Dokument-Nr. 3207
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Bundesgerichtshof Urteil18.10.2006
BGH hebt Urteil gegen Ex-Minister Kanther teilweise aufZurückweisung an das Landgericht aufgrund von Sachrügen
Das Landgericht Wiesbaden hatte mit Urteil vom 18. April 2005 den Angeklagten Kanther wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten mit Bewährung, den Angeklagten Weyrauch wegen Beihilfe hierzu zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 170,- Euro verurteilt. Der Bundesgerichtshof hat dieses Urteil nun teilweise aufgehoben und an das Landgericht zur Neuverhandlung zurückgewiesen.
Der Angeklagte Kanther war von 1970 bis 1987 Landesgeschäftsführer, von 1991 bis 1998 Landesvorsitzender der CDU Hessen. Nach den Feststellungen des Landgerichts verfügte der Landesverband im Jahr 1983 über Geldvermögen in Höhe von 22 Mio. DM, das in dem offiziellen Rechnungswerk der CDU nicht enthalten war und dessen Herkunft das Landgericht nicht aufklären konnte. Um es vor dem staatlichen Zugriff im Zusammenhang mit der damaligen "Flick-Spenden-Affäre" in Sicherheit zu bringen und der CDU Hessen zu erhalten, transferierten die Angeklagten im Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg, der bis 1998 das Amt des Schatzmeisters der CDU Hessen innehatte, das Geldvermögen auf ein verschleiertes Treuhandkonto in der Schweiz. Dies wurde gegenüber den Führungsgremien und den Mitgliedern der Partei geheim gehalten. Bis zum Jahr 1993 verwaltete der Angeklagte Weyrauch das Treuhandkonto vereinbarungsgemäß; hierbei wurden durch Geldanlagen teilweise auch erhebliche Gewinne erwirtschaftet. Auf jeweilige Anforderung des Angeklagten Kanther transferierte der Angeklagte Weyrauch erhebliche Beträge auf Konten der CDU Hessen zurück, indem er sie bar abhob und über verschleierte Drittkonten an die CDU überwies. Der Angeklagte Kanther wandte diese Beträge sodann nach seinem Ermessen Teilorganisationen der Partei zu, insbesondere im Zusammenhang mit der Finanzierung von Wahlkämpfen und sonstigen politischen Kampagnen. Im Jahre 1993 überführte der Angeklagte Weyrauch in Absprache mit Prinz Wittgenstein die in der Schweiz befindlichen Guthaben auf Konten einer zu diesem Zweck in Liechtenstein gegründeten Stiftung (Stiftung "Zaunkönig"). Hintergrund dieser Neuordnung war die zum 1. Januar 1994 in Kraft tretende Neufassung des Parteiengesetzes, von der die Angeklagten verschärfte Kontrollen des Rechnungswerks der Parteien befürchteten. Der Angeklagte Kanther hatte von der Übertragung an die Stiftung Kenntnis.
Gegenstand der Verurteilung durch das Landgericht waren nur Handlungen der Angeklagten ab dem Jahr 1995. Nach den Feststellungen des Landgerichts lief das schon ab 1983 praktizierte System verdeckter Finanzierung weiter. Der Angeklagte Kanther offenbarte der CDU Hessen sein Wissen um das Auslandsvermögen nicht. Vielmehr wirkte er an der Vorlage und Verabschiedung von Haushaltsplänen der CDU Hessen und Rechenschaftsberichten der CDU Hessen und der Bundespartei mit, die nach seiner Kenntnis unrichtig waren, weil in ihnen das in der Liechtensteinischen Stiftung verborgene Vermögen nicht aufgeführt war. Der Angeklagte Weyrauch nahm wider besseres Wissen die Testate für die jährlich abgegebenen unrichtigen Rechenschaftsberichte vor. Eine persönliche Bereicherung der Angeklagten hat das Landgericht nicht festgestellt.
Nach Ansicht des Landgerichts traf den Angeklagten Kanther in seiner Funktion eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Partei. Durch die von ihm als Täter vorgenommene pflichtwidrige Verschleierung des Parteivermögens vor den Organen der Partei sei dem Landesverband Hessen und dem Bundesverband der CDU ein Nachteil im Sinne eines Gefährdungsschadens entstanden. Der Angeklagte Weyrauch, den selbst keine Vermögensbetreuungspflicht traf, habe hierzu Beihilfe geleistet. Der Landesverband habe aufgrund falscher Haushaltspläne über die Gelder nicht verfügen können; hierdurch sei ihm ein Gefährdungsschaden entstanden. Der Bundespartei, in deren jährliche Rechenschaftsberichte gegenüber dem Präsidenten des Deutschen Bundestags das falsche Rechnungswerk des Landesverbands Hessen jeweils einging, habe aufgrund der Abgabe falscher Rechenschaftsberichte der Verlust der staatlichen Parteienfinanzierung gedroht, dem Landesverband die Gefahr eines Regresses durch die Bundespartei. Tatsächlich wurde dem CDU-Bundesverband durch Bescheid des Bundestagspräsidenten vom 14. Februar 2000 später ein Betrag von rund 41 Mio. DM an staatlicher Mittelzuwendung versagt; der Landesverband Hessen geriet durch die erforderlichen Ausgleichszahlungen in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten, die Sonderumlagen bei den Parteimitgliedern erforderlich machten.
Gegen das Urteil wenden sich die Revisionen der beiden Angeklagten mit Verfahrensrügen und mit der Sachrüge.
Der 2. Strafsenat hat das Urteil auf die Sachrügen hin nun teilweise aufgehoben, im übrigen aber die Revisionen als unbegründet verworfen. Zutreffend sei das Landgericht davon ausgegangen, dass die Verbringung der Parteigelder auf Schweizer Konten im Jahre 1983, ihre Überführung in das Vermögen der Zaunkönig-Stiftung und ihre fortlaufende Verheimlichung gegenüber der CDU Hessen eine Untreue gem. § 266 StGB zum Nachteil des Landesverbandes darstellt, die erst mit der Rückführung der Gelder im Jahre 2000 beendet war. Der Vermögensnachteil liegt nach Ansicht des Senats in einer konkreten Vermögensgefährdung, die durch Bildung einer "Schwarzen Kasse", verbunden mit der Intention der Angeklagten, zwar im Interesse der Partei, letztlich aber nach eigenem Gutdünken hierüber zu verfügen, eingetreten ist. Soweit im abgeurteilten Tatzeitraum einmal - im Jahre 1995 - 3,5 Mio. DM (als Vermächtnis verschleiert) nicht an den Landesverband sondern an den davon zu unterscheidenden selbständigen Stadtkreisverband Frankfurt am Main geflossen sind, ist die konkrete Vermögensgefährdung sogar in einen tatsächlichen Schaden umgeschlagen.
Hinsichtlich des Komplexes der Abgabe falscher Rechenschaftsberichte hat das Landgericht nach Ansicht des 2. Strafsenats aber den Vorsatz der Angeklagten nicht rechtsfehlerfrei bejaht, indem es lediglich - ohne nähere Begründung - aus dem Wissen um die Möglichkeit des Verlustes staatlicher Parteienfinanzierung bei Abgabe falscher Rechenschaftsberichte auf eine entsprechende Billigung dieses Verlustes geschlossen hat. Die Angeklagten wollten nach den Feststellungen aber den Eintritt eines Verlustes unbedingt vermeiden. Eine Billigung des Schadenseintritts, die der Senat bei Untreue durch Vermögensgefährdung für erforderlich hält, lag daher nicht vor. Der Senat meint, dass weitere Feststellungen zum Vorsatz auch in einer neuen Hauptverhandlung nicht mehr zu erwarten sind. Trotzdem schied ein Teilfreispruch durch den Senat aus, da die Abgabe der falschen Rechenschaftsberichte jeweils auch einen Betrug (§ 263 StGB) zum Nachteil der Bundesrepublik Deutschland darstellen kann. Insoweit hatte allerdings die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach § 154 a StPO beschränkt. Der neue Tatrichter wird nunmehr Gelegenheit haben, zu prüfen, ob diese Gesetzesverletzung wieder in das Verfahren einzubeziehen ist.
Der Rechtsfehler schlägt, da die Strafkammer fälschlicherweise die Abgabe falscher Rechenschaftsberichte nicht jeweils als selbständige Taten, sondern als eine Tat zusammen mit der Unterhaltung der "Schwarzen Kasse" bewertet hat, auf den Strafausspruch durch. Der Schuldspruch war daher insoweit, der Strafausspruch insgesamt, aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Erläuterungen
VorinstanzLandgericht Wiesbaden - 6 Js 320.4/00 16 KLs
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 19.10.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 140/06 des BGH vom 18.10.2006
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