15.11.2024
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Dokument-Nr. 7703

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Urteil06.04.2009BundesgerichtshofII ZR 255/08 - Schiedsfähigkeit II
Vorinstanzen:
  • Landgericht Aachen, Urteil22.05.2007, 41 O 121/06
  • Oberlandesgericht Köln, Urteil20.03.2008, 18 U 98/07
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Bundesgerichtshof Urteil06.04.2009

BGH zur Schieds­fä­higkeit von Beschluss­män­gel­strei­tig­keiten

Der für das Gesell­schaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des BGH hatte über die Grundsatzfrage der Schieds­fä­higkeit von Beschluss­män­gel­strei­tig­keiten im Recht der GmbH zu entscheiden.

I. Der Kläger ist Gesellschafter der beklagten GmbH. Zwischen ihm und seinen Mitge­sell­schaftern bestehen seit Jahren tief greifende Differenzen. Die Gesell­schaf­ter­ver­sammlung der Beklagten beschloss am 9. Oktober 2006 mit den Stimmen der anderen Gesellschafter u.a., den Geschäftsanteil des Klägers aus wichtigem Grund einzuziehen und auf die Mitge­sell­schafter zu übertragen. Gegen die vom Kläger erhobene Anfechtungs- bzw. Nichtig­keitsklage hat die Beklagte - gestützt auf eine Schiedsklausel des aus dem Jahr 1989 stammenden Gesell­schafts­ver­trages - die Einrede der Schieds­ver­ein­barung erhoben. Das Landgericht hat daraufhin die Klage als unzulässig abgewiesen. Demgegenüber hat das Oberlan­des­gericht auf die Berufung des Klägers die Schiedsklausel als nichtig erachtet und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

II. Der II. Zivilsenat des BGH hat auf die - von ihm wegen Grund­satz­be­deutung zugelassene – Revision entschieden, dass Beschluss­män­gel­strei­tig­keiten im Recht der GmbH grundsätzlich kraft privatautonomer Gestaltung der Gesellschafter schiedsfähig sind, sofern und soweit das vereinbarte schieds­rich­terliche Verfahren aus dem Rechts­s­taats­prinzip abzuleitende Mindest­standards einhält.

1. Mit dieser Entscheidung hat der II. Zivilsenat seine frühere restriktive Auffassung, nach der die Voraussetzungen für eine Schieds­fä­higkeit von Beschluss­män­gel­strei­tig­keiten nicht im Wege richterlicher Rechts­fort­bildung zu entwickeln, sondern einer Regelung durch den Gesetzgeber vorbehalten seien (vgl. BGHZ 132, 278 - "Schieds­fä­higkeit I"), aufgegeben. Da der Gesetzgeber im Rahmen des zwischen­zeitlich verabschiedeten und in Kraft getretenen Schieds­ver­fahrens-Neure­ge­lungs­ge­setzes von einer diesbezüglichen gesetzlichen Regelung bewusst Abstand genommen und die Problematik "angesichts ihrer Vielschich­tigkeit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht weiterhin der Lösung durch die Rechtsprechung unter Berück­sich­tigung der konkreten Umstände des Einzelfalls überlassen" hat, hat der II. Zivilsenat die ihm solchermaßen überantwortete Aufgabe aus Anlass des vorliegenden Revisionsfalls aufgegriffen.

2. Der Senat hält nunmehr seine früheren Bedenken gegen die grundsätzliche Möglichkeit einer analogen Herbeiführung der Wirkungen aus §§ 248 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 Satz 1 AktG durch Schiedssprüche auf der Grundlage gesell­schafts­ver­trag­licher Schiedsklauseln nicht mehr aufrecht, macht aber die Zulässigkeit solcher Schieds­ver­ein­ba­rungen im GmbH-Recht von der Sicherstellung eines effektiven, der Rechts­schutz­ge­währung durch staatliche Gerichte gleichwertigen Rechtsschutzes für alle dem Schiedsspruch unterworfenen Gesellschafter abhängig.

Danach setzt die Wirksamkeit einer privatautonom gestalteten Schiedsklausel zu Beschluss­män­gel­strei­tig­keiten bei der GmbH die Erfüllung folgender Minde­st­an­for­de­rungen voraus:

Die Schiedsabrede muss grundsätzlich mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter in der Satzung verankert sein; alternativ reicht eine außerhalb der Satzung unter Mitwirkung sämtlicher Gesellschafter und der Gesellschaft getroffene Absprache aus.

Jeder Gesellschafter muss - neben den Gesell­schafts­organen - über die Einleitung und den Verlauf des Schieds­ver­fahrens informiert und dadurch in die Lage versetzt werden, dem Verfahren zumindest als Neben­in­ter­venient beizutreten.

Alle Gesellschafter müssen an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter mitwirken können, sofern nicht die Auswahl durch eine neutrale Stelle erfolgt.

Schließlich muss gewährleistet sein, dass alle denselben Streit­ge­genstand betreffenden Beschluss­män­gel­strei­tig­keiten bei einem Schiedsgericht konzentriert werden.

III. Da allerdings die im Gesell­schafts­vertrag der Beklagten enthaltene Schiedsklausel aus dem Jahr 1989 nach den zutreffenden Feststellungen des Oberlan­des­ge­richts solchen aus dem Rechts­s­taats­prinzip fließenden Minde­st­an­for­de­rungen nicht genügte, hat der II. Zivilsenat die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des BGH

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