14.11.2024
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Sie sehen eine stilisierte Weltkarte mit der Illustration eines Laptops, auf dem ein Paragraphenzeichen prangt.

Dokument-Nr. 5021

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Urteil18.10.2007BundesgerichtshofI ZR 102/05
Vorinstanzen:
  • Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil24.05.2005, I-20 U 143/04
  • Landgericht Düsseldorf, Urteil28.07.2004, 12 O 19/04
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil18.10.2007

BGH: Führende Alterskontrolle im Internet (ueber18.de) ist unzureichendSystem stellt keine "effektive Barriere" dar

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass es den jugend­schutz­recht­lichen Anforderungen nicht genügt, wenn pornographische Internet-Angebote den Nutzern nach der Eingabe einer Personal- oder Reisepassnummer zugänglich gemacht werden. Auch wenn zusätzlich eine Kontobewegung erforderlich ist oder eine Postleitzahl abgefragt wird, genügt ein solches System den gesetzlichen Anforderungen nicht.

Die Parteien sind Anbieter von Alters­ve­ri­fi­ka­ti­o­ns­systemen für Betreiber von Internetseiten mit porno­gra­phischen Inhalten. Durch diese Systeme soll der Zugang Minderjähriger zu diesen Angeboten ausgeschlossen werden. Beim System der Beklagten muss bei einer Version vor der Zugangs­ge­währung eine Personal- oder Reisepassnummer und die Postleitzahl des Ausstel­lungsortes angegeben werden. Bei einer anderen Version ist außerdem die Eingabe eines Namens, einer Adresse und einer Kredit­kar­ten­nummer oder Bankverbindung erforderlich. Die Beklagte verweist auf ihrer Homepage auf die Inter­ne­t­an­gebote ihrer Kunden, die ihr Alters­ve­ri­fi­ka­ti­o­ns­system benutzen. Mit einem Link gelangt der Nutzer auf diese Weise direkt zu den porno­gra­phischen Inter­ne­t­an­geboten ihrer Kunden.

OLG Düsseldorf: ueber18.de wettbe­wer­bs­widrig

Die Klägerin, die selbst ein Alters­ve­ri­fi­ka­tons­system anbietet, bei dem sich die Internetnutzer im sog. Post-Ident-Verfahren identifizieren müssen, hat geltend gemacht, dass die Beklagte mit ihrem System gegen den Jugend­me­di­en­schutz-Staatsvertrag (JMStV) und gegen das Strafgesetzbuch verstoße und damit auch wettbewerbswidrig handele. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das Oberlan­des­gericht Düsseldorf hat der Klage stattgegeben.

Der Bundes­ge­richtshof hat die Verurteilung der Beklagten bestätigt. Nach § 4 Abs. 2 JMStV sind Angebote sog. weicher Pornographie – "harte" Pornographie, die Gewalt­tä­tig­keiten, den sexuellen Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand hat, unterliegt einem generellen Verbot (§ 4 Abs. 1 Nr. 10 JMStV und §§ 184 a bis 184c StGB) – in Telemedien unzulässig, sofern der Anbieter nicht sicherstellt, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden. Danach ist erforderlich, dass eine "effektive Barriere" für den Zugang Minderjähriger besteht. Einfache und naheliegende Umgehungs­mög­lich­keiten müssen ausgeschlossen sein.

Alters­ve­ri­fi­ka­ti­o­ns­system von ueber18.de nicht ausreichend

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass das Alters­ve­ri­fi­ka­ti­o­ns­system der Beklagten in beiden Versionen diesen Sicher­heits­s­tandard nicht erfüllt. Jugendliche könnten sich leicht die Ausweisnummern von Familien­an­ge­hörigen oder erwachsenen Bekannten beschaffen. Sie verfügten auch häufig über ein eigenes Konto. Das System der Beklagten errichte daher keine effektive Barriere für den Zugang Minderjähriger zu porno­gra­phischen Angeboten im Internet. Den Einwand, mit den hohen Anforderungen werde der Zugang Erwachsener zu porno­gra­phischen Angeboten unver­hält­nismäßig eingeschränkt, hat der Bundes­ge­richtshof nicht gelten lassen. Es bestünden zahlreiche Möglichkeiten, ein Alters­ve­ri­fi­ka­ti­o­ns­system zuverlässig auszugestalten, wie etwa die verschiedenen von der Kommission für Jugend- und Medienschutz (KJM) positiv bewerteten Konzepte zeigten. Erforderlich sei danach eine einmalige persönliche Identifizierung der Nutzer etwa durch einen Postzusteller und eine Authen­ti­fi­zierung bei jedem Abruf von Inhalten (z.B. durch einen USB-Stick in Verbindung mit einer PIN-Nummer). Auch eine Identifizierung mit technischen Mitteln (Webcam-Check, biometrische Merkmale) sei nicht ausgeschlossen, müsse aber entsprechende Sicherheit bieten.

Keine Diskriminierung deutscher Anbieter: Rechts­durch­setzung bei ausländischen Anbietern schwierig

Der Bundes­ge­richtshof hat auch das Argument der Beklagten zurückgewiesen, dass deutsche Anbieter porno­gra­phischer Inhalte durch die Jugend­schutz­be­stim­mungen gegenüber ausländischen Anbietern diskriminiert würden. Die Zugangs­be­schrän­kungen des deutschen Rechts für pornographische Inhalte im Internet erfassten grundsätzlich auch ausländische Angebote, die im Inland aufgerufen werden könnten. Die Schwierigkeiten der Rechts­durch­setzung bei Angeboten aus dem Ausland führten nicht zu einem Verstoß gegen das Gleich­heitsgebot.

Die Beklagte ist aufgrund des Vertriebs ihres Alters­ve­ri­fi­ka­ti­o­ns­sytems an den jugend­schutz­rechtlich unzulässigen Angeboten ihrer Kunden beteiligt. Darüber hinaus bietet sie mit dem Angebot auf ihrer Homepage selbst pornographische Inhalte ohne ausreichende Alterssicherung an. Im Hinblick auf diesen Rechtsverstoß steht der Klägerin ein wettbe­wer­bs­recht­licher Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu.

Erläuterungen
Jugend­me­di­en­schutz-Staatsvertrag

§ 4 - Unzulässige Angebote

(1) Unbeschadet straf­recht­licher Verant­wort­lichkeit sind Angebote unzulässig, wenn sie

9.Kinder oder Jugendliche in unnatürlich geschlechts­be­tonter Körperhaltung darstellen; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen,

10.pornografisch sind und Gewalt­tä­tig­keiten, den sexuellen Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand haben; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen, oder

(2) Unbeschadet straf­recht­licher Verant­wort­lichkeit sind Angebote ferner unzulässig, wenn sie

1.in sonstiger Weise pornografisch sind,

In Telemedien sind Angebote abweichend von Satz 1 zulässig, wenn von Seiten des Anbieters sichergestellt ist, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden (geschlossene Benutzergruppe).

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 149/07 des BGH vom 18.10.2007

der Leitsatz

TMG § 7 Abs. 1; UWG §§ 3, 4 Nr. 11; JMStV § 3 Abs. 2 Nr. 3, § 4 Abs. 2

a) Die Haftung desjenigen, der einen Hyperlink auf eine Website mit rechtswidrigen Inhalten setzt, richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen. Macht sich derjenige, der den Hyperlink setzt, die Inhalte, auf die er verweist, zu eigen, haftet er dafür wie für eigene Informationen.

b) Als Täter einer unlauteren Wettbe­wer­bs­handlung haftet, wer Internetnutzern über seine Website einen gebündelten Zugang zu porno­gra­phischen Internetseiten Dritter vermittelt, ohne durch ein den Anforderungen des § 4 Abs. 2 JMStV genügendes Alters­ve­ri­fi­ka­ti­o­ns­system Minderjährige am Zugriff auf diese Angebote zu hindern.

c) Wer ein unzureichendes Alters­ve­ri­fi­ka­ti­o­ns­system vertreibt, das für pornographische Angebote im Internet bestimmt ist, haftet wettbe­wer­bs­rechtlich als Teilnehmer für Verstöße gegen § 4 Abs. 2 JMStV, die seine Abnehmer mit der Verwendung des Systems für entsprechende Angebote begehen, wenn ihm bekannt ist, dass die jugend­schutz­rechtliche Unbedenk­lichkeit des Systems ungeklärt ist.

d) § 4 Abs. 2 JMStV ist eine Markt­ver­hal­tens­re­gelung i.S. des § 4 Nr. 11 UWG.

e) Ein Alters­ve­ri­fi­ka­ti­o­ns­system, das den Zugang zu porno­gra­phischen Angeboten im Internet nach Eingabe einer Ausweisnummer sowie der Postleitzahl des Ausstel­lungsortes ermöglicht, stellt keine effektive Barriere für den Zugang Minderjähriger zu diesen Angeboten dar und genügt nicht den Anforderungen des § 4 Abs. 2 JMStV. Nichts anderes gilt, wenn zusätzlich die Eingabe einer Adresse sowie einer Kredit­kar­ten­nummer oder Bankverbindung und eine Zahlung eines geringfügigen Betrages verlangt wird.

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