Dokument-Nr. 17557
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- NStZ 2014, 30Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ), Jahrgang: 2014, Seite: 30
- Landgericht Kempten, Urteil04.04.2013
Bundesgerichtshof Beschluss21.08.2013
Andauernder Würgegriff aus Angst vor weiteren Angriffen schließt Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge ausMögliches Vorliegen einer strafbaren fahrlässigen Tötung / Erlaubnistatbestandsirrtum bei Putativnotwehrlage
Wer von einer Person angegriffen wird und ihn deshalb in den Schwitzkasten nimmt, handelt in Notwehr. Wird die Person über die Notwehrlage hinaus gewürgt und stirbt dabei, weil das Opfer befürchtete, der Täter simuliere nur, so liegt keine vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) vor. Es kommt aber eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung in Betracht. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Mai 2012 trafen sich zwei Bekannte in einer Wohnung um zusammen eine Flasche Wodka zu trinken. Nachdem diese geleert war und beide erheblich betrunken waren, wollte der Wohnungsinhaber ins Bett gehen. Sein Bekannter war damit aber nicht einverstanden und wollte den Abend weiter feiern. Nachdem der Wohnungsinhaber wiederholt auf seine Müdigkeit hinwies, fing der Bekannte an ihn mit der Faust zu schlagen. Zunächst versuchte der Wohnungsinhaber die Schläge abzuwehren, da sein Bekannter aber weiterhin aggressiv war, nahm er ihn schließlich in den Schwitzkasten. Dadurch konnte er weitere Attacken verhindern. Nach einiger Zeit beruhigte sich sein Bekannter. Da der Wohnungsinhaber aber befürchtete, dass dieser nur simuliert und es daher zu weiteren Schlägen kommen kann, wenn er ihn loslässt, behielt er ihn im Würgegriff. Dies führte jedoch zum Tode seines Bekannten.
Landgericht sah Strafbarkeit wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Das Landgericht Kempten bejahte zwar zunächst das Vorliegen einer Notwehrlage. Es hielt aber den fortdauernden Würgegriff nicht mehr für erforderlich, um den Angriff zu beenden. Die Befürchtungen des Wohnungsinhabers, sein Bekannter könne simulieren, hielt das Gericht für unerheblich. Es verurteilte den Wohnungsinhaber daher wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Gegen diese Entscheidung legte er Revision ein.
BGH hielt vorsätzliches Handeln durch Wohnungsinhaber für zweifelhaft
Der Bundesgerichtshof hielt eine Strafbarkeit des Wohnungsinhabers wegen einer Körperverletzung mit Todesfolge für zweifelhaft. Seiner Ansicht habe das Landgericht nicht das Vorstellungsbild des Wohnungsinhabers außer acht lassen dürfen. Erkenne nämlich das Opfer nicht, dass die Notwehrlage infolge der eingetretenen Kampfunfähigkeit des Angreifers nicht mehr vorliegt, so liege ein Irrtum nach § 16 StGB vor (Erlaubnistatbestandsirrtum). Dieses schließe ein vorsätzliches Handeln aus. In einem solchen Fall komme eine Bestrafung wegen fahrlässiger Tötung (§ 229 StGB) in Betracht, wenn das Opfer die gebotene und ihm zumutbare Sorgfalt verletzt.
Wohnungsinhaber ging von andauernder Notwehrsituation aus
Der Bundesgerichtshof bemängelte, dass das Landgericht nicht hinreichend belegte, weshalb der Wohnungsinhaber habe erkennen müssen, dass es ausreichte, seinen Bekannten nur noch mit einem Haltegriff am Boden zu fixieren. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Wohnungsinhaber meinte, dass der fortdauernde Würgegriff erforderlich sei, um weitere Angriffe seines Bekannten zu verhindern (Putativnotwehr). Er sei daher von einer andauernden Notwehrsituation ausgegangen.
Urteil des Landgerichts wurde aufgehoben
Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Landgerichts daher auf und wies es zur Neuentscheidung zurück.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 23.01.2014
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)
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