18.10.2024
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Urteil23.11.2006BundesfinanzhofV R 67/05, V R 51/05
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Bundesfinanzhof Urteil23.11.2006

Keine Änderung bestands­kräftiger Umsatz­steu­er­fest­set­zungen aufgrund EuGH-Entscheidung zur Steuerfreiheit des Betriebs von Geldspiel­au­tomaten

Nach dem Urteil des Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gilt die Steuerbefreiung des Art. 13 Teil A Buchstabe f der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG nicht nur für die Veranstaltung oder den Betrieb von Glücksspielen und Glückss­piel­geräten aller Art in zugelassenen öffentlichen Spielbanken, sondern auch für die Ausübung der gleichen Tätigkeit durch Wirtschafts­teil­nehmer, die nicht Spiel­bank­be­treiber sind.

Daraus folgte, dass die deutsche Regelung in § 4 Nr. 9 Buchstabe b UStG, die Steuerfreiheit nur für Umsätze in öffentlichen Spielbanken zuließ, gemein­schafts­rechts­widrig war.

"Private" Betreiber von Geldspielautomaten versuchten darauf hin, die gemein­schafts­rechtlich gebotene Steuerfreiheit für ihre Umsätze in vergangenen Jahren rückwirkend trotz bestands­kräftiger Steuer­fest­setzung zu erhalten.

Mehrere Revisi­ons­ver­fahren zu dieser Frage kamen vor den Bundesfinanzhof. Dieser verneinte die Änderungs­mög­lichkeit.

Im Urteilsfall V R 67/05 griff eine GmbH, die Geldspiel­au­tomaten betrieb, die bestands­kräftige Umsatz­steu­er­fest­setzung für 1993 aus dem Jahr 1994 an. Nach dem o.g. Urteil des Europäischen Gerichtshofs legte sie im Jahr 2005 Einspruch gegen den Umsatz­steu­er­be­scheid für 1993 ein und beantragte Wieder­ein­setzung in den vorigen Stand. Sie berief sich auf das EuGH-Urteil vom 25. Juli 1991 C 208/90 --Emmott--, demzufolge ein Mitgliedstaat, solange er eine Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt habe, sich nicht auf Bestandskraft einer Steuer­fest­setzung berufen dürfe, wenn der Steuer­pflichtige seinen richt­li­ni­en­kon­formen Anspruch geltend gemacht habe und die Geltendmachung des Anspruchs praktisch unzumutbar erschwert und versperrt gewesen sei.

Im Verfahren V R 51/05 legte eine Spiel­ha­l­len­be­treiber-GmbH im Jahr 2003 Einspruch gegen die bestands­kräftigen Umsatz­steu­er­be­scheide für 1985 bis 1996 und 1998 ein. Auch sie berief sich auf das o.g. Emmott-Urteil des Europäischen Gerichtshofs und machte geltend, der deutsche Gesetzgeber habe wider besseres Wissen die gemein­schafts­rechts­widrige Regelung in § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG aufrecht­er­halten. Die Steuerfreiheit von Glückss­pie­lum­sätzen wäre bereits durch das Glawe-Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (Urteil vom 5. Mai 1994 C-38/93) festgestellt worden, wenn dieses Verfahren nicht gezielt in eine andere Richtung gesteuert worden wäre.

Der Bundesfinanzhof verneinte die rückwirkende Änderbarkeit der bestands­kräftigen Steuer­fest­set­zungen. Der Europäische Gerichtshof habe in seiner Rechtsprechung seit dem Emmot-Urteil mehrfach klar gestellt, dass die Durchsetzung seiner Entscheidungen trotz bestands­kräftiger Steuer­fest­setzung nur in solchen Ausnahmefällen in Betracht komme, in denen die Nichteinhaltung der Klagefrist auf treuwidrigem Verhalten der Behörden beruhe. Grundsätzlich könne ein bestands­kräftiger Verwaltungsakt zum Zweck der (rückwirkenden) Durchsetzung von günstigerem Gemein­schaftsrecht nur dann geändert werden, wenn das nationale Recht dies (aufgrund einer entsprechenden Änderungs­vor­schrift) zulasse. Grundsätzlich gehe die Rechts­si­cherheit vor, die mit der Bestandskraft einer Verwal­tungs­ent­scheidung eintrete, die nach Ablauf angemessener Klagefristen oder Erschöpfung des Rechtswegs eingetreten sei. In Übrigen könne --so der Bundesfinanzhof-- von einer vorsätzlichen Nichtumsetzung der gemein­schafts­recht­lichen Befreiung nicht die Rede sein, weil bis zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs die Rechtslage ungeklärt gewesen sei.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 16/07 des BFH vom 14.02.2007

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