18.12.2024
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Dokument-Nr. 8948

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Urteil16.12.2009Bundesgerichtshof XII ZR 50/08
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Bocholt, Urteil21.09.2007, 14 F 186/06
  • Oberlandesgericht Hamm, Urteil28.02.2008, 1 UF 207/07
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil16.12.2009

BGH zum Mindestbedarf für den Unter­halts­an­spruch bei Betreuung eines nichtehelich geborenen KindesZugebilligter Unter­halts­bedarf darf nicht unter dem Existenzminimum liegen

Einem Unter­halts­be­rech­tigten steht wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes jedenfalls ein Mindestbedarf in Höhe des Existenz­mi­nimums zu, der dem notwendigen Selbstbehalt eines nicht erwerbstätigen Unter­halts­pflichtigen entspricht und gegenwärtig 770,- € monatlich beträgt. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Die Parteien lebten von September 1995 bis März 2006 in nichtehelicher Lebens­ge­mein­schaft zusammen. Im November 1995 wurde der erste Sohn der Klägerin geboren, der aus einer anderen nichtehelichen Beziehung hervorgegangen war. Im August 2000 wurde der gemeinsame Sohn der Parteien geboren, der seit August 2006 die Schule besucht.

Sachverhalt

Die im Jahre 1968 geborene Klägerin war nach Abschluss ihres Studiums der Archäologie lediglich im Rahmen einiger zeitlich befristeter Projekte des Landesamtes für Archäologie erwerbstätig und erzielte daraus Einkünfte, deren Höhe nicht festgestellt ist. Während des Zusammenlebens mit dem Beklagten war sie nicht erwerbstätig. Seit dem Jahre 2006 erzielt sie geringfügige Einkünfte, die sich monatlich auf rund 200 €,- netto belaufen.

Unter­halts­bedarf soll durch Einkünfte aus zumutbarer Erwer­b­s­tä­tigkeit gedeckt werden

Die Klägerin begehrt unbefristeten Betreuungsunterhalt für die Zeit ab Mai 2006 in Höhe von monatlich 908,- €. Das Amtsgericht hat die Klage im Wesentlichen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlan­des­gericht der Klage für die Zeit von Mai 2006 bis Januar 2007 überwiegend stattgegeben. Für die Folgezeit hat es ihr einen Unterhaltsanspruch versagt, weil sie ihren Unter­halts­bedarf durch Einkünfte aus einer zumutbaren eigenen Erwer­b­s­tä­tigkeit decken könne. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin.

Ausschlaggebend ist Lebensstandard vor der Geburt des Kindes

Der Unter­halts­bedarf der Klägerin bestimmt sich gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach ihrer Lebensstellung bei der Geburt des gemeinsamen Kindes. Damit kommt es ausschließlich darauf an, welchen Lebensstandard sie vor der Geburt des Kindes erreicht hatte. Denn der Unter­halts­an­spruch soll sie nur so stellen, wie sie stünde, wenn das gemeinsame Kind nicht geboren wäre. Anders als beim nachehelichen Unterhalt, bei dem sich der Bedarf des geschiedenen Ehegatten auch nach dem bisherigen Einkommen des anderen Ehegatten bemisst, kann die Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes ihren Lebensbedarf nicht vom – ggf. höheren – Einkommen ihres Lebenspartners ableiten, und zwar auch dann nicht, wenn sie längere Zeit mit ihm zusammenlebte (vgl. BGH, Urteil v. 16.07.2008 - XII ZR 109/05 -). Da der Betreu­ungs­un­terhalt ihr eine notwendige persönliche Betreuung des Kindes ermöglichen soll, ohne dass sie in dieser Zeit gezwungen ist, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, ist ihr allerdings ein Unter­halts­bedarf zuzubilligen, der nicht unter dem Existenzminimum liegen darf. Dieses Existenzminimum als unterste Grenze des Unter­halts­bedarfs darf nach der Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs in Höhe des nur wenig darüber hinausgehenden notwendigen Selbstbehalts eines Unter­halts­pflichtigen pauschaliert werden, der gegenwärtig 770,- € monatlich beträgt.

Klägerin legt keine Gründe für weitere notwendige persönliche Betreuung vor

Diesen Mindestbedarf kann die Klägerin ab Februar 2008 in voller Höhe durch zumutbare eigene Erwer­b­s­tä­tigkeit decken. Denn die Klägerin ist ab dieser Zeit – nach der ab Januar 2008 geltenden Neufassung des § 1615 l BGB und erst Recht auf der Grundlage der bis Ende 2007 geltenden früheren Fassung des § 1615 l BGB - jedenfalls zu einer halbschichtigen Erwer­b­s­tä­tigkeit in der Lage. Nach § 1615 l BGB darf sich der betreuende Elternteil nur in den ersten drei Lebensjahren für eine vollzeitige persönliche Betreuung des gemeinsamen Kindes entscheiden. Verlangt er für die Folgezeit weiterhin Betreu­ungs­un­terhalt, muss er im Einzelnen darlegen, dass und in welchem Umfang neben den vorhandenen Möglichkeiten der Betreuung in einer kindgerechten Einrichtung noch eine weitere persönliche Betreuung erforderlich ist. Kindbezogene Gründe, die eine weitere persönliche Betreuung des dann 6 1/2 –jährigen Sohnes erfordern, hatte die Klägerin auch auf ausdrücklichen Hinweis des Oberlan­des­ge­richts nicht vorgetragen. Im Revisi­ons­ver­fahren war deswegen davon auszugehen, dass neben dem Schulbesuch auch eine Nachmit­tags­be­treuung in Betracht kommt. Weil die Klägerin über die Dauer des gemeinsamen Zusammenlebens hinaus auch keine elternbezogenen Verlän­ge­rungs­gründe vorgetragen hatte, ist sie zu einer Erwer­b­s­tä­tigkeit verpflichtet, die deutlich über eine halbschichtige Tätigkeit hinausgeht. Soweit das Oberlan­des­gericht ihr eine halbschichtige Tätigkeit als Archäologin zugemutet hatte, bleibt dies sogar hinter der Erwerbspflicht nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs zurück.

Körperliche Erkrankung für möglichen Unter­halts­an­spruch unerheblich

Ob die an MS erkrankte Klägerin aus gesund­heit­lichen Gründen erwerbsfähig ist oder ob sie einen Arbeitsplatz in ihrem erlernten Beruf als Archäologin finden kann, ist im Rahmen des Unter­halts­an­spruchs wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes unerheblich, weil der Unter­halts­an­spruch nach § 1615 l BGB ihre Lebensstellung nur wegen der notwendigen Kindesbetreuung sichern will. Einen Krank­heits­un­terhalt oder einen Unterhalt wegen Erwer­bs­lo­sigkeit, wie sie die §§ 1572 und 1573 BGB für den nachehelichen Unterhalt zusätzlich vorsehen, kennt § 1615 l BGB nicht.

Quelle: ra-online, BGH

der Leitsatz

BGB §§ 1615 l Abs. 2, 1610, 1570, 1578 Abs. 1 Satz 1

a) Der Unter­halts­bedarf wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes bemisst sich jedenfalls nach einem Mindestbedarf in Höhe des Existenz­mi­nimums, der unter­halts­rechtlich mit dem notwendigen Selbstbehalt eines Nicht­er­wer­b­s­tätigen (zur Zeit 770 €) pauschaliert werden darf (im Anschluss an das Senatsurteil BGHZ 177, 272, 287 = FamRZ 2008, 1738, 1743).

b) Hat der Unter­halts­be­rechtigte keine kind- oder elternbezogenen Gründe für eine Verlängerung des Betreu­ungs­un­terhalts über die Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes hinaus vorgetragen, können solche nur insoweit berücksichtigt werden, als sie auf der Grundlage des sonst festgestellten Sachverhalts auf der Hand liegen.

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