18.10.2024
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Dokument-Nr. 23609

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Urteil20.12.2016BundesgerichtshofI ZR 63/15
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Ottweiler, Urteil01.12.2011, 16 C 147/11
  • Landgericht Saarbrücken, Urteil22.03.2013, 5 S 67/12
  • Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, Urteil08.07.2014, Lv 6/13
  • Landgericht Saarbrücken, Urteil06.03.2015, 10 S 125/14
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil20.12.2016

BGH zu den Ansprüchen eines bei der Stipen­di­en­vergabe nicht berück­sich­tigten BewerbersBewerber hat keinen Anspruch auf Auskunft über Inhalt der Auswah­l­ent­scheidung

Der Bundes­ge­richtshof hatte über die Klage eines nicht berück­sich­tigten Bewerbers um ein Stipendium zu entschieden.

Die Beklagte des zugrunde liegenden Falls ist eine durch das Saarland gegründete gemeinnützige Stiftung, die Stipendien an Studierende der saarländischen Hochschulen vergibt. Sie schrieb im Jahr 2010 ein Stipendium für die Teilnahme an einem zweisprachigen Master-Studiengang des Europa-Instituts der Universität des Saarlandes mit einer zwölfmonatigen Förderung, beginnend im Oktober 2010, aus. Zugelassen waren Bewerber aus aller Welt mit juristischem oder vergleichbarem Studium mit sehr gutem Studi­e­n­ab­schluss und sehr guten englischen oder deutschen Sprach­kennt­nissen. Die Bewerber sollten ein aussa­ge­kräftiges Motiva­ti­o­ns­schreiben einreichen. Die Vergabe des Stipendiums sollte in einem schriftlichen Auswahl­ver­fahren erfolgen. Der Kläger, der die Erste Juristische Staatsprüfung mit der Gesamtnote "sehr gut" abgelegt hatte, bewarb sich vergeblich um das Stipendium. Er absolvierte den Master-Studiengang ohne das Stipendium.

Kläger verlangt Auskunft über Gründe der unterbliebenen Berück­sich­tigung und Neuentscheidung über Bewerbung

Mit seiner im März 2011 erhobenen Klage verlangte der Kläger zunächst von der Beklagten Auskunft über die Gründe seiner unterbliebenen Berück­sich­tigung bei der Stipen­di­en­vergabe. Im Februar 2012 stellte er die Klage dahingehend um, dass er nunmehr in erster Linie eine neue Entscheidung der Beklagten über seine Bewerbung beanspruchte. Hilfsweise begehrte er die Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt war, seine Bewerbung abzulehnen.

Klage in den Vorinstanzen erfolglos

Diese Ansprüche hat das Landgericht sowohl in einem ersten Berufungsurteil als auch - nach dessen Aufhebung durch den Verfas­sungs­ge­richtshof des Saarlandes - in einem zweiten Berufungsurteil verneint. Mit seiner vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die abgewiesenen Klageanträge weiter.

Kläger hat keinen Anspruch auf Neuentscheidung über Bewerbung

Der Bundes­ge­richtshof hat die Entscheidung des Berufungs­ge­richts bestätigt. Der Kläger hat als Bewerber für ein Stipendium keinen direkten Anspruch auf Stiftungs­leis­tungen, weil die Stiftungs­satzung den Kreis der Empfänger nicht festlegt, sondern die Auswahl der zu fördernden Stipendiaten dem Vorstand überlässt. Der Kläger kann auch nicht beanspruchen, dass die beklagte Stiftung erneut über seine Bewerbung entscheidet. Da die Beklagte das Stipendium bereits einem anderen Bewerber gewährt und der Kläger den geförderten Studiengang ohne das Stipendium absolviert hat und weil der Förderzeitraum abgelaufen ist, ist die Klage auf erneute Entscheidung über die Bewerbung des Klägers im Ergebnis auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Der mit dem Stipendium verfolgte Förderzweck kann nicht mehr erreicht werden.

BGH verneint Recht­schutz­be­dürfnis für Feststellung der Rechts­wid­rigkeit der Ablehnung

Soweit der Kläger die gerichtliche Feststellung begehrt hat, dass die Ablehnung seiner Bewerbung um das Stipendium rechtswidrig war, besteht für eine solche Klage grundsätzlich kein Recht­schutz­be­dürfnis. Der Kläger hat bessere Rechts­schutz­mög­lich­keiten, weil er Schadensersatz in Form der entgangenen Stipen­di­en­leis­tungen oder der vergeblichen Bewer­bungs­kosten geltend machen kann. Schaden­s­er­satz­ansprüche hat der Kläger jedoch nicht verfolgt.

Benachteiligung bei Bewerbung wegen Partei­zu­ge­hö­rigkeit nicht erkennbar

Die auf Feststellung der Rechts­wid­rigkeit der Ablehnung seiner Bewerbung gerichtete Klage ist auch nicht ausnahmsweise zulässig. Insbesondere besteht auf Seiten des Klägers kein Rehabi­li­tie­rungs­in­teresse, aus dem ein Interesse an einer Feststellung abgeleitet werden könnte. Nach ihren unwiderlegten Angaben hat die Beklagte die Studi­e­n­ab­schlüsse der Bewerber, deren Motiva­ti­o­ns­schreiben, Besonderheiten in deren Lebenslauf (Doppelstudium, Auslandsstudium, Berufserfahrung) und soziale und wirtschaftliche Aspekte bei der Stipen­di­en­vergabe berücksichtigt. Das Berufungs­gericht hat nicht festgestellt, dass der Kläger bei der Stipen­di­en­vergabe wegen seiner Partei­zu­ge­hö­rigkeit benachteiligt wurde. Dass der Kläger sich durch die ablehnende Entscheidung der Beklagten diskriminiert gefühlt hat, begründet ein Feststel­lungs­in­teresse ebensowenig wie der Umstand, dass der Kläger für einen Schaden­s­er­satz­an­spruch darlegen und beweisen müsste, dass er bei ordnungsgemäßer Vergabe das Stipendium hätte erhalten müssen und dass eine solche Beweisführung wegen des weiten Entschei­dungs­spielraums der Beklagten schwierig ist.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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