15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen ein Formular für die Steuererklärung.
ergänzende Informationen

Bundesfinanzhof Beschluss14.07.2010

BFH legt EuGH Frage zur Umsatz­be­steuerung bei einer Geschäfts­ver­äu­ßerung im Ganzen vorKann bei Veräußerung von Warenbestand und Geschäfts­ausstattung und bloßer Vermietung des Ladenlokals von "Übertragung" des Gesamtvermögens ausgegangen werden?

Der Bundesfinanzhof hat dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) Fragen zu den Voraussetzungen der nicht der Umsatzsteuer unterliegenden Geschäfts­ver­äu­ßerung im Ganzen vorgelegt. Die Fragen betreffen Fälle, in denen Warenbestand und Geschäfts­ausstattung veräußert, die Geschäftsräume aber nur an den Erwerber vermietet werden.

Nach § 1 Abs. 1a des Umsatz­steu­er­ge­setzes unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäfts­ver­äu­ßerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäfts­ver­äu­ßerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers.

Ausnahmevorschrift

Diese Ausnah­me­vor­schrift hat ihre unions­rechtliche Grundlage in Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt Art. 19 der Mehrwert­steu­er­sys­tem­richtlinie 2006/112/EG). Danach können die Mitgliedstaaten die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt und den Begünstigten der Übertragung als Rechts­nach­folger des Übertragenden ansehen.

Klägerin geht von nicht steuerbarer Geschäfts­ver­äu­ßerung im Ganzen aus – Finanzamt setzt dennoch Umsatzsteuer fest

Im Streitfall hatte die Klägerin ein Einzel­han­dels­ge­schäft mit Sportartikeln in einem in ihrem Eigentum stehenden Ladenlokal betrieben. Später veräußerte sie den Warenbestand und die Geschäfts­ausstattung an eine GmbH, der sie das Ladenlokal auf unbestimmte Zeit vermietete. Der Mietvertrag über das Ladenlokal konnte von jeder Partei spätestens am dritten Werktag eines Kalen­der­vier­tel­jahres zum Ablauf des folgenden Kalen­der­vier­tel­jahres gekündigt werden. Die Klägerin wies in ihrer Rechnung an die GmbH über die Veräußerung des Warenbestands und der Geschäfts­ausstattung keine Umsatzsteuer aus und unterwarf den Vorgang nicht der Umsatzsteuer, weil sie von einer nicht steuerbaren Geschäfts­ver­äu­ßerung im Ganzen ausging. Dagegen setzte das Finanzamt Umsatzsteuer gegen die Klägerin fest.

BFH äußert Zweifel an "Übertragung" eines Gesamtvermögens bei lediglich vorgenommener Vermietung eines Ladenlokals

Da die Klägerin das Ladenlokal der GmbH nicht ebenfalls veräußert, sondern lediglich vermietet hatte, bestehen nach Auffassung des Bundesfinanzhof Zweifel, ob in einem derartigen Fall von einer "Übertragung" eines Gesamtvermögens i. S. von Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG ausgegangen werden kann. Diese Frage hat der Bundesfinanzhof dem zur Auslegung des Unionsrechts zuständigen EuGH vorgelegt.

BFH legt EuGH Frage hinsichtlich Unterscheidung zwischen begrenztem Mietvertrag und Vermietung auf unbestimmte Zeit vor

Für den Fall, dass im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG die Vermietung des Ladenlokals zu berücksichtigen ist, hat der Bundesfinanzhof dem EuGH die weitere Frage vorgelegt, ob es dabei darauf ankommt, ob das Ladenlokal durch einen auf lange Dauer abgeschlossenen Mietvertrag zur Nutzung überlassen wurde oder ob der Mietvertrag - wie im Streitfall - auf unbestimmte Zeit läuft und von beiden Parteien kurzfristig kündbar ist.

Nicht steuerbare Geschäfts­ver­äu­ßerung kann auch bei fehlender Mitübereignung einzelner wesentlicher Betrie­bs­grundlagen vorliegen

Diese Frage ist ebenfalls unionsrechtlich nicht geklärt. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundes­fi­nanzhofs kann eine nicht steuerbare Geschäfts­ver­äu­ßerung auch dann vorliegen, wenn einzelne wesentliche Betrie­bs­grundlagen nicht mitübereignet worden sind. Voraussetzung ist aber, dass sie dem Unternehmer langfristig zur Nutzung überlassen werden und eine dauerhafte Fortführung des Unternehmens durch den Übernehmer gewährleistet ist.

Quelle: Bundesfinanzhof/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss10295

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI