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Bundesfinanzhof Urteil09.11.2006

Rechts­miss­bräuchliche Gestaltungen werden auch im Mehrwert­steu­errecht nicht anerkannt

Rechts­miss­bräuchliche Gestaltungen sind nach § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) für die Besteuerung unbeachtlich. Diese nationale deutsche Regelung ist auch im harmonisierten Mehrwert­steu­errecht weiterhin anwendbar. Wie der Bundesfinanzhof entschied, entspricht die deutsche Regelung den Grundsätzen der EuGH-Rechtsprechung, nach denen bei der Auslegung des Mehrwert­steu­er­rechts eine "rechts­miss­bräuchliche Praxis" zu beurteilen ist.

Im Streitfall hatte eine Tochter­per­so­nen­ge­sell­schaft einer Bank ein mehrge­schossiges Bürogebäude errichtet und anschließend für 10 Jahre steuerpflichtig an die Bank vermietet. Das Bauvorhaben war von der Bank geplant worden und speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten. Die Mittel für den Bau hatte die Tochter­ge­sell­schaft von der Bank und einer anderen Tochter­ge­sell­schaft zunächst im Wege von Gesell­schaf­ter­da­rlehen und später durch Übertragung aus deren Rücklagen nach § 6 b des Einkom­men­steu­er­ge­setzes erhalten. Hätte die Bank das Gebäude selbst errichtet, wäre ein Abzug der im Zusammenhang mit dem Bau in Rechnung gestellten Umsatzsteuer als Vorsteuer nicht möglich gewesen. Denn da Kreditinstitute regelmäßig nur steuerfreie Umsätze ausführen, steht ihnen kein Vorsteuerabzug zu. Diese Einschränkung gilt für eine Tochter­ge­sell­schaft der Bank grundsätzlich nicht, die Vermie­tungs­umsätze unter Verzicht auf die Steuerbefreiung ausführt. Das Finanzamt versagte aber gleichwohl den von der Tochter­ge­sell­schaft geltend gemachten Vorsteuerabzug aus den Herstel­lungs­kosten des Gebäudes wegen rechts­miss­bräuch­licher Gestaltung i.S. von § 42 AO 1977. Der Bundesfinanzhof bestätigte diese Auffassung. Die Vorschaltung einer Perso­nen­ge­sell­schaft allein zur Erlangung des Vorsteuerabzugs aus dem von ihr zu verwirk­li­chenden Bauvorhaben sei als rechts­miss­bräuchlich anzusehen, weil wirtschaftliche oder sonst beachtliche außer­steu­erliche Gründe für die Gestaltung – insbesondere für die anschließende steuer­pflichtige Vermietung des Gebäudes an die Bank – im Streitfall nicht ersichtlich seien. Ertrag­steu­erliche Gründe könnten nicht als beachtliche wirtschaftliche Gründe im Sinne des § 42 AO 1977 zur Rechtfertigung einer umsatz­steu­erlich unangemessenen Gestaltung angeführt werden. Dies stehe auch im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 76/06 des BFH vom 28.12.2006

der Leitsatz

1. Zur Anwendbarkeit von § 42 AO 1977 im Mehrwert­steu­errecht.

2. Schaltet ein Kreditinstitut bei der Erstellung eines Betrie­bs­ge­bäudes eine Perso­nen­ge­sell­schaft vor, die das Gebäude errichtet und anschließend unter Verzicht auf die Steuerfreiheit an das Kreditinstitut vermietet, kann darin ein Rechts­miss­brauch vorliegen, der bei der Perso­nen­ge­sell­schaft zur Versagung des Vorsteuerabzugs aus den Herstel­lungs­kosten des Gebäudes führt.

3. Die Gestaltung kann aber auch durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nicht­steu­erliche Gründe gerechtfertigt sein. Ertrag­steu­erliche Gründe gehören nicht dazu.

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