14.11.2024
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Bundesfinanzhof Beschluss19.04.2007

Rückwirkende Einschränkung des gewer­be­steu­er­recht­lichen Verlustabzugs verfas­sungs­widrig?Bundesfinanzhof ruft Bundes­ver­fas­sungs­gericht an

Durch das Jahressteu­er­gesetz (JStG) 2007 wurde der gewer­be­steu­er­rechtliche Verlustabzug für Perso­nen­ge­sell­schaften eingeschränkt. Die Neuregelung sieht entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundes­fi­nanzhofs vor, dass Ergebnisse aus sog. Sonder- und Ergän­zungs­bi­lanzen bei der Ermittlung des Verlustvortrags nicht mehr zu berücksichtigen sind. Die Neuregelung soll auch für Erhebungs­zeiträume vor 2007 gelten.

Der Bundesfinanzhof hatte vor diesem Hintergrund über einen Fall zu entscheiden, der die Kürzung des Verlustabzugs beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Perso­nen­ge­sell­schaft im Erhebungs­zeitraum 2000 betraf. Das Gericht hielt die rückwirkende Anwendung der Neuregelung für verfas­sungs­widrig, soweit danach der gewer­be­steu­er­rechtliche Verlustabzug in größerem Umfang gekürzt wird, als es das im Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters geltende Gesetz vorsah. Er hat das Verfahren deshalb ausgesetzt und dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht vorgelegt.

Der Bundesfinanzhof ist der Auffassung, dass es sich bei der rückwirkenden Schlech­ter­stellung um eine verfas­sungs­rechtlich grundsätzlich unzulässige sogenannte echte Rückwirkung handelt, wenn die maßgeblichen wirtschaft­lichen Dispositionen vor Verkündung des JStG 2007 getroffen wurden.

Zwingende Gründe, die ausnahmsweise eine Durchbrechung des rechts­s­taat­lichen Rückwir­kungs­verbots rechtfertigen könnten, hat der Bundesfinanzhof verneint. Durch die Neuregelung werde entgegen der in der Geset­zes­be­gründung vertretenen Ansicht nicht lediglich eine schon herrschende Rechtspraxis gesetzlich festgeschrieben. Vielmehr habe die von der Finanz­ver­waltung in der Vergangenheit unter Abweichung von der Rechtsprechung des Bundes­fi­nanzhofs vertretene Rechts­auf­fassung durch das JStG 2007 erstmals eine gesetzliche Grundlage erhalten. Der Versuch des Gesetzgebers, die ständige Rechtsprechung des Bundes­fi­nanzhofs zum gewer­be­steu­er­recht­lichen Verlustabzug rückwirkend zu korrigieren, sie gleichsam für die Vergangenheit ins Unrecht zu setzen, gebe keinen Anlass zur Annahme einer verfas­sungs­rechtlich zulässigen Rückwirkung. Nach dem Grundgesetz komme der höchst­rich­ter­lichen Rechtsprechung und nicht der Finanz­ver­waltung die Aufgabe letzt­ver­bind­licher Rechts­er­kenntnis über Bundesrecht zu.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 62/07 des BFH vom 18.07.2007

der Leitsatz

GewStG i.d.F. des JStG 2007 § 10a, § 36 Abs. 9

1. Scheidet ein Mitunternehmer aus einer Perso­nen­ge­sell­schaft aus, so ist der für den letzten Stichtag vor dem Ausscheiden des Mitunternehmers festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust der Gesellschaft um den anteilig auf ihn entfallenden Verlustanteil zu kürzen. Dieser Anteil ist für Erhebungs­zeiträume vor 2007 nicht nur anhand des Gewinn­ver­tei­lungs­sch­lüssels, sondern unter Einbeziehung der in den Jahren des Bestehens der Mitun­ter­neh­mer­schaft angefallenen Sonder­be­trie­b­s­ein­nahmen und -ausgaben zu berechnen (Anschluss an BFH-Urteil vom 17. Januar 2006 VIII R 96/04, BFHE 213, 12).

2. Es wird eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob die zu § 10 a Satz 4 GewStG i.d.F. des JStG 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878) ergangene Anwen­dungs­re­gelung des § 36 Abs. 9 GewStG i.d.F. des JStG 2007 mit dem GG insoweit unvereinbar ist, als danach für den Erhebungs­zeitraum 2000 bei einer Mitun­ter­neh­mer­schaft der gewer­be­steu­er­rechtliche Verlustabzug im Falle des Ausscheidens eines Mitunternehmers in größerem Umfang gekürzt wird, als es das im Zeitpunkt des Ausscheidens des Mitunternehmers geltende Gesetz vorsah.

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