21.11.2024
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Dokument-Nr. 12696

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Urteil15.11.2011BundesgerichtshofII ZR 149/10
Vorinstanzen:
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil07.12.2007, 3/14 O 141/05
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil06.07.2010, 5 U 205/07
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Bundesgerichtshof Urteil15.11.2011

BGH zur Zulässigkeit von Vereinbarungen über aktien­rechtliche Diffe­renz­haf­tungs­ansprüche bei einer Sachka­pi­ta­l­e­r­höhungBerufungs­gericht muss erneut über Forderungen von mehr als 170 Mio Euro verhandeln

Der Bundes­ge­richtshof hatte darüber zu entscheiden, ob eine Aktien­ge­sell­schaft mit ihrem Aktionär über den Anspruch auf Zahlung des Unter­schieds­betrags zwischen der bei einer Sachka­pi­ta­l­e­r­höhung übernommenen Einla­ge­ver­pflichtung und dem tatsächlichen Wert der zur Erfüllung erbrachten Sachleistung (so genannter Diffe­renz­haf­tungs­an­spruch) einen Vergleich schließen kann und ob in dem Vergleich vereinbarte anderweitige Zahlungs­pflichten des Aktionärs später mit Ansprüchen gegen die Gesellschaft verrechnet werden können.

Die dem zugrunde liegenden Fall zu entscheidenden Rechtsfragen stellten sich im Zusammenhang mit einer im Jahre 1999 von der Babcock Borsig AG (Babcock) durchgeführten Sachka­pi­ta­l­e­r­höhung. Im Rahmen dieser Kapitalerhöhung brachte die Preussag AG (Preussag) gemäß einem mit der Babcock geschlossenen Trans­ak­ti­o­ns­vertrag vom Februar 1999 sämtliche Geschäfts­anteile an zwei Tochter­ge­sell­schaften sowie Aktien der Howaldswerke Deutsche Werft AG (HDW) als Sacheinlage für ca. 3,5 Mio Babcock-Aktien (33,29 % des Grundkapitals) ein (erste Tranche). Die Babcock verpflichtete sich, zu einem späteren Zeitpunkt von der Preussag weitere Aktien der HDW für 325 Mio. DM zu kaufen (zweite Tranche).

In einer Vereinbarung vom 28. Juni 2000 verpflichtete sich die Preussag sodann, der Babcock einen Ertragszuschuss in Höhe von 325 Mio DM zu gewähren, mit dem diese den Kaufpreis für die zweite Tranche der HDW-Aktien bezahlen sollte. Die Babcock erklärte dabei, aus dem Trans­ak­ti­o­ns­vertrag keine Ansprüche mehr geltend zu machen. Im September 2000 vereinbarten die Babcock und die Preussag, dass die Zahlungs­ver­pflichtung der Babcock für die zweite Tranche insgesamt durch Verrechnung mit dem Ertragszuschuss in Höhe von 325 Mio DM als mit Wirkung zum 28.Juni 2000 erfüllt anzusehen sei.

Insol­venz­ver­walter nimmt Rechts­nach­folgerin der Preussag AG auf Diffe­renz­haftung in Anspruch

Der Kläger nimmt als Insol­venz­ver­walter in dem Insol­venz­ver­fahren über das Vermögen der Babcock die Beklagte, die Rechts­nach­folgerin der Preussag, auf eine Diffe­renz­haftung in Höhe von über 170 Mio Euro mit der Begründung in Anspruch, der Wert der von der Preussag erbrachten Leistungen sei geringer gewesen als die vereinbarte Einlage. Seine Klage hatte vor dem Land- und dem Oberlan­des­gericht keinen Erfolg.

Aktien­ge­sell­schaft und Aktionär können sich auch ohne Zustimmung der Haupt­ver­sammlung der Aktien­ge­sell­schaft über Diffe­renz­haf­tungs­an­spruch vergleichen

Auf die vom Oberlan­des­gericht zugelassene Revision des Klägers hat der Bundes­ge­richtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen. Für die rechtliche Beurteilung in der Revisi­ons­instanz war dabei davon auszugehen, dass nach der bisher noch nicht überprüften Behauptung des Klägers jedenfalls die bei der ersten Tranche auf die Kapitalerhöhung eingebrachten Gesell­schafts­anteile und Aktien nicht den versprochenen Sachwert erreichten. Über einen sich daraus ergebenden Diffe­renz­haf­tungs­an­spruch können sich, wie der Bundes­ge­richtshof entschieden hat, die Aktiengesellschaft und der Aktionär auch ohne Zustimmung der Haupt­ver­sammlung der Aktien­ge­sell­schaft vergleichen. Obwohl der Aktionär nach dem Aktiengesetz von seiner Verpflichtung zur Leistung der Einlagen nicht befreit werden kann, ist ein solcher Vergleich zulässig, wenn eine tatsächliche oder rechtliche Ungewissheit über den Bestand oder Umfang des Anspruchs besteht.

Verrechnung des Anspruchs nur bei vollwertiger, fälliger und liquider Kaufpreis­for­derung wirksam

Nach den rechts­feh­ler­freien Feststellungen des Berufungs­ge­richts erfüllt die Vereinbarung zwischen der Babcock und der Preussag vom Juni 2000 zwar diese Voraussetzungen eines zulässigen Vergleichs. Nach Ansicht des Bundes­ge­richtshofs gilt das aktien­rechtliche Verbot der Aufrechnung gegen die Einla­ge­for­derung der Gesellschaft aber für eine in einem Vergleich über den Diffe­renz­haf­tungs­an­spruch vereinbarte Forderung der Gesellschaft gegen den Aktionär (hier: Ertragszuschuss in Höhe von 325 Mio DM) fort. Die Verrechnung des Anspruchs der Babcock auf den Ertragszuschuss mit der Kaufpreis­for­derung der Preussag hinsichtlich der mit der 2. Tranche zu übertragenden HDW-Aktien in der Vereinbarung vom September 2000 ist nach Auffassung des Bundes­ge­richtshofs daher nur wirksam, wenn die Kaufpreis­for­derung vollwertig, fällig und liquide war. Davon ist das Berufungs­gericht nach seinen bisherigen Feststellungen zu Unrecht ausgegangen, so dass die Sache an dieses zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen wurde.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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