18.10.2024
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Dokument-Nr. 2611

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Urteil29.06.2006Bundesgerichtshof5 StR 482/05, 5 StR 483/05, 5 StR 484/05, 5 StR 485/05,
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Bundesgerichtshof Urteil29.06.2006

BGH entwickelt anläßlich des "Wupptertaler Korrup­ti­o­ns­ver­fahrens" Rechtsprechung zur Untreue fortVerurteilungen des Landgerichts Wuppertal weitgehend bestätigt

In dem Revisi­ons­ver­fahren gegen die Urteile des Landgerichts Wuppertal im Korrup­ti­o­ns­ver­fahren um die GWG und den damaligen Oberamtsanwalt wandten sich die Angeklagten gegen die verhängten Freiheits­s­trafen. Die Staats­an­walt­schaft hingegeben beanstandete den Teilfreispruch des Prokuristen der GWG sowie die Strafzumessung und die Nichtanordnung des Verfalls betreffend der Bauunternehmer.

Das Landgericht hatte zwei frühere Geschäftsführer der Gemeinnützigen Wohnungs­bau­ge­sell­schaft (GWG) der Stadt Wuppertal wegen mehrerer Fälle der Untreue und der Steuerhinterziehung zu Freiheits­s­trafen von sechs Jahren bzw. fünf Jahren und sechs Monaten sowie zu hohen Schaden­s­er­satz­zah­lungen an die GWG verurteilt. Einen Prokuristen der GWG hat es wegen Untreue zu einer Bewäh­rungs­strafe verurteilt, von den Vorwürfen weiterer Untreu­e­hand­lungen und der Steuer­hin­ter­ziehung indes freigesprochen. Den Vorstands­vor­sit­zenden einer privatrechtlich organisierten Stiftung hat das Landgericht wegen Bestechung in Tateinheit mit Untreue zu einer Bewäh­rungs­strafe sowie wegen Steuer­hin­ter­ziehung zu einer Geldstrafe verurteilt. Einen frühpen­si­o­nierten ehemaligen Oberamtsanwalt, der ebenfalls Vorstands­mitglied dieser und einer weiteren Stiftung war, hat es wegen mehrerer Fälle der Bestechung und Untreue zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten sowie zu hohen Schaden­s­er­satz­zah­lungen an die GWG und an eine der Stiftungen verurteilt. Schließlich hat das Landgericht einen Wuppertaler Bauunternehmer wegen Beteiligung an den Untreuedelikten zu einer Bewäh­rungs­strafe und wegen Steuer­hin­ter­ziehung zu einer Geldstrafe verurteilt.

Den Verurteilungen lag nach den Feststellungen des Landgerichts im Wesentlichen Folgendes zu Grunde: Die beiden Stiftungen planten jeweils die Errichtung von Altenwohnheimen in Wuppertal. Dem ehemaligen Oberamtsanwalt gelang es, die GWG zur Übernahme von größeren Teilen der beiden Projekte zu bewegen. Die GWG ließ die erforderlichen Baumaßnahmen durch den Bauunternehmer ausführen. Der Auftragsvergabe und zwei Grund­s­tück­s­an­käufen zu überteuerten Preisen durch die GWG war vorausgegangen, dass die Geschäftsführer der GWG großzügige Geld- und Sachzuwendungen von dem ehemaligen Oberamtsanwalt erhielten; dieser bekam wiederum für seine Bemühungen eine erhebliche Provision durch den Bauunternehmer. Die erhaltenen Vorteile wurden von den Empfängern überwiegend nicht versteuert. Darüber hinaus verpflichteten die Vorstands­mit­glieder einer der Stiftungen ein Mitglied der Fraktion der Grünen im Wuppertaler Stadtrat als Berater, damit dieser natur­schutz­rechtliche Maßnahmen der Stadt Wuppertal im Interesse dieser Angeklagten in den politischen Gremien der Stadt lenken sollte. Zudem machten sie im Zusammenwirken mit dem Bauunternehmer gegenüber jener Stiftung überhöhte Kosten für eine nachträglich von der Stiftung übernommene Altlas­ten­be­sei­tigung geltend.

Der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundes­ge­richtshofs hat die Verurteilungen der Geschäftsführer der GWG überwiegend bestätigt und seine Rechtsprechung zur Untreue im Zusammenhang mit Korruption fortentwickelt: Kommt es durch Schmiergeldzahlungen zur Ausschaltung des markt­wirt­schaft­lichen Wettbewerbs, werden dadurch regelmäßig überhöhte Preise erzielt; ein Vermö­gens­nachteil für das geschädigte Unternehmen wird zumindest in Höhe derjenigen Rechnungsposten bestehen, die sachfremd sind oder sich unter Wettbe­wer­bs­be­din­gungen nicht ohne weiteres durchsetzen lassen. Dies betraf vorliegend die vom Bauunternehmer an den ehemaligen Oberamtsanwalt gezahlten erheblichen Provisionen in Millionenhöhe.

Nur in den beiden die Grund­s­tück­s­ankäufe betreffenden Untreuefällen hat der Bundes­ge­richtshof die Verurteilungen beanstandet. In einem der Fälle, der zugleich den Prokuristen der GWG betrifft, hat der Bundes­ge­richtshof die Angeklagten freigesprochen, in dem zweiten Fall die Strafzumessung bemängelt. Die Revision der Staats­an­walt­schaft gegen die Teilfreisprüche bei dem Prokuristen der GWG hat nur insoweit Erfolg, als dieser Angeklagte vom Vorwurf - eher geringfügiger – Steuer­hin­ter­zie­hungen freigesprochen wurde. Die Revision des Bauunternehmers hat der Bundes­ge­richtshof ebenso verworfen wie die gegen diesen Angeklagten gerichtete Revision der Staats­an­walt­schaft; lediglich den gegen das Bauunternehmen selbst angeordneten Verfall hat der Bundes­ge­richtshof aufgehoben.

Nachdem der Bundes­ge­richtshof mit Urteil vom 9. Mai 2006 bereits eine Grund­sat­z­ent­scheidung zur Frage der Strafbarkeit der Bestechung von Mitgliedern kommunaler Volks­ver­tre­tungen getroffen hatte, entfiel damit die Notwendigkeit, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfragen über die Revisionen der Stiftungs­vor­stände nach einer öffentlichen Haupt­ver­handlung durch Urteil zu entscheiden. Insoweit hat der Senat die betreffenden Urteile teilweise aufgehoben.

In allen Verfahren hat der Senat von einer Entscheidung über die im Strafverfahren erhobenen Schaden­s­er­satz­klagen der geschädigten Stiftungen und der GWG mit Blick auf die erfolgten Teilaufhebungen und nicht hinreichend geklärte zivilrechtliche Haftungs­vor­aus­set­zungen abgesehen. Die Geschädigten können ihre Ansprüche nunmehr im Zivilrechtswege verfolgen.

Das Landgericht wird auf der Grundlage der rechtskräftigen Schuldsprüche neue Strafen zu verhängen, das Geschehen im Hinblick auf die Stiftungs­vor­stände unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Strafbarkeit nach § 108 e StGB (Abgeord­ne­ten­be­stechung) zu prüfen und über die angeklagten Steuer­hin­ter­zie­hungs­delikte des Prokuristen zu befinden haben.

Erläuterungen
Urteile vom 29. Juni 20065 StR 482 bis 485/05

Beschlüsse vom 29. Juni 2006 – 5 StR 76/06 und 77/06

Vorinstanz

Landgericht Wuppertal – Urteile vom 14. November 2003, 17. Dezember 2003, 27. April 2004, 26. Mai 2004, 15. Juni 2004 und 29. Juni 2004 - 211 Js 370/99 26 KLs 14/02 VI

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 94/06 des BGH vom 29.06.2006

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