15.11.2024
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Dokument-Nr. 1447

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Bundesgerichtshof Urteil12.12.2005

Klarstellung zum Vertrau­ens­schutz hinsichtlich der Haftung des einer BGB-Gesellschaft beitretenden Gesellschafters für Altver­bind­lich­keitenAuch Neueinsteiger haftet - keine Anwendung auf Lieferungen aus Versor­gungs­ver­trägen

Der Bundes­ge­richtshof hatte mit Urteil vom 7. April 2003 – II ZR 56/02 -, insofern in Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung, entschieden, dass ein neu in die Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingetretener Gesellschafter nach § 130 HGB persönlich, d.h. mit seinem Privatvermögen, neben den Altge­sell­schaftern für bereits begründete Verbind­lich­keiten der Gesellschaft haftet.

Aus Gründen des Vertrau­ens­schutzes hat der Senat in dem seinerzeit zu entscheidenden Fall – es ging um einen Junganwalt, der für die Rückzahlung von vor seinem Beitritt eingezahlten Honora­r­vor­schüssen haften sollte - die Haftung des Neuge­sell­schafters gleichwohl abgelehnt und ausgesprochen, dass die Grundsätze über die persönliche Haftung des Neuge­sell­schafters erst auf künftige Beitrittsfälle Anwendung finden sollten. Auf diesen Vertrauensschutz beruft sich der Beklagte in einem Verfahren, in dem der II. Zivilsenat heute sein Urteil verkündet hat.

Das klagende städtische Gasver­sor­gungs­un­ter­nehmen hatte Ende 2000/Anfang 2001 aufgrund von Lieferverträgen, die nach dem der Entscheidung zugrunde zu legenden Vortrag des Beklagten im Jahre 1999 geschlossen worden waren, Gas für zwei Mietshäuser geliefert, die im Eigentum einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts stehen, deren Mitge­sell­schafter der Beklagte bis Ende 1998 gewesen war und der er dann wieder ab Januar 2000, also auch zur Zeit der Gaslieferungen, angehörte. Seine Inanspruchnahme als Gesellschafter für die Gaslieferungen hat der Beklagte unter Hinweis auf die oben genannte Senat­s­ent­scheidung abgelehnt.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungs­gericht hat die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Der II. Zivilsenat hat das Berufungsurteil bestätigt. Dabei hat der Senat in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs und der ganz herrschenden An-sicht im Schrifttum angenommen, dass bei Sukzes­siv­lie­fe­rungs­ver­trägen wie dem vorliegenden Versor­gungs­vertrag die durch die Einzel­lie­fe­rungen ausgelösten Ver-bindlichkeiten bereits in dem Moment begründet sind, in dem der Versor­gungs­vertrag abgeschlossen wird. Durch die Einzel­lie­fe­rungen entstehen nicht jeweils „neue“ Verbind­lich­keiten. Deshalb handelt es sich bei den eingeklagten Forderungen für die aufgrund des Vertrages aus dem Jahr 1999 in 2000/2001 erbrachten Lieferungen um bei Eintritt des Beklagten bereits begründete Verbind­lich­keiten gemäß § 130 HGB (sog. Altver­bind­lich­keiten). Deswegen stellt sich hier das Problem, ob sich der Beklagte darauf berufen kann, ihm sei als neu beigetretenem Gesellschafter Vertrau­ens­schutz gegenüber der Haftung für Altver­bind­lich­keiten der Gesellschaft zu gewähren. Der Beklagte, einige Instanzgerichte sowie Stimmen in der Literatur haben die Ausführungen des Senats in dem genannten Urteil dahin missverstanden, dass bei Altver­bind­lich­keiten schlechthin Vertrau­ens­schutz zu gewähren ist, weil sie diese Aussagen isoliert betrachtet und den Fall ausgeblendet haben, zu dem sie veranlasst waren.

Demgegenüber hat der II. Zivilsenat in der heute verkündeten Entscheidung klargestellt, dass ein Neuge­sell­schafter sich nicht generell auf Vertrau­ens­schutz gegenüber Altver­bind­lich­keiten einer BGB-Gesellschaft berufen kann, wenn er dieser vor der Publikation des Urteils vom 7. April 2003 (vgl. Bundes­ge­richtshof zur Haftung neu eingetretener Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für bereits bestehende Verbind­lich­keiten) beigetreten ist. Erforderlich ist vielmehr in jedem Einzelfall eine Abwägung dahin, ob im Interesse des Vertrauens des Beitretenden der Gesichtspunkt der Rechts­si­cherheit, dass ein beitretender Gesellschafter für die Altver­bind­lich­keiten nicht nach § 130 HGB (analog) haftet, gegenüber der materiellen Rechtslage Vorrang hat. Weiß der Neuge­sell­schafter bei seinem Beitritt vom Vorhandensein von Altver­bind­lich­keiten oder hätte er hiervon bei auch nur geringer Aufmerksamkeit Kenntnis erlangen können, ist die Gewährung von Vertrau­ens­schutz nicht gerechtfertigt. Das gilt erst Recht, wenn sich dem Beitretenden das Bestehen von Altver­bind­lich­keiten aufdrängen muss, weil sie – etwas aufgrund von Sonder­ab­neh­mer­ver­trägen über die Belieferung von Gas für Mietshäuser – typischerweise vorhanden sind. Deswegen ist der Beklagte hier nicht schutzwürdig und haftet der Klägerin für die Bezahlung der Gaslieferungen.

Vorinstanzen:

Landgericht Wuppertal – Entscheidung vom 20. Dezember 2002 – 2 O 438/01

Oberlan­des­gericht Düsseldorf – Entscheidung vom 15. August 2003 – 22 U 16/03

vgl. auch: BGH, Urt. v. 7.04.2003: Bundes­ge­richtshof zur Haftung neu eingetretener Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für bereits bestehende Verbind­lich­keiten

Quelle: ra-online Redaktion, Pressemitteilung Nr. 171/05 des BGH vom 12.12.2005

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