15.11.2024
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Dokument-Nr. 25767

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Urteil22.11.2016Bundesgerichtshof1 StR 354/16
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2017, 418Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2017, Seite: 418
  • NJW-Spezial 2017, 89Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2017, Seite: 89
  • NStZ 2017, 223Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ), Jahrgang: 2017, Seite: 223
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Vorinstanz:
  • Landgericht Bamberg, Urteil10.12.2015, 22 Ks 2101 Js 16013/14
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil22.11.2016

BGH: Herum­ste­hen­lassen einer Flasche mit unverdünntem Gamma­bu­ty­ro­lacton (GBL) begründet Pflicht zum Herbeirufen eines Notarztes bei Konsum des GBL durch PartygästeStrafbarkeit wegen Körper­ver­letzung durch Unterlassen mit Todesfolge

Lässt ein Drogenkonsument auf einer Party eine Flasche mit unverdünntem GBL stehen und konsumiert einer der Partygäste das GBL in unbekannter Menge, so muss der Besitzer der Flasche ärztliche Hilfe herbeirufen. Tut er dies nicht und stirbt der Konsument, so kann eine Strafbarkeit wegen Körper­ver­letzung durch Unterlassen mit Todesfolge (§ 227 des Straf­ge­setz­buches - StGB) bestehen. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Auf einer Party einer Wohnge­mein­schaft ließ einer der Partygäste eine Flasche mit unverdünntem, hochkon­zen­triertem (Gamma-Butyrolacton) GBL stehen. Am frühen Morgen tranken zwei der Partygäste eine unbekannte Menge aus der Flasche mit GBL. Sie gingen dabei davon aus, dass die Flasche verdünntes und somit konsumfähiges GBL enthielt. Die beiden Partygäste wurden anschließend müde und begaben sich zum Schlafen in ein Schlafzimmer. Der Besitzer der Flasche, der von dem Konsum des GBL durch die beiden Partygäste wusste, schaute immer wieder nach den beiden. Da es jedoch keine Anzeichen für eine Lebensgefahr bestand, unternahm er nichts weiter. Einige Zeit später erschien ein weiteres Mitglied der Wohnge­mein­schaft und beendete die Party. Daraufhin verließ auch der Besitzer der GBL-Flasche die Wohnung. Nachfolgend verschlechterte sich der Zustand der beiden Drogen­kon­su­menten rapide, so dass das erschienene Mitglied der Wohnge­mein­schaft den Notarzt verständigte. Trotz der ärztlichen Behandlung verstarb einer der Drogen­kon­su­menten. Gegen den Besitzer der GBL-Flasche wurde daraufhin Anklage erhoben.

Landgericht bejaht Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung

Das Landgericht Bamberg verurteilte den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung gemäß § 222 StGB. Eine Strafbarkeit wegen Körper­ver­letzung mit Todesfolge verneinte das Gericht, da es nicht von einer vorsätzlichen Körper­ver­letzung durch den Angeklagten überzeugt war. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Revision der Staats­an­walt­schaft.

Bundes­ge­richtshof sah Strafbarkeit wegen Körper­ver­letzung durch Unterlassen mit Todesfolge

Der Bundes­ge­richtshof entschied zu Gunsten der Staats­an­walt­schaft und hob daher die Entscheidung des Landgerichts auf. Das Verhalten des Angeklagten könne als vorsätzliche Körper­ver­letzung durch Unterlassen mit Todesfolge anzusehen sein. Der Angeklagte hätte ärztliche Hilfe herbeirufen müssen, nachdem er Kenntnis davon erlangte, dass der Verstorbene unverdünntes GBL in unbekannter Menge zu sich genommen hatte. Denn er habe die Herrschaft über die Flasche gehabt und die Flasche frei zugänglich in der Wohnung stehen gelassen. Es sei zudem zu beachten, dass GBL im Verlaufe der Zeit eine Atemdepression und schließlich eine Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff bewirke. Dies könne nur durch eine rechtzeitige künstliche Beatmung verhindert werden.

Kein Vorliegen einer eigen­ver­ant­wort­lichen Selbst­ge­fährdung

Die Pflicht zum Herbeirufen ärztlicher Hilfe sei nicht durch eine eigen­ver­ant­wortliche Selbst­ge­fährdung der Verstorbenen ausgeschlossen gewesen, so der Bundes­ge­richtshof. Er habe schon nicht eigen­ver­ant­wortlich gehandelt, da er das Ausmaß des mit dem Trinken des GBL aus der Flasche verbundenen Risikos grundlegend verkannt hatte. Denn er sei von einer konsumfähigen Konzentration ausgegangen. Darüber hinaus habe er unter Einfluss von Alkohol und weiterer Drogen gestanden, was seine Fähigkeit zur Risikoein­schätzung minderte.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

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