03.12.2024
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Bundesarbeitsgericht Urteil12.11.2024

Tarif­ver­tragliche Inflations­ausgleichs­prämie: Kein Ausschluss von Arbeitnehmern in der Passivphase ihrer AltersteilzeitAusschluss verstößt gegen das Teilzeit- und Befris­tungs­gesetz

Der im Tarifvertrag für energie- und wasser­wirtschaftliche Unternehmungen geregelte Ausschluss von Arbeitnehmern, die sich in der Passivphase ihrer Altersteilzeit befinden, vom Bezug einer Inflations­ausgleichs­prämie ist unwirksam. Das hat das Bundes­arbeits­gericht entschieden.

Der Kläger ist Arbeitnehmer eines Unternehmens der Energie­wirt­schaft. Er vereinbarte mit der Rechts­vor­gängerin der Beklagten Altersteilzeit im Blockmodell mit Beginn der Passivphase am 1. Mai 2022. Der Arbeit­ge­ber­verband energie- und wasser­wirt­schaft­licher Unternehmungen e.V. einigte sich mit den Gewerkschaften ver.di und IG BCE anlässlich der Tarifrunde 2023 in dem „Tarifvertrag über eine einmalige Sonderzahlung gemäß § 3 Nr. 11c Einkom­mens­steu­er­gesetz“ (TV IAP) auf die Gewährung einer Infla­ti­o­ns­aus­gleich­s­prämie, die unabhängig vom individuellen Beschäf­ti­gungsgrad 3.000 Euro beträgt. Es handelt sich nach der Protokollnotiz zum TV IAP um eine Beihilfe bzw. Unterstützung des Arbeitgebers zur Abmilderung der gestiegenen Verbrau­cher­preise. Von der Zahlung sind gemäß § 1 Abs. 2 Satz 3 TV IAP u.a. Arbeitnehmer ausgeschlossen, die sich am 31. Mai 2023 in der Passivphase der Altersteilzeit oder im Vorruhestand befanden. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Infla­ti­o­ns­aus­gleich­s­prämie iHv. 3.000 Euro. Er hat u.a. die Auffassung vertreten, der Anspruchs­aus­schluss von Arbeitnehmern in der Passivphase der Altersteilzeit stelle eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen der Teilzeit dar. Die Infla­ti­o­ns­aus­gleich­s­prämie werde ausschließlich als Leistung zur Abmilderung der gestiegenen Verbrau­cher­preise gezahlt und verfolge daneben keinen arbeits­leis­tungs­be­zogenen Zweck. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Ungleich­be­handlung nicht gerechtfertigt

Die Revision des Klägers hatte vor dem BAG Erfolg. Die Beklagte ist zur Zahlung der streit­ge­gen­ständ­lichen Prämie verpflichtet. Der Ausschluss von Arbeitnehmern in der Passivphase der Altersteilzeit durch § 1 Abs. 2 Satz 3 TV IAP verstößt gegen § 4 Abs. 1 TzBfG. Danach darf ein teilzeit­be­schäf­tigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeit­be­schäf­tigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unter­schiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeit­be­schäf­tigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeit­be­schäf­tigten Arbeitnehmers entspricht.

Eine Schlech­ter­stellung von Teilzeit­be­schäf­tigten kann sachlich gerechtfertigt sein, wenn sich ihr Grund aus dem Verhältnis von Leistungszweck und Umfang der Teilzeitarbeit herleiten lässt. In der Bestimmung des Leistungszwecks sind die Tarif­ver­trags­parteien dabei gemäß Art. 9 Abs. 3 GG weitgehend frei. Mit der Regelung des § 1 Abs. 2 Satz 3 TV IAP haben sie ihre durch § 4 Abs. 1 TzBfG begrenzte Recht­set­zungs­be­fugnis überschritten. Ein sachlicher Grund für die Ungleich­be­handlung von Arbeitnehmern aufgrund der Freistellung in der Altersteilzeit gegenüber vergleichbaren Vollzeit­be­schäf­tigten lässt sich aus den erkennbaren Leistungs­zwecken und dem Umfang der Teilzeitarbeit nicht herleiten. Die Ausgestaltung der Anspruchs­vor­aus­set­zungen steht der Annahme entgegen, dass es sich bei der Infla­ti­o­ns­aus­gleich­s­prämie auch um eine Gegenleistung für erbrachte Arbeit handelt.

Auch in Bezug auf die vergangene Betriebstreue sind keine Aspekte ersichtlich, die die Ungleich­be­handlung rechtfertigen könnten. Von einer zukünftigen Betriebstreue haben die Tarif­ver­trags­parteien den Anspruch nicht abhängig gemacht. Unterschiede für einen unter­schied­lichen Bedarf aufgrund der gestiegenen Verbrau­cher­preise zwischen Vollzeit­be­schäf­tigten und Teilzeit­be­schäf­tigten, die sich in der Freistel­lungsphase der Altersteilzeit befinden, sind nicht erkennbar.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (pm/ab)

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