21.11.2024
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Dokument-Nr. 6595

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Beschluss14.07.2008BundesfinanzhofVII B 92/08
Vorinstanz:
  • Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil13.02.2008, 4 V 630/07
ergänzende Informationen

Bundesfinanzhof Beschluss14.07.2008

Finanzamt muss Staats­an­walt­schaft bei Verdacht auf Schmier­geld­zahlungen informierenEingriff in die informationelle Selbst­be­stimmung ist nicht unver­hält­nismäßig

In Zeiten der Ausspionierung durch Video­über­wachung, der Abhöraffären und des Handels mit Bankdaten ist der Anspruch auf Schutz der Persönlichkeits­rechte, insbesondere des Rechts auf "informationelle Selbst­be­stimmung“, wieder deutlich in das Bewusstsein der Öffentlichkeit getreten. In diesem Zusammenhang spielen Infor­ma­ti­o­ns­rechte und -pflichten der Finanz­ver­waltung eine zentrale Rolle, steht doch das Steuergeheimnis als Garant der Verschwie­genheit der kenntnisreichen Finanzbehörden auf dem Spiel.

Wenig bekannt sind allerdings die mannigfachen Durchbrechungen des Steuer­ge­heim­nisses, die im Rahmen der Verfolgung von Steuer­straftaten oder anderen gravierenden Delikten unabdingbar oder in sonstigen Fällen vom Gesetzgeber ausdrücklich zugelassen sind.

Finanzbehörden müssen Verdacht von Schmier­geld­zah­lungen mitteilen

Zu dieser letzten Gruppe gehört die Verpflichtung der Finanzbehörden, den Straf­ver­fol­gungs­be­hörden Tatsachen mitzuteilen, die den Verdacht rechtswidriger Schmiergeldzahlungen begründen. Im Rahmen umfangreicher Maßnahmen zur Korrup­ti­o­ns­be­kämpfung in den 90er Jahren hatte der Gesetzgeber den bis dahin möglichen Abzug solcher Zahlungen als Betrie­bs­ausgaben abgeschafft und die wechselseitige Infor­ma­ti­o­ns­pflicht der Finanz­ver­waltung und der Straf­ver­fol­gungs­be­hörden in die Regelung aufgenommen (§ 4 Abs. 5 Nr. 10 Einkom­men­steu­er­gesetz).

Unternehmen wollte Mitteilung untersagen lassen

Diese Mittei­lungs­pflicht war Gegenstand eines Antrags auf einstweilige Anordnung, mit dem ein Unternehmen dem Finanzamt untersagen lassen wollte, die Staats­an­walt­schaft über Zahlungen zu informieren, die es in der Vergangenheit in Höhe von 10 v.H. des Wertes der bestellten Waren an den Einkäufer eines maßgeblichen Kunden geleistet hatte. Zwar wurde nicht in Abrede gestellt, dass die Zahlungen geflossen waren, um weiterhin die bevorzugte Berück­sich­tigung als Lieferant des Kunden sicherzustellen. Die Antragstellerin war aber Meinung, dass die Mitteilung unterbleiben müsse, weil die in der Betriebsprüfung gewonnenen Erkenntnisse mangels entsprechender Belehrung nicht strafrechtlich verwertet werden dürften und außerdem inzwischen Straf­ver­fol­gungs­ver­jährung eingetreten sei.

BFH: Tatsachen, die den Verdacht einer Korruptionstat begründen müssen der Staats­an­walt­schaft mitgeteilt werden

Das Finanzgericht und auf die Beschwerde hin der Bundesfinanzhof wiesen den Antrag zurück. Das Gericht betont, dass der Wortlaut der einschlägigen Bestimmung das Finanzamt verpflichte, Tatsachen, die den Verdacht einer Korruptionstat begründeten, der Staats­an­walt­schaft mitzuteilen. Einen Spielraum, der eine selbständige Prüfung erlaube, ob eine strafrechtliche Verfolgung durch die Staats­an­walt­schaft überhaupt in Betracht komme oder von vornherein ausgeschlossen sei, räume die Vorschrift der Finanzbehörde nicht ein. Die Prüfung, ob eine Strafverfolgung einzuleiten sei, obliege allein den Straf­ver­fol­gungs­be­hörden. Die Herrschaft der Staats­an­walt­schaft über das Ermitt­lungs­ver­fahren müsse auch im Verhältnis zur Finanzbehörde gelten. Selbst in einem offensichtlich straf­ver­fol­gungs­ver­jährten Fall stelle die Offenbarung keinen unver­hält­nis­mäßigen Eingriff in die Rechte des Steuer­pflichtigen dar, denn in einem solchen Fall habe dieser keine Ermittlungen der an Recht und Gesetz gebundenen Staats­an­walt­schaft zu befürchten.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 79/08 des BFH vom 27.08.2008

der Leitsatz

1. Begründen Tatsachen den Verdacht einer Tat, die den Straftatbestand einer rechtswidrigen Zuwendung von Vorteilen i.S. des § 299 Abs. 2 StGB erfüllt, so ist die Finanzbehörde ohne eigene Prüfung, ob eine strafrechtliche Verurteilung in Betracht kommt, verpflichtet, die erlangten Erkenntnisse an die Straf­ver­fol­gungs­be­hörden weiterzuleiten.

Das Recht auf "informationelle Selbst­be­stimmung" und der Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit gebieten es nicht, dass das FA vor der Übermittlung der den Tatverdacht begründenden Tatsachen prüft, ob hinsichtlich der festgestellten Zuwendungen Straf­ver­fol­gungs­ver­jährung eingetreten ist oder Verwertungs- bzw. Verwen­dungs­verbote vorliegen.

2. Ein Verdacht i.S. des § 4 Abs. 5 Nr. 10 Satz 3 EStG, der die Information der Straf­ver­fol­gungs­be­hörden gebietet, besteht, wenn ein Anfangsverdacht im Sinne des Strafrechts gegeben ist. Es müssen also zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Tat nach § 4 Abs. 5 Nr. 10 Satz 1 EStG vorliegen.

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