21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen einen Schreibtisch mit einem Tablet, einer Kaffeetasse und einem Urteil.

Dokument-Nr. 21277

Drucken
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil09.07.2015

BGH: Bunde­s­pa­tent­gericht muss über mögliche Löschung der Farbmarke Nivea-Blau neu entscheidenGericht muss Meinungs­forschungs­gut­achten zum Vorliegen der Voraussetzungen der Verkehrs­durch­setzung einholen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass das Bunde­s­pa­tent­gericht über eine mögliche Löschung der Farbmarke Nivea-Blau neu entscheiden muss. Der Bundes­ge­richtshof konnte nicht ausschließen, dass sich die Farbmarke für die in Rede stehenden Waren im Verkehr im Sinne von § 8 Abs. 3 MarkenG durchgesetzt hat und deshalb nicht gelöscht werden darf. Daher muss das Bunde­s­pa­tent­gericht nun ein Meinungs­forschungs­gut­achten zum Vorliegen der Voraussetzungen der Verkehrs­durch­setzung einholen.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Farbmarke "Blau (Pantone 280 C)" von Beiersdorf ist aufgrund Verkehrsdurchsetzung für "Mittel zur Körper- und Schön­heits­pflege, nämlich Haut- und Körper­pfle­ge­produkte" eingetragen. Das Bunde­s­pa­tent­gericht hat auf Antrag eines Mitbewerbers der Markeninhaberin die Löschung der Marke angeordnet.

BGH hebt Entscheidung des Budespa­ten­ge­richts auf und weist Sache an das Gericht zurück

Auf die Rechts­be­schwerde der Markeninhaberin hat der Bundes­ge­richtshof den Beschluss des Bunde­s­pa­tent­ge­richts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Bunde­s­pa­tent­gericht zurückverwiesen.

Abstrakte Farbmarken im Allgemeinen nicht eintragunsfähig

Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass die absoluten Schutz­hin­dernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG* vorliegen. Abstrakte Farbmarken sind im Allgemeinen nicht unter­schei­dungs­kräftig und deshalb nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht eintra­gungsfähig, weil der angesprochene Verkehr eine Farbe regelmäßig als dekoratives Element und nicht als Produkt­kenn­zeichen wahrnimmt. Besondere Umstände, die eine andere Beurteilung rechtfertigen, lagen nicht vor. Ferner ist die Farbmarke nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht eintra­gungsfähig, weil sie im betroffenen Warensegment als Hinweis auf Produkte für die Nachtpflege oder als Hinweis auf eine bestimmte Zielgruppe, und zwar auf Haut- und Körper­pfle­ge­produkte für Männer, verwendet wird und deshalb freihal­te­be­dürftig ist.

BGH hält Verkehrs­durch­setzung der Farbmarke für in Rede stehende Waren nicht für ausgeschlossen

Aufgrund der vom Bunde­s­pa­tent­gericht bislang getroffenen Feststellungen ist nach Ansicht des Bundes­ge­richtshofs allerdings nicht ausgeschlossen, dass sich die Farbmarke für die in Rede stehenden Waren im Verkehr im Sinne von § 8 Abs. 3 MarkenG** durchgesetzt hat und deshalb nicht gelöscht werden darf. Ausreichend für eine Verkehrs­durch­setzung ist auch bei einer abstrakten Farbmarke, dass mehr als 50 % des Publikums in der Farbe ein Produkt­kenn­zeichen sehen. Dagegen hatte das Bunde­s­pa­tent­gericht wesentlich höhere Anforderungen an den Erwerb von Unter­schei­dungskraft durch Verkehrs­durch­setzung bei einer konturlosen Farbmarke gestellt und angenommen, mindestens 75 % des allgemeinen Publikums müssten in der Farbe Blau im Warenbereich der Haut- und Körper­pfle­ge­produkte einen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen erkennen. Diesen Maßstab hat der Bundes­ge­richtshof als zu streng beanstandet. Das Bunde­s­pa­tent­gericht wird nunmehr ein Meinungs­for­schungs­gut­achten zum Vorliegen der Voraussetzungen der Verkehrs­durch­setzung einholen müssen. Allein auf das von der Markeninhaberin bereits vorgelegte Verkehrs­gut­achten kann die abschließende Entscheidung nicht gestützt werden. Diese demoskopische Untersuchung stellt allgemein auf "Mittel der Haut- und Körperpflege" ab, ohne eine weitere Differenzierung nach einzelnen Warengruppen innerhalb des großen, ganz unter­schiedliche Erzeugnisse umfassenden Produktbereichs vorzunehmen. Eine solche Differenzierung nach bestimmten Produkt­seg­menten innerhalb des Warenbereichs der "Mittel der Haut- und Körperpflege" ist nach Ansicht des Bundes­ge­richtshofs aber erforderlich.

Von Markeninhaberin vorgelegtes Meinungs­for­schungs­gut­achten nicht hinreichend verlässlich

Zudem sind die Ergebnisse des von der Markeninhaberin vorgelegten Meinungs­for­schungs­gut­achtens nicht hinreichend verlässlich. Den Testpersonen hätte bei der Befragung eine Farbkarte ausschließlich mit dem blauen Farbton vorgelegt werden müssen. Stattdessen ist den Testpersonen eine blaue Farbkarte mit weißer Umrandung gezeigt worden. Dies kann die Ergebnisse des von der Markeninhaberin vorgelegten Meinungs­for­schungs­gut­achtens zu ihren Gunsten beeinflusst haben, weil die Produkt­ge­staltung der Markeninhaberin vielfach etwa bei der bekannten Nivea-Creme in der blauen Dose mit weißer Aufschrift eine Kombination der Farben Blau und Weiß aufweist.

* § 8 Abs. 2 MarkenG

Von der Eintragung ausgeschlossen sind Marken,

1.denen für die Waren und Dienst­leis­tungen jegliche Unter­schei­dungskraft fehlt,

2.die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung [...] oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienst­leis­tungen dienen können,

[...]

** § 8 Abs. 3 MarkenG

Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 findet keine Anwendung, wenn die Marke sich vor dem Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung infolge ihrer Benutzung für die Waren oder Dienst­leis­tungen, für die sie angemeldet worden ist, in den beteiligten Verkehrskreisen durchgesetzt hat.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil21277

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI