Dokument-Nr. 17363
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- NJW 2014, 2279Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 2279
- Landgericht Köln, Urteil08.02.2012, 84 O 215/11
- Oberlandesgericht Köln, Urteil21.09.2012, 6 U 53/12
Bundesgerichtshof Urteil12.12.2013
Harribo darf weiter im Fernsehen mit "GLÜCKS-WOCHEN" werbenBeanstandete Fernsehwerbung ist nicht zur unlauteren Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit Minderjähriger geeignet
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Firma Harribo weiterhin mit den "GLÜCKS-WOCHEN" im Fernsehen werben darf. Die Fernsehwerbung für ein Gewinnspiel, an dem nur Käufer teilnehmen konnten, die das beworbene Produkt zuvor erworben hatten, verstößt nicht gegen die speziell dem Schutz von Kindern und Jugendlichen dienenden Vorschriften des Wettbewerbsrechts und enthält auch keine unmittelbare Kaufaufforderung an Kinder. Darüber hinaus ist die Werbung nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch nicht geeignet, die geschäftliche Unerfahrenheit Minderjähriger in unlauterer Weise auszunutzen.
Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Parteien sind Hersteller von Lakritz und Fruchtgummi. Die Beklagte warb ab Februar 2011 im Fernsehen mit "GLÜCKS-WOCHEN". Beim Kauf von fünf Packungen zum Preis von etwa je einem Euro und Einsendung der Kassenbons bestand die Chance, bei einer Verlosung einen von 100 "Goldbärenbarren" im Wert von jeweils 5.000 Euro zu gewinnen. In dem Werbespot traf der Fernsehmoderator Thomas Gottschalk im Supermarkt auf zwei Familien mit Kindern.
Klägerin hält Werbung für wettbewerbswidrig
Die Klägerin hält die Werbung für wettbewerbswidrig, weil sie die geschäftliche Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen ausnutze. Sie hat die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Vorinstanzen: Gewinnspielkopplung stellt unlautere Geschäftspraktik dar
Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Nach Ansicht des Berufungsgerichts stellt die Gewinnspielkopplung aufgrund der Umstände des Einzelfalls eine unlautere Geschäftspraktik dar. Dabei sei der strengere Sorgfaltsmaßstab des § 3 Abs. 2 Satz 3 UWG* zugrunde zu legen und auf die Sicht von Kindern und Jugendlichen abzustellen, die durch die Werbung zu einem Kauf über Bedarf veranlasst werden könnten.
Für Beurteilung des Gewinnspiels gilt hier nicht der Sorgfaltsmaßstab
Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Gewinnspielkopplungen können nach § 4 Nr. 6 UWG** im Einzelfall verboten sein, wenn sie gegen die berufliche Sorgfalt verstoßen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs gilt für die Beurteilung des Gewinnspiels im Streitfall nicht der Sorgfaltsmaßstab des § 3 Abs. 2 Satz 3 UWG, da die beanstandete Werbung voraussichtlich und vorhersehbar nicht allein das geschäftliche Verhalten von Kindern und Jugendlichen wesentlich beeinflussen konnte. Die Produkte der Beklagten sind bei Kindern und Erwachsenen gleichermaßen beliebt. Ein an den Absatz dieser Produkte gekoppeltes Gewinnspiel ist daher voraussehbar geeignet, auch das Einkaufsverhalten von Erwachsenen zu beeinflussen. Daher ist für die Beurteilung des Streitfalls das Verständnis eines durchschnittlichen Verbrauchers maßgeblich.
Unzutreffende Gewinnchancen werden nicht suggeriert
Auf dieser Grundlage verstößt die beanstandete Fernsehwerbung nicht gegen die berufliche Sorgfalt. Die Kosten der Gewinnspielteilnahme werden deutlich. Es werden auch keine unzutreffenden Gewinnchancen suggeriert.
Werbung enthält keine unmittelbare Kaufaufforderung an Kinder
Der Fernsehspot der Beklagten verstößt auch nicht gegen die speziell dem Schutz von Kindern und Jugendlichen dienenden Vorschriften des Wettbewerbsrechts. Er enthält keine unmittelbare Kaufaufforderung an Kinder (Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG). Er ist auch nicht geeignet, die geschäftliche Unerfahrenheit Minderjähriger in unlauterer Weise auszunutzen (§ 4 Nr. 2 UWG).
*§ 3 UWG lautet:
Erläuterungen
[...](2) Geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern sind jedenfalls dann unzulässig, wenn sie nicht der für den Unternehmer geltenden fachlichen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, die Fähigkeit des Verbrauchers, sich auf Grund von Informationen zu entscheiden, spürbar zu beeinträchtigen und ihn damit zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Dabei ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Auf die Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds einer auf Grund von geistigen oder körperlichen Gebrechen, Alter oder Leichtgläubigkeit besonders schutzbedürftigen und eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern ist abzustellen, wenn für den Unternehmer vorhersehbar ist, dass seine geschäftliche Handlung nur diese Gruppe betrifft.
[...]
** § 4 UWG lautet
[...]
6.Unlauter handelt insbesondere, wer die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel von dem Erwerb einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig macht, es sei denn, das Preisausschreiben oder Gewinnspiel ist naturgemäß mit der Ware oder der Dienstleistung verbunden;
[...]
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 13.12.2013
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online
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