21.11.2024
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Dokument-Nr. 15495

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Beschluss20.02.2013Bundesgerichtshof1 StR 585/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • JuS 2013, 945Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 2013, Seite: 945
  • NJW 2013, 1379Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 1379
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Vorinstanz:
  • Landgericht Stuttgart, Urteil10.07.2012, 20 KLs 57 Js 58352/11
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss20.02.2013

Verabredete Schlägereien schützen nicht vor Strafe: Körper­ver­let­zungen trotz Einwilligung zu tätlichen Auseinander­setzungen zwischen rivalisierenden Gruppen sittenwidrigErteilte Zustimmung zu eigenen Verletzungen und verabredeten wechselseitigen Tätlichkeiten unwirksam

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass eine erteilte Zustimmung zu eigenen Verletzungen und verabredeten wechselseitigen Tätlichkeiten zwischen rivalisierenden Gruppen unwirksam ist, weil die typischerweise eintretenden gruppen­dy­na­mischen Prozesse generell mit einem so erheblichen Grad an Gefährdung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der Kontrahenten verbunden sind, dass die Grenze der "Sitten­wid­rigkeit" der Taten überschritten ist.

Im zugrunde liegenden Fall hatte das Landgericht Stuttgart drei heranwachsende Angeklagte wegen gemein­schaft­licher gefährlicher Körperverletzung zu unter­schied­lichen Sanktionen des Jugend­s­traf­rechts verurteilt. Sie hatten die Taten als Mitglieder einer Jugendgruppe begangen, die nach vorangegangenen wechselseitigen Provokationen mit Angehörigen einer weiteren Gruppe Jugendlicher und junger Erwachsener verabredet hatte, sich miteinander zu schlagen. Die an dieser faktisch zustande gekommenen Übereinkunft Beteiligten beider Gruppen stimmten zu, die Ausein­an­der­setzung auch mit Faustschlägen und Fußtritten auszutragen. Den Eintritt selbst erheblicher Verletzungen billigten sie jeweils. Im Verlaufe der wechselseitigen Tätlichkeiten erlitten mehrere Angehörige der gegnerischen Gruppe nicht unerhebliche Verletzungen. So musste etwa einer der "Gegner" drei Tage stationär, davon einen Tag auf der Intensivstation, behandelt werden.

LG: Körper­ver­let­zungen verstößt trotz Einwilligungen gegen die "guten Sitten"

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen der von ihnen begangen oder als Mittäter der übrigen Gruppen­mit­glieder zu verantwortenden Körper­ver­let­zungen verurteilt. Die von den später Verletzten aus der gegnerischen Gruppe erteilten Einwilligungen in die Schläge und Tritte hat es nicht als Rechtfertigung zugunsten der Angeklagten gewertet. Nach Auffassung des Tatgerichts verstießen die Körper­ver­let­zungen trotz dieser Einwilligungen im Sinne von § 228 StGB gegen die "guten Sitten".

BGH sieht Grenze der "Sitten­wid­rigkeit" bei Taten überschritten

Mit ihren Revisionen haben sich die Angeklagten u.a. gegen diese rechtliche Bewertung gewandt. Der Bundes­ge­richtshof hat die Rechtsmittel jedoch verworfen und im Ergebnis die Rechts­auf­fassung des Landgerichts bestätigt. Die Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs hat bislang bereits Einwilligungen von späteren Opfern von Körper­ver­let­zungen keine rechtfertigende Wirkung beigemessen, wenn die Taten mit einer konkreten Gefahr des Todes für die Opfer verbunden sind. Nunmehr hat der 1. Strafsenat deutlich gemacht, dass jedenfalls bei wie hier verabredeten wechselseitigen Tätlichkeiten zwischen Gruppen § 228 StGB die Wirksamkeit der erteilten Zustimmung zu eigenen Verletzungen regelmäßig ausschließt, weil die typischerweise eintretenden gruppen­dy­na­mischen Prozesse generell mit einem so erheblichen Grad an Gefährdung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der Kontrahenten verbunden sind, dass die Grenze der "Sitten­wid­rigkeit" der Taten überschritten ist.

Entscheidung wird Auswirkungen auf strafrechtliche Bewertung bei Schlägereien zwischen rivalisierenden Hooligan-Gruppen haben

Die Entscheidung des 1. Strafsenats wird - auch wenn darüber nicht unmittelbar zu entscheiden war - Auswirkungen auf die strafrechtliche Bewertung verabredeter Schlägereien zwischen rivalisierenden Hooligan-Gruppen haben (häufig so genannte Dritte Halbzeit). Selbst wenn solche körperlichen Ausein­an­der­set­zungen auf getroffenen Abreden über die Art des "Kampfes" beruhen, werden sich die Taten wegen der typischen Eskala­ti­o­ns­ge­fahren trotz der Einwilligungen sämtlicher Beteiligungen als Verstoß gegen die "guten Sitten" erweisen.

Sportwettkämpfe von Entscheidung nicht betroffen

Dagegen sind mit erheblichen Gesund­heits­ge­fahren verbundene Sportwettkämpfe auch bei Austragung durch Mannschaften nicht betroffen. Das vorhandene Regelwerk der Sportarten, dessen Einhaltung regelmäßig durch eine neutrale Instanz kontrolliert wird, begrenzt üblicherweise den für die Beteiligten vorhandenen Gefährdungsgrad. Wie schon bisher sind strafbare Körper­ver­let­zungen hier erst dann gegeben, wenn diese aus grob regelwidrigem Verhalten hervorgehen.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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