen in Anspruch, die dieser vor Eröffnung des Insol­venz­ver­fahrens, aber nach Eintritt der Insolvenzreife veranlasst hat.

Die Gesellschaft war Teil eines Konzerns. Nachdem dieser in eine wirtschaftliche Schieflage geraten war, ließen die anderen Konzern­ge­sell­schaften an sie gerichtete Zahlungen in Höhe von mehr als 500.000 € auf das Geschäftskonto der GmbH überweisen, um eine Vereinnahmung der Gelder durch ihre Hausbanken zu verhindern. Von diesem Geschäftskonto ließ der Beklagte insgesamt 329.980 € an Gläubiger der anderen Gesellschaften auszahlen. An demselben Tag beantragte er für diese Gesellschaften, deren Geschäftsführer er ebenfalls war, die Eröffnung der Insol­venz­ver­fahren. Kurz darauf stellte er auch für die GmbH einen Insolvenzantrag. Das Berufungs­gericht hat der Klage auf Erstattung der 329.980 € im Wesentlichen stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten.

Der für das Gesell­schaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat der Revision stattgegeben und die Klage abgewiesen. Zentrales Problem des Falles war die Frage, ob die Pflicht des Geschäfts­führers zur Massesicherung nach § 64 Abs. 2 GmbHG auch dann eingreift, wenn er nach Insolvenzreife der eigenen Gesellschaft Gelder auszahlt, die der Gesellschaft lediglich treuhänderisch von anderen Konzern­ge­sell­schaften überlassen worden sind. Der Senat hat angenommen, dass grundsätzlich auch diese Gelder unter den Schutz des § 64 Abs. 2 GmbHG fallen, weil sie in der Insolvenz nicht von den anderen Gesellschaften herausverlangt werden können, sondern endgültig in die Insolvenzmasse fallen und damit zur gleichmäßigen Befriedigung aller Gesell­schafts­gläubiger zu verwenden sind. Ob das anders ist, wenn die Gelder auf gesonderten Treuhandkonten verwaltet werden, konnte der Senat offen lassen, da solche Treuhandkonten hier nicht eingerichtet waren.

Der Senat hat aber angenommen, dass der Beklagte durch die Zahlungen dennoch nicht ersatzpflichtig geworden sei, weil er in der konkreten Situation mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns i. S. des § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG gehandelt habe. Dafür war ausschlaggebend, dass der Beklagte zu den anderen Konzern­ge­sell­schaften ein besonderes Treueverhältnis begründet hatte, indem er die allein diesen Gesellschaften zustehenden Gelder zu dem Zweck entge­gen­ge­nommen hatte, damit deren Schulden zu begleichen. Er war einerseits gehalten, die Gelder für die Insolvenzmasse der GmbH zu sichern, andererseits musste er aufgrund des Treue­ver­hält­nisses zu den anderen Gesellschaften die Gelder an deren Gläubiger auszahlen. Diese Pflich­ten­kol­lision hat der Senat mit dem Fall verglichen, dass ein Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife Arbeit­neh­me­r­anteile zur Sozia­l­ver­si­cherung unter Verstoß gegen § 64 Abs. 2 GmbHG zahlt, um sich nicht straf­recht­licher Verfolgung nach § 266 a StGB auszusetzen. Wie in diesem Fall hat er auch im vorliegenden Fall angenommen, der Geschäftsführer handle nicht sorgfaltswidrig, wenn er in einer derartigen Pflich­ten­kol­lision die Gelder auszahle.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 91/08 des BGH vom 05.05.2008

der Leitsatz

§ 64 Abs. 2 GmbHG

Der Geschäftsführer einer GmbH verletzt seine Masse­si­che­rungs­pflicht aus § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG auch dann, wenn er mit Geldern, die von anderen Konzern­ge­sell­schaften auf das Geschäftskonto der GmbH gezahlt worden sind, Schulden dieser Gesellschaften begleicht; seine Haftung ist aber nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG ausgeschlossen, weil er bei den Auszahlungen angesichts des Zusam­men­treffens der Masse­si­che­rungs­pflicht mit der - durch § 266 StGB strafbewehrten - Pflicht zur weisungsgemäßen Verwendung der fremden Gelder mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns gehandelt hat.

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