21.11.2024
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Dokument-Nr. 3542

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Bundesfinanzhof Urteil05.10.2006

Auskunfts­an­spruch zur Vorbereitung einer Konkur­ren­tenklage gegen einen kommunalen Betrieb

Ein Unternehmer, dessen Leistungen mit denen des Wirtschafts­be­triebes einer Gemeinde konkurrieren, kann vom Finanzamt Auskunft darüber verlangen, ob die Umsätze eines solchen Betriebes bei der Umsatz­steu­er­fest­setzung berücksichtigt worden sind, wenn für ihn Anlass zu der Befürchtung besteht, die diesbezügliche Behandlung der Gemeinde entspreche nicht dem Steuergesetz. Das Steuergeheimnis steht der Auskunft­s­er­teilung nicht entgegen. Dies hat der Bundesfinanzhof entschieden.

Vorausgegangen war eine auf Ersuchen des Bundes­fi­nanzhofs ergangene Vorab­ent­scheidung des Europäischen Gerichtshofs, nach der ein Unternehmer, der mit einer Einrichtung des öffentlichen Rechts, die öffentliche Gewalt ausübt, in Wettbewerb steht und geltend macht, diese werde zu Unrecht nicht oder zu niedrig zur Umsatzsteuer herangezogen, sich auf die Sechste Mehrwert­steu­er­richtlinie (Richtlinie 77/388/EWG) berufen und die betreffenden Umsatz­steu­er­fest­set­zungen vor Gericht angreifen könne.

Anlass des vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streit­ver­fahrens war, dass nach dem Bestat­tungsrecht von Sachsen-Anhalt --wie in vielen Ländern-- Einäscherungen außer von kommunalen Krematorien auch von privaten Anbietern durchgeführt werden dürfen. Der klagende Unternehmer, der ein Krematorium in Sachsen-Anhalt betreibt, meinte, die Umsätze des kommunalen Krematoriums in einer benachbarten Gemeinde würden zu Unrecht nicht zur Umsatzsteuer herangezogen. Dies habe bei ihm zu Umsatzeinbußen geführt, da die Gemeinde ihn aufgrund der Nicht­be­steuerung ihrer Krematoriums-umsätze unterbiete. Um eine Konkur­ren­tenklage wegen der Nicht­be­steuerung der Gemeinde erheben zu können, benötige er Auskunft insbesondere darüber, wann und unter welcher Steuernummer der letzte noch anfechtbare Umsatz­steu­er­be­scheid gegen die Gemeinde ergangen sei.

Eine solche Auskunft darf nach der Entscheidung des Bundesfinanzhof erteilt werden und verletzt nicht das Steuergeheimnis. Ein konkurrierender Unternehmer könne nämlich im Rahmen einer Klage gegen die Umsatz­steu­er­fest­setzung für die Gemeinde geltend machen, durch eine unzutreffende Besteuerung der Gemeinde in seinen Rechten verletzt zu sein. Es komme zumindest ernstlich in Betracht, dass eine von ihm erhobene Konkur­ren­tenklage zulässig wäre. Ob der Kläger den gegen die Gemeinde ergangenen Steuerbescheid tatsächlich zu Fall bringen könnte, hat der Bundesfinanzhof allerdings offen gelassen; dies sei erst bei der Entscheidung über die vom Kläger beabsichtigte Konkur­ren­tenklage abschließend zu prüfen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 72/06 des BFH vom 13.12.2006

der Leitsatz

RL 77/388/EWG Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2

GG Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4

AO 1977 § 30 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a

UStG § 2 Abs. 3

1. Einen verfas­sungs­un­mit­telbaren Auskunfts­an­spruch hinsichtlich der Besteuerung eines Konkurrenten hat ein Steuer­pflichtiger unbeschadet des Steuer­ge­heim­nisses dann, wenn er substantiiert und glaubhaft darlegt, durch eine aufgrund von Tatsachen zu vermutende oder zumindest nicht mit hinreichender Wahrschein­lichkeit auszu­schließende unzutreffende Besteuerung eines Konkurrenten konkret feststellbare, durch Tatsachen belegte Wettbe­wer­bs­nachteile zu erleiden und gegen die Steuerbehörde mit Aussicht auf Erfolg ein subjektives öffentliches Recht auf steuerlichen Drittschutz geltend machen zu können.

2. Die Auskunft darf erteilt werden, wenn die Konkur­ren­tenklage nicht offensichtlich unzulässig wäre; die Auskunft­s­er­teilung setzt nicht die Feststellung voraus, dass dem Auskunfts­an­trag­steller die von ihm behaupteten Rechte, die er auf der Grundlage der ihm erteilten Auskunft verfolgen möchte, tatsächlich zustehen.

3. Der in Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG enthaltene Grundsatz der steuerlichen Neutralität kann von einem Steuer­pflichtigen im Wege der Konkur­ren­tenklage geltend gemacht werden, wenn Einrichtungen des öffentlichen Rechts für die Tätigkeiten oder Leistungen, die sie im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausüben oder erbringen, als Nicht­steu­er­pflichtige behandelt werden und dies zu größeren Wettbe­wer­bs­ver­zer­rungen führt (Anschluss an das EuGH-Urteil vom 8. Juni 2006 Rs. C-430/04).

4. Es kommt ernstlich in Betracht, § 2 Abs. 3 UStG drittschützende Wirkung beizulegen.

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