18.10.2024
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Dokument-Nr. 5754

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Bundesgerichtshof Urteil05.06.2003

Poster vom Wiener Hundertwasser-Haus dürfen nur mit Zustimmung des Malers vertrieben werden

Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat entschieden, daß das deutsche Großhan­dels­un­ter­nehmen Metro für den Vertrieb eines Posters mit der Aufnahme des Wiener Hundertwasser-Hauses die Zustimmung des vor drei Jahren verstorbenen Malers oder der als seine Erbin eingesetzten Hundertwasser-Stiftung benötigt.

Das Hundertwasser-Haus ist ein in den achtziger Jahren erbautes Wohn- und Geschäftshaus an der Ecke Löwen-/Kegelgasse im 3. Wiener Bezirk. An der Planung und Ausführung des Hauses, das durch ungewöhnliche, verspielte Gestal­tungs­formen auffällt und inzwischen eine Wiener Sehens­wür­digkeit darstellt, war der Maler Friedensreich Hundertwasser maßgeblich beteiligt. Eine von Hundertwasser bearbeitete Fotografie, die die beiden über Eck liegenden Frontseiten des Hauses zeigt, wird seitdem im Namen von Hundertwasser vertrieben.

Anlaß für den vorliegenden Rechtsstreit ist ein gerahmter Druck, der das Hundertwasser-Haus aus der gleichen Perspektive wie die von Hundertwasser vertriebene Postkarte zeigt. Dieser Druck wurde von Metro zum Preis von 199 DM als "Kunstdruck im Unikatrahmen" verkauft. Um das Haus aus der (erhöhten) Perspektive aufnehmen zu können, hatte sich der Fotograf Zugang zu einer im gegen­über­lie­genden Haus befindlichen Privatwohnung verschafft.

Hundertwasser beanstandete dies als Verletzung seines Urheberrechts am Bauwerk und nahm Metro auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz in Anspruch. Metro berief sich demgegenüber auf eine Bestimmung des Urheber­rechts­ge­setzes (§ 59), nach der Aufnahmen von "Werken, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden", auch ohne Zustimmung des Urhebers hergestellt und vertrieben werden dürfen. Mit dieser sogenannten Panora­maf­reiheit – einer Ausnahme vom ausschließ­lichen Verwer­tungsrecht des Urhebers – erlaubt es das Gesetz, beispielsweise Postkarten oder Bildbände mit Straße­n­an­sichten zu vertreiben ohne Rücksicht auf urheber­rechtlich geschützte Werke (wie Gebäude oder Denkmäler), die möglicherweise auf diesen Ansichten zu sehen sind. Das Landgericht München I hatte der Klage stattgegeben. Das Oberlan­des­gericht München hatte sie abgewiesen.

Dieses Urteil hat der Bundes­ge­richtshof aufgehoben. Anders als die Vorinstanz hat der I. Zivilsenat in der Verviel­fäl­tigung und Verbreitung des Posters einen Eingriff in Hundertwassers Urheberrecht gesehen. Auf die Bestimmung über die Panora­maf­reiheit könne Metro sich nicht berufen. Denn diese das Urheberrecht an dem Bauwerk beschränkende Vorschrift solle es der Allgemeinheit ermöglichen, das, was die Passanten von der Straße aus mit eigenen Augen sehen könnten, als Gemälde, Zeichnung, Fotografie oder im Film zu betrachten. Von diesem Zweck der gesetzlichen Regelung sei es nicht mehr gedeckt, wenn der Blick von einem für das allgemeine Publikum unzugänglichen Ort aus – etwa mit den Mitteln der Fotografie – fixiert werden soll. Die enge Auslegung der Schran­ken­be­stimmung sei geboten, weil der Urheber möglichst umfassend an der wirtschaft­lichen Nutzung seines Werkes zu beteiligen sei. Andere Schran­ken­be­stim­mungen bleiben jedoch unberührt: So ist es zulässig, ein urheber­rechtlich geschütztes Bauwerk zu privaten Zwecken zu fotografieren. Im Einzelfall kann eine Wiedergabe der Aufnahme eines Bauwerks auch durch das Zitatrecht gedeckt sein.

Der Bundes­ge­richtshof hat die Sache an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen. Dies war hinsichtlich des Auskunfts- und des Schaden­s­er­satz­an­spruchs schon deswegen nötig, weil noch zu klären ist, ob Hundertwasser alleiniger Urheber des Bauwerks oder zusammen mit dem damaligen Architekten nur Miturheber ist. Aber auch gegen den Unter­las­sungs­antrag hatte Metro weitere Einwände erhoben, zu denen das Oberlan­des­gericht noch keine Feststellungen zu treffen brauchte. Dies muß nun nachgeholt werden.

Quelle: ra-online, BGH

der Leitsatz

UrhG § 59 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 5, § 16 Abs. 1

a) Das Recht, ein urheber­rechtlich geschütztes Bauwerk durch Lichtbild zu vervielfältigen, umfaßt nur Fotografien, die von einem für das Publikum allgemein zugänglichen Ort aus aufgenommen worden sind.

b) Die in einem Lichtbildwerk liegende schöpferische Leistung kann auch dadurch übernommen werden, daß das auf der geschützten Fotografie abgebildete Objekt nachgestellt und auf dieselbe Weise fotografiert wird.

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