15.11.2024
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Dokument-Nr. 2674

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Urteil12.07.2006Bundesgerichtshof2 StR 557/05
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Bundesgerichtshof Urteil12.07.2006

"Kölner Müllskandal" - BGH hebt Veruteilung wegen Bestechlichkeit aufLG Köln muss auch Tatbestand der Abgeord­ne­ten­be­stech­lichkeit überprüfen

Der Bundes­ge­richtshof hat die Verurteilung des ehemaligen Vorsitzenden und Geschäfts­führers der SPD-Fraktion im Kölner Stadtrat wegen Bestechlichkeit in Tateinheit mit Beihilfe zur Bestechlichkeit aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Köln zurückverwiesen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte auf Wunsch des damaligen Oberstadt­di­rektors Dr. H., der sich bei der Kommunalwahl 1999 für die SPD um das Amt des Oberbür­ger­meisters bewarb, zur Finanzierung des Wahlkamp-fes den Unternehmer T., dessen Firmengruppe im Bereich der Abfall­wirt­schaft tätig war und der eine private Übernahme der Müllabfuhr der Stadt Köln anstrebte, um eine Spende gebeten. Die daraufhin von T. an den Angeklagten in bar übergebenen 150.000 DM leitete dieser in der Folge über von ihm verwaltete „schwarze“ Kassen der Kölner SPD zu; das Geld wurde für den Wahlkampf des Kandidaten Dr. H. verwendet. Bei der Annahme der Spende war dem Angeklagten bewusst, dass T. mit der Zahlung die Erwartung verband, dass der Angeklagte und nach seiner Wahl zum Oberbür­ger­meister Dr. H. die SPD-Fraktion im Kölner Stadtrat in der Frage der Privatisierung der städtischen Abfall­wirt­schaft in seinem Sinne beeinflussen und bei zukünftigen Abstimmungen im Rat der Stadt auch selbst so abstimmen würden.

Das Landgericht Köln hatte den Angeklagten als Amtsträger angesehen, weil er als kommunaler Mandatsträger eine einem öffentlich Bediensteten ähnliche Stellung innegehabt habe. Es hatte daher sein Verhalten als eigene Bestechlichkeit und zugleich als Beihilfe zur Bestechlichkeit des Dr. H. gewertet und ihn zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten verurteilt.

Der 2. Strafsenat hat sich in der seit langem umstrittenen Frage, ob Gemeinderäte und andere kommunale Mandatsträger als Amtsträger im Sinne der Beste­chungs­delikte oder als Abgeordnete anzusehen sind, für die im Hinblick auf ihre freie Mandat­s­tä­tigkeit weniger enge Sonder­re­ge­lungen gelten, im Ergebnis der Rechtsansicht des 5. Strafsenats des Bundes­ge­richtshofs angeschlossen, die dieser in einem Urteil vom 9. Mai 2006 vertreten hat. Danach sind Mitglieder kommunaler Volks­ver­tre­tungen nur dann Amtsträger, wenn sie mit der Erledigung konkreter Verwal­tungs­aufgaben betraut sind, nicht aber in der Ausübung ihres freien Mandats in der kommunalen Volksvertretung und den zugehörigen Ausschüssen. Zwar ist die Tätigkeit der kommunalen Vertretungen nicht dem Bereich der Gesetzgebung, sondern dem der Verwaltung zuzuordnen. Soweit die gewählten Volksvertreter aber ihr freies Mandat wahrnehmen, sind sie nicht wie Staats­be­dienstete in eine behördliche Organisations- und Weisungs­struktur eingebunden. Nach Ansicht des Senats änderte hieran auch nichts, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt nicht nur Ratsmitglied, sondern auch Fraktionsführer und Frakti­o­ns­ge­schäfts­führer war.

Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Beihilfe zur Bestechlichkeit des damaligen Oberstadt­di­rektors Dr. H., der in dieser Funktion Amtsträger war, hat der Senat als rechts­feh­lerfrei angesehen. Er hat das Urteil gleichwohl insgesamt aufgehoben, weil nach seiner Ansicht eine Verurteilung des Angeklagten auch wegen täter­schaft­licher Abgeord­ne­ten­be­stech­lichkeit gem. § 108 e Abs. 1, 2. Alt. StGB in Betracht kommt. Insoweit wären noch nähere Feststellungen insbesondere zum genauen Inhalt der Vereinbarung zwischen dem Angeklagten und dem Unternehmer T. erforderlich. Von einer Strafverfolgung dieses Delikts hatte das Landgericht in der ersten Haupt­ver­handlung gem. § 154 a StPO vorläufig abgesehen; der Senat geht davon aus, dass insoweit in der neuen Haupt­ver­handlung eine Wieder­ein­be­ziehung erfolgen wird.

Erläuterungen
Vorinstanz

Landgericht Köln – Urteil vom 1. September 2005 - 114 Js 105/03 - 107-14/05

aus dem Gesetz

StGB § 108 e Abgeord­ne­ten­be­stechung

(1) Wer es unternimmt, für eine Wahl oder Abstimmung im Europäischen Parlament oder in einer Volksvertretung des Bundes, der Länder, Gemeinden oder Gemein­de­verbände eine Stimme zu kaufen oder zu verkaufen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wegen einer Straftat nach Absatz 1 kann das Gericht die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, und das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stim-men, aberkennen.

StGB § 332

(1) Ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. …

(3) Falls der Täter den Vorteil als Gegenleistung für eine künftige Handlung fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, so sind die Absätze 1 und 2 schon dann anzuwenden, wenn er sich dem anderen gegenüber bereit gezeigt hat,

1) bei der Handlung seine Pflichten zu verletzen oder,

2) so weit die Handlung in seinem Ermessen steht, sich bei der Ausübung des Ermessens durch den Vorteil beeinflussen zu lassen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 102/06 des BGH vom 12.07.2006

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