15.11.2024
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Dokument-Nr. 17206

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Urteil19.11.2013BundesgerichtshofII ZR 320/12 und II ZR 383/12
Vorinstanzen zu II ZR 320/12 :
  • Landgericht München I, Urteil23.03.2012, 35 O 15133/11
  • Oberlandesgericht München, Beschluss19.09.2012, 7 U 2261/12
Vorinstanzen zu II ZR 383/12:
  • Landgericht München I, Urteil30.04.2012, 28 O 18923/11
  • Oberlandesgericht München, Urteil28.11.2012, 20 U 2232/12
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Bundesgerichtshof Urteil19.11.2013

BGH zur Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft bei mehrgliedriger stiller GesellschaftZustehender Abfin­dungs­an­spruch eines geschädigten Anlegers darf gleichmäßige Befriedigung etwaiger Abfin­dungs­ansprüche übriger stiller Gesellschafter nicht gefährden

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass bei einer so genannten mehrgliedrigen stillen Gesellschaft die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass ein stiller Gesellschafter von dem Geschäfts­inhaber Ersatz von Vermö­gens­schäden, die ihm im Zusammenhang mit seinem Beitritt zur Gesellschaft entstanden sind, unter Anrechnung des ihm bei Beendigung seines (fehlerhaften) Gesellschafts­verhältnisses gegebenenfalls zustehenden Abfin­dungs­an­spruchs verlangen kann, wenn dadurch die gleichmäßige Befriedigung etwaiger Abfindungs- oder Aus­einander­setzungs­ansprüche der übrigen stillen Gesellschafter nicht gefährdet ist.

Die Kläger des zugrunde liegende Falls haben sich neben einer Vielzahl anderer Anleger als atypisch stille Gesellschafter an der in beiden Verfahren verklagten Aktien­ge­sell­schaft beteiligt, die im Leasinggeschäft tätig ist. Sie begehren unter Berufung auf eine fehlerhafte Aufklärung im Zusammenhang mit ihren Beitritts­er­klä­rungen in erster Linie im Wege des Schaden­s­er­satzes die Rückzahlung ihrer Einlagen.

Vorinstanzen weisen Klagen ab

Die Vorinstanzen haben die Klagen mit der Begründung abgewiesen, im vorliegenden Fall handele es sich um eine Publi­kums­ge­sell­schaft in Form einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft, auf welche die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft anwendbar seien. Danach sei es einem Gesellschafter verwehrt, gegen die in Vollzug gesetzte Gesellschaft im Wege des Schaden­s­er­satzes einen Anspruch auf Rückabwicklung der Beteiligung und Rückzahlung der geleisteten Einlage geltend zu machen.

BGH weist Verfahren zurück an Berufungs­ge­richte

Der Bundes­ge­richtshof hat die angefochtenen Entscheidungen auf die Revisionen der Kläger aufgehoben und die Verfahren an die Berufungs­ge­richte zurückverwiesen. Die Vorinstanzen haben zwar zu Recht angenommen, dass zwischen der Beklagten und allen stillen Gesellschaftern eine so genannte mehrgliedrige stille Gesellschaft begründet worden ist, bei der nicht lediglich eine Vielzahl voneinander unabhängiger, bloß zweigliedriger stiller Gesell­schafts­ver­hältnisse zwischen den jeweiligen Anlegern und der Beklagten, sondern ein einheitliches Gesell­schafts­ver­hältnis zwischen allen Beteiligten besteht. Auf eine solche Gestaltung sind, wovon die Vorinstanzen im Ausgangspunkt gleichfalls zu Recht ausgegangen sind, nach Involl­zug­setzung der Gesellschaft wegen des schutzwürdigen Bestand­s­in­teresses der Beteiligten die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft anzuwenden.

Fehlerhaft beigetretener Anleger kann Gesellschaft unter Berufung auf Vertragsmangel beenden Anspruch auf Abfin­dungs­guthaben geltend machen

Das schließt entgegen der Auffassung der Vorinstanzen einen Schaden­s­er­satz­an­spruch eines fehlerhaft beigetretenen Anlegers jedoch nicht von vornherein aus. Wegen der durch die tatsächliche Involl­zug­setzung der fehlerhaften Gesellschaft bewirkten gesell­schafts­recht­lichen Bindung kann zwar im Wege des Schaden­s­er­satzes nicht die Rückabwicklung der Beteiligung verlangt werden. Der fehlerhaft beigetretene Anleger kann aber die Gesellschaft unter Berufung auf den Vertragsmangel durch sofort wirksame Kündigung mit der Folge beenden, dass ihm ein nach den gesell­schafts­ver­trag­lichen Regeln zu berechnender Anspruch auf ein Abfin­dungs­guthaben zusteht.

Etwaige Ansprüche anderer stiller Gesellschafter dürfen durch Forderungen des geschädigten Anlegers nicht gefährdet werden

Soweit dem geschädigten Anleger unter Berück­sich­tigung seines (etwaigen) Abfin­dungs­gut­habens ein Anspruch auf Ersatz eines weitergehenden Schadens verbleibt, ist er, um die gleichmäßige Befriedigung der Abfindungs- und Ausein­an­der­set­zungs­ansprüche der übrigen stillen Gesellschafter nicht zu gefährden, an dessen Durchsetzung nur gehindert, wenn und soweit das Vermögen des Geschäfts­in­habers zur Befriedigung der (hypothetischen) Abfindungs- oder Ausein­an­der­set­zungs­ansprüche der anderen stillen Gesellschafter nicht ausreicht. Da die Abweisung der Klagen auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen danach keinen Bestand haben konnte, hat der Bundes­ge­richtshof die Verfahren zur weiteren Aufklärung an die Berufungs­ge­richte zurückverwiesen.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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