Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls, eine GmbH, betrieb im Streitjahr 2001 ein als gemeinnützige Körperschaft anerkanntes Altenwohnheim ("Senioren-Wohnstift"). Sie überließ dem jeweiligen Bewohner auf der Grundlage eines Heimvertrages eine abgeschlossene unmöblierte Wohnung mit eingebauten Küchenelementen, die über eine eigene Klingel, ein Namensschild, eigenen Telefonanschluss, Briefkasten und Kelleranteil verfügte. Zu den ferner von der Klägerin erbrachten so genannte Grundleistungen gehörte die Überlassung eines Telefons, eine Notruf- und Pflegebereitschaft rund um die Uhr, die regelmäßige Grundreinigung der Wohnung, die Vorhaltung der Gemeinschaftsräume und -anlagen (Bibliothek, Gymnastikraum, Kapelle, Seelsorge, Hallenbad), ein tägliches Mittagessen im Speisesaal einschließlich Bedienung sowie die Betreuung und Pflege im Krankheits- und Pflegefall bis zu einer Gesamtdauer von 14 Tagen im Jahr. Für darüber hinaus in Anspruch genommene Pflegeleistungen war ein gesondertes Entgelt zu entrichten. Die Klägerin rechnete gegenüber der Pflegekasse ab, soweit von dieser Leistungen gewährt wurden, und im Übrigen direkt mit den Bewohnern des Senioren-Wohnstifts.
Entgegen der Ansicht der Klägerin behandelte das Finanzamt die Pflegeerlöse einschließlich Verpflegung und diverser Nebenumsätze als steuerpflichtig und unterwarf die Leistungen dem ermäßigten Steuersatz. Das Finanzgericht wies die Klage ab, weil die von der Klägerin erbrachten Leistungen nicht zu mindestens 40 % den in § 68 Abs. 1 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) genannten Personen zugutegekommen seien. Voraussetzung dafür sei die Zuerkennung einer Pflegestufe.
Dieser Auffassung folgte der Bundesfinanzhof nicht. Für die Anwendbarkeit des § 4 Nr. 16 Buchst. d UStG reiche eine (einfache) Pflegebedürftigkeit i.S. von § 68 Abs. 1 BSHG bei dem entsprechenden Personenkreis aus. Sie könne auch vorliegen, wenn keine Pflegestufe i.S. von § 15 Sozialgesetzbuch XI (SGB XI) nachgewiesen worden sei.
Der Bundesfinanzhof wies die Sache an das Finanzgericht zurück, damit es Feststellungen dazu trifft, ob und in welchem Umfang die Bewohner des Altenwohnheims der Klägerin körperlich hilfsbedürftig i.S. des § 68 Abs. 1 Satz 2 BSHG waren und sodann entscheidet, ob die Steuerbefreiung zu gewähren ist. Zudem hat das Finanzgericht zu prüfen, ob sämtliche Leistungen, für die die Klägerin die Steuerbefreiung begehrt, unter § 4 Nr. 16 Buchst. d UStG fallen.
Falls die streitigen Umsätze nicht schon nach § 4 Nr. 16 Buchst. d UStG i.V.m. § 68 Abs. 1 BSHG steuerfrei sind, wird das Finanzgericht auch prüfen müssen, ob sich die Steuerfreiheit unmittelbar aus europäischem Recht ergibt (Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG). Die Steuerbefreiung darf nach dem EuGH-Urteil Zimmermann nicht von einer Bedingung abhängig gemacht werden, die nicht geeignet ist, die Gleichbehandlung sämtlicher unter das Privatrecht fallenden Betreiber von Altenwohnheimen zu gewährleisten. Ob die Finanzverwaltung im Streitjahr 2001 bei gleichen Leistungen unterschiedliche Anerkennungsvoraussetzungen angewendet hat, muss das Finanzgericht ggf. prüfen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 27.06.2013
Quelle: Bundesfinanzhof/ra-online