15.11.2024
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Dokument-Nr. 17363

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Urteil12.12.2013BundesgerichtshofI ZR 192/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2014, 2279Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 2279
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Köln, Urteil08.02.2012, 84 O 215/11
  • Oberlandesgericht Köln, Urteil21.09.2012, 6 U 53/12
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil12.12.2013

Harribo darf weiter im Fernsehen mit "GLÜCKS-WOCHEN" werbenBeanstandete Fernsehwerbung ist nicht zur unlauteren Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit Minderjähriger geeignet

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die Firma Harribo weiterhin mit den "GLÜCKS-WOCHEN" im Fernsehen werben darf. Die Fernsehwerbung für ein Gewinnspiel, an dem nur Käufer teilnehmen konnten, die das beworbene Produkt zuvor erworben hatten, verstößt nicht gegen die speziell dem Schutz von Kindern und Jugendlichen dienenden Vorschriften des Wettbe­wer­bs­rechts und enthält auch keine unmittelbare Kaufauf­for­derung an Kinder. Darüber hinaus ist die Werbung nach Auffassung des Bundes­ge­richtshofs auch nicht geeignet, die geschäftliche Unerfahrenheit Minderjähriger in unlauterer Weise auszunutzen.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Parteien sind Hersteller von Lakritz und Fruchtgummi. Die Beklagte warb ab Februar 2011 im Fernsehen mit "GLÜCKS-WOCHEN". Beim Kauf von fünf Packungen zum Preis von etwa je einem Euro und Einsendung der Kassenbons bestand die Chance, bei einer Verlosung einen von 100 "Goldbärenbarren" im Wert von jeweils 5.000 Euro zu gewinnen. In dem Werbespot traf der Fernseh­mo­derator Thomas Gottschalk im Supermarkt auf zwei Familien mit Kindern.

Klägerin hält Werbung für wettbe­wer­bs­widrig

Die Klägerin hält die Werbung für wettbe­wer­bs­widrig, weil sie die geschäftliche Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen ausnutze. Sie hat die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Vorinstanzen: Gewinn­spiel­kopplung stellt unlautere Geschäft­s­praktik dar

Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Nach Ansicht des Berufungs­ge­richts stellt die Gewinn­spiel­kopplung aufgrund der Umstände des Einzelfalls eine unlautere Geschäft­s­praktik dar. Dabei sei der strengere Sorgfalts­maßstab des § 3 Abs. 2 Satz 3 UWG* zugrunde zu legen und auf die Sicht von Kindern und Jugendlichen abzustellen, die durch die Werbung zu einem Kauf über Bedarf veranlasst werden könnten.

Für Beurteilung des Gewinnspiels gilt hier nicht der Sorgfalts­maßstab

Der Bundes­ge­richtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Gewinn­spiel­kopp­lungen können nach § 4 Nr. 6 UWG** im Einzelfall verboten sein, wenn sie gegen die berufliche Sorgfalt verstoßen. Nach Auffassung des Bundes­ge­richtshofs gilt für die Beurteilung des Gewinnspiels im Streitfall nicht der Sorgfalts­maßstab des § 3 Abs. 2 Satz 3 UWG, da die beanstandete Werbung voraussichtlich und vorhersehbar nicht allein das geschäftliche Verhalten von Kindern und Jugendlichen wesentlich beeinflussen konnte. Die Produkte der Beklagten sind bei Kindern und Erwachsenen gleichermaßen beliebt. Ein an den Absatz dieser Produkte gekoppeltes Gewinnspiel ist daher voraussehbar geeignet, auch das Einkaufs­ver­halten von Erwachsenen zu beeinflussen. Daher ist für die Beurteilung des Streitfalls das Verständnis eines durch­schnitt­lichen Verbrauchers maßgeblich.

Unzutreffende Gewinnchancen werden nicht suggeriert

Auf dieser Grundlage verstößt die beanstandete Fernsehwerbung nicht gegen die berufliche Sorgfalt. Die Kosten der Gewinn­spiel­teilnahme werden deutlich. Es werden auch keine unzutreffenden Gewinnchancen suggeriert.

Werbung enthält keine unmittelbare Kaufauf­for­derung an Kinder

Der Fernsehspot der Beklagten verstößt auch nicht gegen die speziell dem Schutz von Kindern und Jugendlichen dienenden Vorschriften des Wettbe­wer­bs­rechts. Er enthält keine unmittelbare Kaufauf­for­derung an Kinder (Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG). Er ist auch nicht geeignet, die geschäftliche Unerfahrenheit Minderjähriger in unlauterer Weise auszunutzen (§ 4 Nr. 2 UWG).

*§ 3 UWG lautet:

Erläuterungen
[...]

(2) Geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern sind jedenfalls dann unzulässig, wenn sie nicht der für den Unternehmer geltenden fachlichen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, die Fähigkeit des Verbrauchers, sich auf Grund von Informationen zu entscheiden, spürbar zu beeinträchtigen und ihn damit zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Dabei ist auf den durch­schnitt­lichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durch­schnitt­liches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Auf die Sicht eines durch­schnitt­lichen Mitglieds einer auf Grund von geistigen oder körperlichen Gebrechen, Alter oder Leicht­gläu­bigkeit besonders schutz­be­dürftigen und eindeutig identi­fi­zierbaren Gruppe von Verbrauchern ist abzustellen, wenn für den Unternehmer vorhersehbar ist, dass seine geschäftliche Handlung nur diese Gruppe betrifft.

[...]

** § 4 UWG lautet

[...]

6.Unlauter handelt insbesondere, wer die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preis­aus­schreiben oder Gewinnspiel von dem Erwerb einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig macht, es sei denn, das Preis­aus­schreiben oder Gewinnspiel ist naturgemäß mit der Ware oder der Dienstleistung verbunden;

[...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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