18.10.2024
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Dokument-Nr. 4762

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Urteil28.10.2004Bundesgerichtshof3 StR 301/03
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BGHSt 49, 275Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshof in Strafsachen (BGHSt), Band: 49, Seite: 275
  • JR 2005, 509Zeitschrift: Juristische Rundschau (JR), Jahrgang: 2005, Seite: 509
  • NJW 2004, 3569Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2004, Seite: 3569
  • NStZ 2005, 509Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ), Jahrgang: 2005, Seite: 509
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil28.10.2004

BGH zur Strafbarkeit von Wahlkampfs­penden an AmtsträgerStraf­tat­be­stände der Vorteilsannahme und der Vorteils­ge­währung sind einschränkend auszulegen

Die straf­recht­lichen Tatbestände §§ 331, 333 StGB müssen bei Wahlkampfs­pen­den­fällen einschränkend ausgelegt werden. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden. Nach Auffassung des Bundes­ge­richtshofs folgt dies aus dem Gesichtspunkt der passiven Wahlgleichheit.

Das Landgericht in Wuppertal hatte den Oberbür­ger­meister der Stadt, Dr. Kremendahl, vom Vorwurf der Vorteilsannahme (§ 331 StGB) freigesprochen. Zugleich hatte es den Bauunternehmer Clees unter anderem wegen Vorteilsgewährung (§ 333 StGB) zu einer Bewäh­rungs­strafe verurteilt. Der mit dem Revisi­ons­ver­fahren befaßte 3. Strafsenat des Bundes­ge­richtshofs hat das Urteil aufgehoben.

Der im Raum Wuppertal als Großinvestor tätige Bauunternehmer hatte dem Oberbür­ger­meister finanzielle Unterstützung für dessen Wahlkampf bei der Oberbür­ger­meis­terwahl im Jahre 1999 angeboten. Es war ihm ein Anliegen, daß dieser seine inves­to­ren­freundliche Politik nach den Wahlen fortsetzen konnte. Beiden war klar, daß konkrete Bauobjekte des Bauunternehmers auch zukünftig Gegenstand der Amtstätigkeit des Oberbür­ger­meisters sein würden. Dieser lehnte direkte Zahlungen an ihn selbst ab und bat, statt dessen Spenden an seine Partei zu leisten. Der Bauunternehmer zahlte daraufhin im Jahr 1999 für den Oberbür­ger­meis­ter­wahlkampf 500.000 DM an die SPD Wuppertal.

Bei der rechtlichen Bewertung dieses Sachverhalts ist davon auszugehen, daß das den Angeklagten vorgeworfene Verhalten nach dem Wortlaut der einschlägigen §§ 331, 333 StGB den Tatbestand der Vorteilsannahme bzw. –gewährung erfüllt. Diese Vorschriften setzen seit einer 1997 - also 2 Jahre vor den Taten - in Kraft getretenen Verschärfung des Korrup­ti­o­nss­traf­rechts nicht mehr voraus, daß Vorteile für eine bestimmte Diensthandlung angenommen bzw. gewährt werden. Vielmehr genügt abweichend vom alten Recht, wenn die Vorteils­ge­währung lediglich der allgemeinen „Klimapflege“ dient.

Einschränkende Auslegung

Für die in Frage stehenden Fälle von Wahlkampfspenden müssen die genannten Tatbestände jedoch einschränkend ausgelegt werden. Nach Auffassung des Bundes­ge­richtshofs folgt dies aus dem Gesichtspunkt der passiven Wahlgleichheit. Bei einer wortlaut­ge­treuen Auslegung wäre der Amtsträger, der sich um seine Wiederwahl bewirbt und dem § 331 StGB die Entgegennahme von Wahlkampfs­penden unter Strafandrohung untersagt, gegenüber einem Mitbewerber, der als (Noch-) Nicht-Amtsträger diesem Verbot nicht unterworfen ist, in verfas­sungs­rechtlich nicht hinnehmbarer Weise benachteiligt. Als Ergebnis der gebotenen restriktiven Auslegung können Spenden, mit denen der Amtsträger wegen seiner allgemeinen politischen Ausrichtung unterstützt wird, nicht als tatbe­standsmäßig angesehen werden. Die Grenze zur strafbaren Vorteilsannahme ist aber überschritten, wenn der Amtsträger durch die Entgegennahme der Spende den Eindruck der Käuflichkeit in seiner Amtsführung nach Wiederwahl erweckt, d.h. wenn er sich bereit zeigt, als Gegenleistung für die Wahlkamp­f­un­ter­stützung im Falle seiner Wahl eine konkrete, den Interessen des Vorteilsgebers förderliche Entscheidung zu treffen, oder sich in der Entschei­dungs­findung zu dessen Gunsten beeinflussen zu lassen.

Da das Landgericht bei seiner rechtlichen Würdigung des Sachverhalts zwar die Notwendigkeit einer einschränkenden Auslegung der §§ 331, 333 StGB erkannt, diese aber in anderer, rechtlich bedenklicher Weise vorgenommen und sich deswegen bei der Aufklärung des Geschehens nicht an den maßgeblichen Gesichtspunkten orientiert hat, konnten der Freispruch des Angeklagten Dr. Kremendahl und die Verurteilung des Angeklagten Clees wegen Vorteils­ge­währung keinen Bestand haben.

Das Revisi­ons­ver­fahren hat dem Bundes­ge­richtshof auch Gelegenheit gegeben, sich erstmals mit der Frage ausein­an­der­zu­setzen, ob und unter welchen Voraussetzungen irreführende Angaben im Rechen­schafts­bericht einer Partei (konkret: Aufteilung einer Spende auf mehrere Scheinspender), die zu überhöhten Zuschüssen im Rahmen der staatlichen Teilfi­nan­zierung führen, als Betrug strafbar sind. Insofern hat er die Auffassung des Landgerichts, das eine solche Strafbarkeit bejaht und den Angeklagten Clees sowie einen seiner Mitarbeiter wegen Beihilfe zum Betrug verurteilt hat, im Grundsatz als zutreffend bestätigt, die Verurteilung aber im Ergebnis wegen fehlerhafter Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite aufgehoben.

Erläuterungen

Wortlaut der Vorschriften

Vorteilsannahme

§ 331 Abs. 1 StGB aF

(1) Ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der einen Vorteil als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

§ 331 Abs. 1 StGB nF (gültig ab 20. August 1997)

(1) Ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Vorteilsgewährung

§ 333 Abs. 1 StGB aF

(1) Wer einem Amtsträger, einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundeswehr als Gegenleistung dafür, daß er eine in seinem Ermessen stehende Diensthandlung künftig vornehme, einen Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

§ 333 Abs. 1 StGB nF (gültig ab 20. August 1997)

(1) Wer einem Amtsträger, einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundeswehr für die Dienstausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten anbietet, verspricht oder gewährt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 122/04 des BGH vom 28.10.2004

der Leitsatz

StGB §§ 263, 331, 333

1. Zur einschränkenden Auslegung der §§ 331, 333 StGB bei Einwerbung von Wahlkampfs­penden durch einen Amtsträger, der sich um seine Wiederwahl bewirbt.

2. Zum Betrug durch unrichtige Rechen­schafts­be­richte einer Partei im Zusammenhang mit der staatlichen Teilfi­nan­zierung der Parteien.

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